So sieht die einstige Pension Fortuna heute aus. Foto: Schabert Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Claus Adam verfolgt Markus Scheers Weg / Pension Fortuna und ihre Geschichte

Bad Herrenalb/Althengstett-Neuhengstett. Die ehemalige Pension Fortuna in Bad Herrenalb – heute ein Wohnhaus in der Gernsbacher Straße 30 – ist seit dem Bau 1906 durch Ernst König im Besitz der gleichen Familie. Claus Adam aus Neuhengstett, der Urenkel des Bauherrn, wollte genau wissen, wie dieser einst jüdische Beherbergungsbetrieb ins Eigentum der Königs und ihrer Nachkommen gelangte. Froh ist er, dass dies nichts mit der Arisierung in der NS-Zeit zu tun hat.

Diesen Aufschluss gab eine ganze Reihe von Recherchen in Archiven.

Das Mitglied des Neuhengstetter Ortschaftsrats fand heraus, dass sein Urgroßvater ein recht umtriebiger Mann gewesen sein muss. Seine Berufslaufbahn hatte er 1888 als Gipser und Anstreicher begonnen. Man nannte ihn im Klosterstädtchen an der Alb den "Scherbenkönig", was mit seinem nebenbei betriebenen Geschirrlädle zusammenhing. Im Adressbuch des Oberamts Neuenbürg erscheint er 1930 als "Gipsermeister und Kohlenhändler".

Nach seinem Tod 1932 war das Haus, das heute Jochen und Brigitte Kling gehört ins Eigentum von Klara Ruff, geborene König, übergegangen. Über das Calwer Kreisarchiv kam Claus Adam an die "Geschichte der Villen, Wohn-, Gast- und Beherbergungsstätten von Herrenalb" aus dem Jahr 1987 von W. Schramm. Aus einer Anzeige um 1930 geht hervor, dass Inhaber – wohl im Sinne von Pächter – Küchenchef K. Lewin ist. Hervorgehoben wird die "streng rituelle Küche" des "direkt am Walde gelegenen" Hauses.

Zum Boykott aufgerufen

Es gab in jener Zeit viele jüdische Einwohner und Gäste im Albtal. Im Adressbuch 1930 erscheint Markus Scheer als Inhaber der Pension Fortuna. Laut Aussage der Mutter von Claus Adam ist dieser mit seiner Familie von heute auf morgen verschwunden. Dies könnte mit dem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte 1935 oder allgemein der Verfolgung jüdischer Familien durch die Nazis im Zusammenhang gestanden haben.

In einer gemeinsamen Anzeige für die Kreise Calw, Nagold und Neuenbürg wird aufgefordert: "Deutscher kaufe nicht beim Juden!". Darin werden 1935 auch "Herrenalb: Pension ›Fortuna‹" Schwarzwaldhotel" benannt.

Adam, der sich auch sonst viel mit Heimatgeschichte beschäftigt, hat den traurigen Weg der Familie Scheer verfolgt. 1938 betrieb Markus Scheer das Gasthaus "Waldesruhe" in Reith bei Seefeld in Tirol. Er und seine Frau Hinde sind laut Gedenkbuch des Bundesarchivs am 19. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer gefallen.

Im KZ Auschwitz endete "zwischen 1941 und 1945" laut Datenbank der Universität Innsbruck das Leben von deren Tochter Augusta Scheer, die im vierten Lebensjahrzehnt stand.