Schwimmbad Herrenalb – Postkarte aus dem Jahr 1934 mit dem Hinweis: Jetzt geht es baden! Auf dem Bild zu sehen ist der große Zuspruch von GästenFoto: Zoller Foto: Schwarzwälder Bote

Zeitgeschichte: Vor 90 Jahren eröffnete das Freischwimmbad in Bad Herrenalb –­ und lockte vor allem Städter in den Kurort

Am Montag, 6. Juli, startet das Waldfreibad in Bad Herrenalb in die Sommersaison 2020. In seinen mittlerweile 90 Jahren erlebte das Bad eine wechselvolle Geschichte.

Bad Herrenalb. Unterlagen zur 90-jährigen Geschichte des Waldfreibads finden sich im Privatarchiv von Richard Clauer. Spätestens seit seiner großen Ausstellung unter dem Titel "Zeitreise" im Sommer 2019 ist der Herrenalber in der Region als Sammler und Bewahrer historischer Belange und Gegebenheiten bekannt, der bereits vor über drei Jahrzehnten eine Sammlung mit historischen Dokumenten von seinem Vater übernommen hat. Mittlerweile ist sein Fundus auf mehr als 60 000 Bilder, Zeitungsartikel und Alltagsdokumente angewachsen.

Kurtaxe wird herabgesetzt

Über das Herrenalber Freischwimmbade, das am 9. Juni 1930 eröffnet wurde, hat Clauer einen mittlerweile vergilbten Bericht gefunden, der den Neubau "trotz aller wirtschaftlichen Nöte der Zeit" als bahnbrechende Neuerung beschreibt. Inflation, Weltwirtschaftskrise und Massen-Arbeitslosigkeit machten einst auch Bad Herrenalb zu schaffen. Als "Kurort ersten Ranges" wurde auf Beschluss des Gemeinderates die tägliche Kurtaxe zur Hochsaison 1930 von 70 auf 60 Pfennige herabsetzt und mit dem Luft- und Sonnenbad eine neue Attraktion geschaffen.

Das Bad, das nach Entwürfen des Herrenalber Architekten Carl Kugele "mit heimischen Handwerkern geschaffen" wurde, wird als "großzügiges und modernsten Ansprüchen gerecht werdendes Freischwimmbad" beschrieben, das "in einer wahrhaft einzigartigen Umrahmung von harzduftenden Tannen- und Fichtenwäldern" eingebettet liegt. Eigens dafür ist ein neuer Fahrweg von der Gernsbacher Straße links ab durch einen Wiesengrund entstanden, der vorbei am neuerstellten Autoparkplatz als Fußweg zum Haupteingang führt, an dessen Vorplatz die Kasse "Wäscheausgabe und Garderobe vermittelt".

In den 1930er-Jahren kommt die Gesellschaft in Bewegung, denn im Familienbad wird jetzt geschlechtergemischt gebadet. Schwimmen und Sonnenbaden werden zur beliebten Freizeitbeschäftigung, gebräunte Haut und ein sportlicher Körper galten nicht mehr als Attribut der schwer im Freien arbeitenden Bevölkerung, sondern als Zeichen gesunder Lebensführung. Ein neues Schönheitsideal war geboren und auch modisch sorgte körperbetonte Kleidung für Aufsehen. Eng mit dem Kampf der Frauen auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper verbunden ist die Geschichte der Bademoden, die übrigens seit dem 5. Juli im weltweit ersten Museum zu sehen ist, das sich nur dem Bikini widmet und mit rund 1200 Bikinis und Badeanzügen die größte Bademodensammlung der Welt besitzt: das Bikini-Art-Museum im württembergischen Bad Rappenau. Bevor der beliebte Zweiteiler von dem gelernten Automechaniker und späteren Modeschöpfer Louis Réard als Triangel-Bikini entworfen und am 18. Juli 1946 patentiert wurde, war es Coco Chanel, die 1914 erste elastische Badestoffe für Badeanzüge entworfen hat, um die üblicher Weise verwendeten Wollmaterialien abzulösen, die sich beim Schwimmen so unpassend mit Wasser vollsaugten.

Hohe Besucherzahl

Mit Eröffnung der Sommer-Badesaison 1930 lag Herrenalb sozusagen voll im Trend. Die Presse notierte: "Es ist wohl unstreitig, dass sich durch das neue Freischwimmbad die Fremdenfrequenz dieses lieblichen Kurortes weiter heben wird." Kein Wunder also, dass sich das als "schwäbische Erholungsstätte" titulierte Luft- und Sonnenbad schnell belebt und bereits im ersten Jahr mit 15 000 Badegästen eine hohe Besucherzahl verzeichnet. Als besonderer Service werden Bogen- und Fußbrausen genannt, die mit "vorgewärmtem Warmwasserstrahl für die wünschenswerte Abkühlung des Körpers" sorgten. Zu den zwölf Wechsel- und 21 Einzelkabinen gab es Sammelkabinen mit eingebauten Garderobeschränkchen und ferner noch "ein Ausgaberaum für Erfrischungen, dem sich neben einem hübschen Schwarzwälderbrunnen ein Freiluft-Strandkaffee anschließt". Zur Unterhaltung der kleinen und großen Besucher gab es Schaukeln und Ringtennisspiele.

"Großflächiges Strandbad"

Als optischer Höhepunkt wird in den historischen Artikeln das "großflächige Strandbad" hervorgehoben, vom dem aus ein "überaus reizvoller Gesamtüberblick über das im Hintergrund entzückend in dem grünen Talgrund eingeschmiegte Herrenalb" zu genießen ist. Passend zum Landschaftsbild abgestimmt ist darüber hinaus ein Rasenbeet, das mit Liegepritschen bestückt hinreichend Gelegenheit bietet, "die Luft und das Sonnenlicht auf den Körper einwirken zu lassen". Kein Wunder also, dass dieses Bad als "Stätte gediegener, sorgloser Heiterkeit" in drückend heißen Sommertagen zahlreiche Städter in den Schwarzwald lockte.

Schon ein Jahr später wurde erneut investiert und die Freibad-Fläche um 3000 Quadratmeter erweitert, damit sich auf einer neu entstandenen Waldliegewiese "bequem über 1000 Personen gleichzeitig tummeln" können.

Der Karlsruher Mundartdichter Fritz Römhildt (1857–1933) brachte die Eröffnung des Freibads als Künstler Romeo mit der Aussage auf den Punkt: "Zum Badeort gehört doch a Bad." In einem handschriftlich aufbewahrten Stück Papier sind die dazu passenden Vierzeiler und das Datum vom 9. Juni 1930 vermerkt. Der Poet hat gedichtet: "Jetzt sehe d’Herrenalbner ein, dass so e Bad von Nöte. Die Stadt isch mit dem Schwimmbad in die Reih der Großstädt trete." Und weiter fährt er fort: "Mit ungefähr 70 000 Mark hat die Stadt das Bad errichtet, un’ alle Kurgäscht jung und alt sind jetzt zum Dank verpflichtet. Dess lohnt sich, so e’ Ausgab, die tut’s Renomee doch hewe. Jetzt geht ma gern nach Herrenalb, um dort sei Geld auszugewe."

Herrenalb, das in jener Zeit mit den "altbewährten Doktoren Wasser, Luft und Sonne" warb, gab zum 16. Juli 1931 die "Zahl der gemeldeten Kurfremden" mit 4466 Personen an. Mit der Albtalbahn reisten immer mehr Tagesausflügler und Passanten in den Ort, der mit seiner "staub- und rauchfreien, vollkommen reinen Luft" ins Freibad lockte.