Am Kreiswechsel zeigte auch schon die "SWR Landesschau aktuell" Interesse: Landrat Helmut Riegger (links) beim Interview im kleinen Sitzungssaal. Foto: Kugel

Thema ganz oben auf Prioritätenliste des Innenministeriums: Frist muss eingehalten werden.

Bad Herrenalb - Der Bad Herrenalber Kreiswechsel-Wunsch steht jetzt ganz oben auf der Prioritätenliste des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg. Laut Pressestelle ist Eile geboten, schließlich gibt es eine Frist einzuhalten.

In Bad Herrenalb hatten bei einem Bürgerentscheid im Oktober 2016 29,8 Prozent für den Wechsel in den Landkreis Karlsruhe gestimmt, 29,1 Prozent dagegen. "Bei einer Wahlbeteiligung von 58,9 Prozent fällt dieses Ergebnis denkbar knapp aus", heißt es in der Großen Anfrage der Regierungsfraktionen Grüne und CDU.

Die beiden betroffenen Landkreise Calw und Karlsruhe stehen dem Anliegen der Stadt ablehnend gegenüber.

Bereits am 4. November 2016 wurde Landtagspräsidentin Muhterem Aras mitgeteilt: Die Stadt Bad Herrenalb ersucht die Landesregierung von Baden-Württemberg eine Gesetzesvorlage in den Landtag einzubringen, nach der die Stadt Bad Herrenalb aus dem Landkreis Calw aus- und in den Landkreis Karlsruhe eingegliedert wird.

Am 15. September vorigen Jahres lief die Frist, so das Innenministerium seinerzeit, für Stellungnahmen der anderen Ministerien ab. Sie mussten die Aussagen der Stadt Bad Herrenalb und der beiden Landkreise einordnen und bewerten. Hier sei die Fachkompetenz gefragt, informierte die Pressestelle. Man brauche ein Gesamtbild. Das Referat für kommunales Verfassungsrecht ("Eine Handvoll Leute") werte das Ganze aus.

Diskussion wahrscheinlich

Gleich nach der Gartenschau 2017 in Bad Herrenalb verfasste die Bürgerinitiative (BI) "Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe" einen offenen Brief. Nach der parlamentarischen Sommerpause sollten die zur Umkreisung erforderlichen Schritte in Angriff genommen werden, forderte die BI. Dem Gehörtwerden müsse mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der Politik ein Erhörtwerden folgen.

Die Landesregierung drücke sich vor einer Entscheidung, erklärte danach der AfD-Landtagsabgeordnete Klaus Dürr. "Die Landesregierung sollte ehrlicher Makler sein, spielt aber auf Zeit – und düpiert den Landtag", wurde unter anderem mitgeteilt.

15 Abgeordnete beziehungsweise eine Fraktion können, wie berichtet, mit Großen Anfragen Stellungnahmen von der Regierung verlangen und somit Landtagsdebatten auslösen.

Große Anfragen, so teilten es Grüne und CDU mit, seien das ausführlichste Frageinstrument des Parlaments, um sich Klarheit über einen Sachverhalt zu verschaffen. Deshalb haben die beiden Regierungsfraktionen mit Blick auf den Bad Herrenalber Kreiswechselwunsch diesen Weg gewählt. Am Montag lag die Große Anfrage zum Antrag der Stadt Bad Herrenalb auf einen Wechsel vom Landkreis Calw zum Landkreis Karlsruhe beim Innenministerium vor.

Landkreiswechsel berücksichtigt werden – etwa das räumliche Zugehörigkeitsgefühl der Bevölkerung.

Die Fraktionen wollen unter anderem wissen, welchen Stellenwert die Landesregierung dem Thema interkommunale Zusammenarbeit in Zusammenhang mit der Frage möglicher Gebietsveränderungen beimisst. Die Fragen beschäftigen sich auch mit den rechtlichen Voraussetzungen sowie den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen eines Landkreiswechsels auf die betroffenen Kommunen. Wissen wollen die Antragsteller außerdem, inwieweit sogenannte "nicht quantifizierbare Gründe" für einen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Landtagsfraktion, Uli Sckerl, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Blenke, informierten: "Wir nehmen das Anliegen der Stadt Herrenalb ernst, haben dabei aber auch die ablehnende Haltung der beiden betroffenen Landkreise zu berücksichtigen. Deshalb wollen wir uns mit einer Großen Anfrage Klarheit verschaffen."

Beratung im Kabinett

Weil es nach Übermittlung eine sechswöchige Antwortfrist gibt, müssen bis 5. März sämtliche Fragen beantwortet sein. Danach haben die Antragsteller zwei Monate Zeit, das weitere Verfahren zu klären.

Bei Großen Anfragen gilt es als sehr wahrscheinlich, dass das Thema im Landtag diskutiert wird. Dies könnte, so Grüne und CDU, noch vor der Sommerpause erfolgen.

Sobald die Regierungsfraktionen ihre Entscheidung getroffen haben, wird das Innenministerium mit den weiteren Schritten beauftragt.

Wie die Pressestelle am Dienstag gegenüber dem Schwarzwälder Boten sagte, sei Eile geboten.

Die Kreiswechsel-Fragen müssten zügig beantwortet werden, weil auch noch im Kabinett darüber beraten werde. Danach leite die Landesregierung die Fragen an den Landtag weiter. Dieser lege dann fest, ob und wann eine Plenarsitzung mit Aussprache stattfinden solle.

INFO: Offener Brief der Bürgerinitiative

Bad Herrenalb - Die grün-schwarzen Regierungsfraktionen in Stuttgart haben eine Große Anfrage gestellt. Und die Bürgerinitiative (BI) "Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe" hat dies zum Anlass genommen, sich erneut zu Wort zu melden; genauer: mit einem offenen Brief, den sie am Dienstag ans baden-württembergische Innenministerium schickte. Die Unterzeichner heißen Martin Knirsch und Hans-Friedrich Scheeder.

Unter der Überschrift "Bad Herrenalber Bürgerwillen respektieren und Landkreiswechsel jetzt umsetzen" wird unter anderem darauf hingewiesen: Es sei zu berücksichtigen, dass weder der zuständige CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Blenke in dieser Angelegenheit als neutral einzustufen sei noch das Landratsamt Calw eine neutrale und objektiv zutreffende Stellungnahme abgegeben habe. Dass der Landkreis Karlsruhe nicht offen für den Wechsel werbe, verstehe sich in Anbetracht des offenen Ergebnisses von selbst. "Die Fakten, die Jahr für Jahr zunehmen, sind deshalb in einer Verflechtungsanalyse durch unabhängige Dritte zu überprüfen", so die BI.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hätten sich die Lebensrealitäten im Landkreis Calw stark verändert. Der frühere Bäderkreis Calw definiere sich schon lange nicht mehr über dieses Ziel.

Hilfe "vom Tale"

"Ein digitales Landratsamt schaffe keine emotionalen Bindungen. Bindungen bestehen ausschließlich auf der Verwaltungsebene, nicht aber beim Bürger", heißt es zudem.

Bad Herrenalbs Bürger orientierten sich wirtschaftlich, beruflich, kulturell und sportlich nahezu ausschließlich in den Raum Karlsruhe, Pforzheim und Rastatt.

Bei den meisten aktuellen Fragen der vergangenen Jahre komme die Hilfe nicht aus den Bergen, "sondern vom Tale". Dies treffe für Abwasser, Strom, Volkshochschule, Jugendverkehrsschule, Albtal Plus und anderes zu.

Bei der Schaffung einer weiterführenden Schule (Realschule/Gymnasium) sei Bad Herrenalb auf die Kooperation mit den Gemeinden des oberen Albtals im Landkreis Karlsruhe angewiesen.

Dienende Funktion

"Solange die Bad Herrenalber Feuerwehren nicht auch im benachbarten Marxzell und umgekehrt löschen dürfen, stimmt etwas nicht im Verwaltungsaufbau. Gleiches gilt auch für die Nutzung des Recyclinghofes Dobel, der laut Aussage des Abfallchefs des Landkreises Calw bei einem Landkreiswechsel den Bad Herrenalbern nicht mehr zur Verfügung stehen soll. Auf der einen Seite befürwortet man angeblich Kooperationen auch über die Kreisgrenzen hinweg. Auf der anderen Seite schließt man diese kategorisch aus", schreibt die BI außerdem. Verwaltungsleistungen seien kein Selbstzweck, sondern hätten eine dienende Funktion. Im Mittelpunkt des Verwaltungshandelns stehe der Bürger.