Wechsel des Landkreises? Am Sonntag stimmten die Bad Herrenalber darüber ab. Anschließend verkündete Bürgermeister Norbert Mai das Ergebnis. Foto: Kugel

Chef des Landkreises Karlsruhe warnt vor überzogenen Erwartungen bei Wechsel.

Bad Herrenalb - In Bad Herrenalb hat am Sonntag eine hauchdünne Mehrheit der Bürger für einen Wechsel des Landkreises votiert. Der Schwarzwälder Bote holte einige Stellungnahmen ein.

Der Calwer Landrat Helmut Riegger zeigte sich auch noch am Montagmorgen sehr enttäuscht. Er mache sich nun Gedanken, wie die Kommune im Albtal wegen des denkbar knappen Ergebnisses – 43 Stimmen gaben den Ausschlag – mit der Zerrissenheit umgehe. Gelte es doch, in die Zukunft zu schauen. Immerhin stehe die Gartenschau vor der Tür. Bad Herrenalb bleibe für ihn auf jeden Fall fester Bestandteil des Landkreises Calw.

Der Kreischef geht davon aus, dass der positive Bürgerentscheid der Stadt nachhaltig schaden wird.

Großes Interesse

Bürgermeister Norbert Mai sprach von einem sehr großen Medieninteresse. Und viele Bad Herrenalber hätten sich per E-Mail gemeldet. Bürger von den Höhenorten wollten das Ergebnis so nicht akzeptieren.

"Ich hätte mir ein viel deutlicheres Votum gewünscht" , so der Rathauschef. Kommunalpolitisch gesehen handle es sich um kein gutes Ergebnis. In einer der nächsten Sitzungen werde dem Gemeinderat das Antragsschreiben für einen Landkreiswechsel vorgelegt, das Innenminister Thomas Strobl direkt zugeschickt werden soll. Man bitte dann um eine zeitnahe Entscheidung, sagte Mai. Er hoffe, dass trotz alledem jetzt wieder die Gartenschau 2017 im Rampenlicht stehe. Die Kräfte müssten gebündelt werden.

Thomas Blenke, seit 2001 Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Calw, bezeichnete die Beteiligung von 58,9 Prozent als ein erfreuliches Signal. In der Sache bedauere er die Entscheidung "und die Knappheit". Blenke ist der festen Überzeugung, dass das Ergebnis für Bad Herrenalb nicht von Vorteil ist. Die Stadt sei ein fester Bestandteil des Landkreises Calw und hier gut aufgehoben. Es handle sich um eine Kommune von Bedeutung – "in Karlsruhe unter ferner liefen".

Wegen der Argumente der Bürgerinitiative "Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe" hätte es keinen Landkreiswechsel geben müssen, bemerkt Blenke.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion meinte, er könne nur sagen, was er auch vor dem Bürgerentscheid mitgeteilt habe: Die Stadt müsse einen Antrag an die Landesregierung stellen. Dann gelte es zu prüfen, ob ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Dabei gehe es auch um die Folgewirkungen.

Viele Dinge müssten beachtet werden, stellte Blenke erneut fest. Es werde eine gründliche Prüfung erfolgen. Zudem seien Regierung und Landtag nicht verpflichtet, ein Gesetz zu machen. Ein Landkreiswechsel habe Auswirkungen aufs gesamte Landesgefüge. Im aktuellen Koalitionsvertrag stehe, dass Gebietsänderungen nicht geplant seien.

Öffentliches Wohl

Bekanntlich hatte die Pressestelle des Innenministeriums Baden-Württemberg schon gegenüber unserer Zeitung mitgeteilt, dass ein möglicher Landkreiswechsel im Paragraf sieben (Gebietsänderungen) der Landkreisordnung geregelt sei. Hier heißt es unter anderem: Die Grenzen des Landkreises können aus Gründen des öffentlichen Wohls geändert werden. Die Änderung der Grenzen eines Landkreises infolge Eingliederung oder Ausgliederung von Gemeinden und gemeindefreien Grundstücken bedürfen eines Gesetzes.

Nicht auseinanderdriften

In den Höhenorten Rotensol und Neusatz möchte die Mehrheit nicht zum Landkreis Karlsruhe wechseln. Rotensols Ortsvorsteher Hermann Schneider sagte, das Ergebnis richte sich nicht gegen Bad Herrenalb. Man brauche jetzt keine weiteren Diskussionen. Die Stadt müsse unbedingt sich selbst voranbringen, bislang sei man auf einem guten Weg gewesen. Es gelte, das Abstimmungsergebnis so hinzunehmen. Er sei weder enttäuscht noch euphorisch, so Schneider. Einen Mehrwert bei einem Wechsel könne er allerdings nicht erkennen.

Der Neusatzer Ortsvorsteher Dietmar Bathelt zeigte sich "so überrascht wie der Bürgermeister". Er habe im Vorfeld des Bürgerentscheids einen anderen Eindruck übermittelt bekommen. Er hätte sich am Sonntagabend ein eindeutiges Ja oder Nein gewünscht, so Bathelt. Er hoffe, dass kein Keil zwischen den Höhenorten und der Kernstadt getrieben werde. Man dürfe keinesfalls auseinanderdriften.

Schlechte Zeiten

Der Bernbacher Ortsvorsteher Klaus Lienen meinte, als Privatmann sehe er bei einem Wechsel eher schlechtere Zeiten auf die Stadt zukommen. Es sei schwierig, das Ergebnis vernünftig zu kommentieren. Wenn sie hätten wählen dürfen, hätten die Bernbacher wohl für den Landkreis Rastatt gestimmt. Wie nach dem Brexit-Votum würden manche Bad Herrenalber sicherlich erst noch merken, was sie überhaupt "getan haben". Leinen befürchtet, dass man "lange in der Luft" hängen könnte.

Neutrales Verhalten

Landrat Christoph Schnaudigel nahm gestern folgendermaßen Stellung zum Ergebnis des Bad Herrenalber Bürgerentscheides: "Ich nehme das Ergebnis zur Kenntnis. Jetzt ist das Land am Zug. So lange wird sich der Landkreis Karlsruhe neutral verhalten, wie er das schon im Vorfeld getan hat. Ich möchte aber vor überzogenen Erwartungen warnen und dass manche Argumente, die von den Befürwortern eines Landkreiswechsels ins Feld geführt werden, Erwartungen wecken, die von einem Wechsel möglicherweise nicht eingelöst werden können." Schulbesuche oder Krankenhausbesuche seien beispielsweise auch über Kreisgrenzen hinweg möglich. Schon heute werde vom Tourismus über den ÖPNV bis hin zur künftigen Kooperation beim Breitbandausbau zusammengearbeitet – ganz unabhängig von Kreisgrenzen, stellte Schnaudigel fest. "Bei einer zunehmend digitalen Verwaltung werden Verwaltungsgrenzen zudem an Bedeutung verlieren. Die Chancen eines Wechsels kann ich nicht beurteilen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass das Land keine isolierte Entscheidung für Herrenalb treffen wird, sondern – wenn überhaupt – auch auf die Diskussionen in anderen Landesteilen eingehen wird."

Video vom Bürgerentscheid:

Seite 2: Stimmen aus dem Internet

Der Bürgerentscheid zum Landkreiswechsel in Bad Herrenalb schlägt auch im Internet hohe Wellen. Unter anderem auf unserer Internetseite kommentierten einige Leser das Ergebnis. Die Stimmen aus dem Internet:

Raphael K.:

 "Als Neusatzer bin ich mit dem Wahlergebnis unzufrieden, aber keineswegs überrascht. Die Bewohner von Rotensol und Neusatz, die mit 69 und 75 Prozent für einen Verbleib bei Calw stimmten (dazu noch mit der höchsten Wahlbeteiligung), wurden von den ›Dreiviertelsbadenern‹ (natürlich nicht allen) unten im Albtal überstimmt. Die völlig unterschiedlichen Wahlergebnisse in den Ortsteilen zeigen mir, wie uneinheitlich und zusammengewürfelt Bad Herrenalb ist. Mir wäre eine ›Ausgemeindung‹ von Neusatz/Rotensol am liebsten, am besten eine Fusion mit Dobel. Vielleicht finden sich ja Mitstreiter für eine neue Bürgerinitiative (›Neuxit/Roxit‹). Die Tal-Herrenalber können sich gerne erfreuen, wie schnell sie mit der Stadtbahn in Karlsruhe sind, denn da gehören sie hin."

Volker B.:

 "Ein Teil der Bürger möchte das (den Landkreiswechsel, Anm. d. Red.) – nicht alle!!! Schauen wir mal, wie das alles letztendlich ausgeht... Scheinbar wird ja dann alles besser – scheinbar!!!! Auf jeden Fall ist dafür gesorgt, dass wieder ordentlich Missstimmung unter den Einwohnern ist – auch dazu kann man mal gratulieren!!! Ah, und noch was liebe BI: Für mich persönlich als Einwohner von Bad Herrenalb müsst ihr nicht weiterhin schauen, was besser für mich ist – Danke!!!!"

Thomas L.:

 "Sehen wir es mal so. Klar, ein denkbar knappes Ergebnis. Keiner braucht unzufrieden sein. Wir sind in ganz Deutschland in aller Munde, bei der Presse sowieso. Die Gartenschau kann starten. Vielleicht auch eine bessere Zukunft."

Reinhard P.:

"Dieses Ergebnis ist ein großer Erfolg für die Bürgerinitiative, zu dem ich ganz herzlich gratuliere. Auf der anderen Seite: Das Ergebnis zeigt, dass Bad Herrenalb in dieser Frage tief gespalten ist. Wenn es wirklich zu einem Wechsel kommen soll, muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, vor allem in den beiden Höhenorten Neusatz und Rotensol. Eine Niederlage ist das Ergebnis für den Landrat in Calw. Sich derart deutlich zu äußern und sogar den gesamten Kreistag (vor der Abstimmung) eine Erklärung abgeben zu lassen, war keine gute Idee. Landrat Riegger ist nun geschwächt und das wird Folgen haben."

Nicole W.:

 "Das schlechstmöglichste Ergebnis, in meinen Augen – die Hälfte dafür, die Hälfte dagegen. In Rotensol und Neusatz gab es die höchste Wahlbeteiligung – und 69, beziehungsweise 75 Prozent sprachen sich für einen Verbleib in Calw aus. So wie es jetzt aussieht, ist dieser Bürgerentscheid wie der Brexit – und Rotensol/Neusatz sind das Schottland und Nordirland von Herrenalb. Da hat die Bürgerinitiative einmal gekonnt die Gemeinde gespalten. Klasse."