Die Bad Herrenalber Straßen werden Gemeinderat und Stadtverwaltung im nächsten Jahr stark beschäftigen. (Archiv-Foto) Foto: Fritsch

Mit Kommentar: Eigentümer werden wohl für Rechnungen längst gebaute Straßen bekommen

Bad Herrenalb - Ein Thema, das im nächsten Jahr in Bad Herrenalb für viel Aufregung sorgen könnte, stand in der jüngsten Gemeinderatssitzung auf der Tagesordnung. Der "Sachstandsbericht beitragsrechtliches Straßenbestandsverzeichnis" könnte für manchen Hausbesitzer teuer werden.

Dieses beitragsrechtliche Straßenbestandsverzeichnis verfolgt das Ziel, Klarheit darüber zu schaffen, ob für "Erschließungsanlagen", also Straßen, eine Beitragserhebungspflicht nach Paragraf 20 des Kommunalabgabengesetzes Baden-Württemberg (KAG) besteht. Im Klartext heißt das also, dass geprüft wird, für welche bereits bestehenden Straßen die Grundstückseigentümer rückwirkend mit Erschließungsbeiträgen zur Kasse gebeten werden könnten.

Alice Koch von der Firma Allevo Kommunalberatung führt diese Untersuchung durch und informierte nun die Räte über den aktuellen Stand der Dinge. Mittlerweile seien alle Straßen im gesamten Stadtgebiet inklusive Teilorten geprüft. Das Verzeichnis habe zahlreiche Erkenntnisse gebracht, so Koch, die inzwischen ausgewertet und analysiert seien. Daraus sei ein Plan entwickelt worden, der die Abwicklung von Altlasten vorsieht, Handlungsempfehlungen für die Zukunft enthält und den Fokus auf den Prüfbemerkungen der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) habe, so Koch weiter.

Dabei gelten Straßen als beitragsrechtlich abgewickelt, wenn nach den Vorgaben keine Ausgaben mehr refinanziert werden müssen. Das gilt etwa für "historische Straßen", "vorhandene Straßen" oder "abgerechnete Straßen". Der Rest des Straßennetzes wurde nach Prioritäten eingestuft, je nach Aufwand, der nötig ist, damit sie mit den Anwohnern abgerechnet werden können und auch müssen, wie Koch deutlich machte: "Die GPA sitzt ihnen im Nacken".

"Priorität Eins" haben die Straßen, die ohne größeren Aufwand abgerechnet werden können. Das ist der Fall, wenn sie entweder über einen vorhandenen Bebauungsplan "rechtmäßig hergestellt" sind oder die endgültige Herstellung mit geringem oder ohne Einsatz von Finanzmitteln, etwa bei einer fehlenden Vermessung, erreicht werden kann.

"Priorität Zwei" haben Straßen, bei denen Baumaßnahmen erforderlich sind oder der Bebauungsplan geändert werden müsste. Zur "Priorität Drei" gehören alle Straßen, für die zwar eine Bauleitplanung besteht, die aber noch grundhaft ausgebaut werden müssen.

Sie nannte auch Beispiele für die einzelnen Priorisierungen. In Kategorie Eins falle etwa die Schmiedgasse in Neusatz, die mit geringem Aufwand abgerechnet werden könnte. Weitere Beispiele seien die Tannwald-, Eichenwald- und auch die Birkenwaldstraße.

Kochs Empfehlung lautet, alle Straßen der Priorität Eins 2018 abzurechnen.

Wenn es denn so einfach sei, "warum rechnen wir die fertigen Straßen nicht ab?", fragte der CDU-Stadtrat und Bernbacher Ortsvorsteher Klaus Lienen, worauf Bürgermeister Norbert Mai antwortete: "Genau deshalb haben wir die Firma beauftragt." Wichtig sei es, sich einen Überblick zu verschaffen, in welche Kategorie die einzelnen Straßen fallen.

Das Verzeichnis soll möglichst bald zur Verfügung stehen

Andreas Tockhorn (BF-BHA) sagte, es sei wichtig, dass das Verzeichnis aller Straßen baldmöglichst zur Verfügung stehe und er befürchtet: "Manch einer muss schon anfangen zu sparen, wenn das zur Umsetzung kommt." Er wollte außerdem wissen, über welche Beträge eigentlich geredet werde, die von den Eigentümern an die Stadt gezahlt werden müssten. Genaue Zahlen nannte Mai nicht, aber: "Ich muss ihnen die Hoffnung nehmen, dass wir alle Straßen sanieren können."

Michael Theis (GL) regte an, eine Übersicht über alle Straßen der Priorität Eins noch im Januar zu bekommen, damit es bereits in der Haushaltsberatung thematisiert werden könnte.

Auf die Nachfrage aus dem Gremium, warum denn die Straßen in den vergangenen Jahrzehnten und von den früheren Bürgermeistern und Gemeinderäten nicht abgerechnet wurde, antwortete Koch: "Das Gebiet ist sehr unbeliebt. Man kann schnell verklagt werden." Das Thema sei speziell und werde gerne zur Seite gelegt, "weil es auf beiden Seiten Herausforderungen gibt". Außerdem habe man bislang nie eindeutig sagen können, ob Erschließungsbeiträge zu leisten sind. Mai sagte zu, die Priorität-Eins-Straßen in die Haushaltsberatungen mit aufzunehmen.

Ebenfalls auf Nachfrage sagte Koch, dass lediglich die tatsächlich zum Zeitpunkt des Baus angefallenen Kosten ohne Zinsen abgerechnet werden können. Wenn eine Straße also in den 1970er-Jahren gebaut wurde, müssten die Kosten von damals angesetzt werden.

Nach Paragraf 20 II des Kommunalabgabengesetzes Baden-Württemberg besteht eine Beitragserhebungspflicht für Erschließungsbeiträge.

Keine Erschließungsbeiträge fallen dagegen an, wenn es sich unter anderem um eine "Historische Straße" (Rechtslage zum 1. Januar 1873), eine "Vorhandene Straße" (Rechtslage zwischen 1873 und dem 30. Juni 1961), eine "abgerechnete Straße" oder ein "Erschließungsvertragsgebiet" handelt.

Kommentar: Schwarzer Peter

Stadtverwaltung und Gemeinderäte in Bad Herrenalb nehmen ein heißes Eisen in die Hand. Vielen Bürgern drohen Erschließungsbeiträge, die sie für längst gebaute Straßen nachträglich entrichten müssen. Kein Wunder, dass dieses Thema jahrelang links liegen gelassen wurde. Nun aber drängt die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) auf eine ordentliche Abrechnung. Zudem hat die Sache ja auch einen Vorteil: Die Stadt erhält dringend notwendige Mittel für die weitere Sanierung von Straßen. Allerdings auf Kosten von Bürgern, die die Finanzierung ihrer vier Wände in trockenen Tüchern sahen und nun möglicherweise kräftig zur Kasse gebeten werden. Dennoch sollten nicht die Überbringer der schlechten Nachrichten, also Gemeinderäte und Stadtverwaltung, angegriffen werden. Der schwarze Peter liegt bei denen, die jahrelang nichts gemacht haben.