Zwölf Kandidaten kamen zur Bewerbervorstellung – davon acht von der Satirepartei "Die Partei". Foto: Mutschler

Zwölf Kandidaten sprechen im Kurhaus. Wahlkampf, Kabarett und Appell an Demokratie. Mit Glosse

Bad Herrenalb - Die Bürgermeisterwahl in Bad Herrenalb bewegt die Gemüter. So war es kein Wunder, dass das Kurhaus bei der ersten Bewerbervorstellung mit mehr als 500 Besuchern komplett gefüllt war. Und die Zuhörer bekamen einiges geboten: Wahlkampf, Kabarett – und durchaus ernst gemeinte Appelle an die Demokratie.

Für 400 Besucher war das Bad Herrenalber Kurhaus bestuhlt. Aber bereits eine halbe Stunde vor Beginn der ersten Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl am 20. Oktober war klar, dass die Plätze bei Weitem nicht ausreichen würden. Neben acht Kandidaten von der Partei "Die Partei" – Andreas Zimmermann, Beate Dickas, Nico De Zorzi, Sascha Schlüter, Jörg Lesser, Sabine Kader, Max Braun und Rebecca Ansin – waren auch Klaus Hoffmann, Sabine Zenker, Egon Volker Nagel und Marc-Yaron Popper gekommen.

Klaus Hoffmann

Den Anfang bei den jeweils 15-minütigen Vorstellungsreden machte Klaus Hoffmann. Seit 2008 wohne er in Bad Herrenalb und er habe einen "prallen Sack voller Ideen" und einen "wahnsinnig großen Erfahrungsschatz", so der Geschäftsführer der Karlsruhe Tourismus GmbH. Ein weiterer "Riesenschatz" sei seine drei Jahrzehnte währende ehrenamtliche Tätigkeit. Dies alles sei das "Fundament der Erfahrung, um mein Haus Bad Herrenalb aufzubauen". Hoffmann wollte die Zuhörer mit auf eine Reise in das Jahr 2030 mitnehmen. Bis dahin will er als Bürgermeister "Vordenker für Natur und ländlichen Raum" sein. Junge Leute würden Arbeit und Freizeit verbinden wollen. Hier sieht er für Bad Herrenalb eine Chance in "internetbasierter Arbeit" und die Stadt als "ideales Umfeld für kreative Köpfe am Kraftort Bad Herrenalb". Deshalb will er Start-ups, also junge Unternehmen, rund um die Themen Natur und ländlicher Raum ansiedeln.

Als Beispiel für die Stadtentwicklung nannte er den Alten Schlachthof in Karlsruhe. Dort erinnere nichts mehr an die ehemalige Nutzung, jetzt gebe es dort "junge, dynamische Unternehmen". Und so sieht er auch "sein" Bad Herrenalb 2030: "jung, dynamisch, innovativ". Damit das funktioniere, möchte er Gewerbeflächen ausweisen und "arbeiten, forschen und leben in Bad Herrenalb" ermöglichen. "Eine Perle muss man polieren, um sie zum Strahlen zu bringen", sagte er.

In Sachen Tourismus habe die Stadt alle Grundlagen für einen naturnahen Tourismus in den Händen. Und man dürfe nicht vor neuen Ideen zurückschrecken. Hoffmann nannte dabei das Waldbaden oder "Übernachtungsinseln" im Wald, die nur per GPS erreichbar seien. Für eine nachhaltige und naturnahe Entwicklung brauche man eine Tourismus-Strategie, so Hoffmann weiter, der außerdem einen Tourismus-Kongress in der Stadt ausrichten möchte.

Sabine Zenker

Als nächstes war Sabine Zenker an der Reihe, die sich für das "wundervolle Amt der Bürgermeisterin" von Bad Herrenalb bewarb. Der Kämmerin sei die Stadt "unglaublich ans Herz gewachsen", weshalb sie sich auch in Bernbach ein Haus gekauft habe. Sie sieht in der Stadt "unglaublich viel Potenzial" und möchte die Stadtverwaltung restrukturieren und die Digitalisierung vorantreiben. Dabei sei ihr Transparenz "unheimlich wichtig". Deshalb wolle sie einen Tag der offenen Tür im Rathaus veranstalten und mit einer Broschüre über die aktuellen Projekte der Stadtverwaltung informieren. Außerdem soll der Gemeinderat regelmäßig in den Stadtteilen tagen. Sie will "nicht nur verwalten, sondern intensiv miteinander gestalten". Als größte Herausforderungen sieht sie die Kinderbetreuung und das Schulwesen. Das Schulangebot müsse angepasst und die verlässliche Nachmittagsbetreuung an der Grundschule gesichert werden. Bevor man eine weiterführende Schule etablieren könne, müsse man das Kindergarten-Angebot ausbauen.

Zenker will die Arbeit von Vereinen unterstützen und einen Jugendgemeinderat oder -arbeitskreis gründen. Wichtig ist ihr außerdem der Ausbau von Mobilfunk und Breitband, für Projekte will sie öffentliche Fördermittel, etwa aus dem ELR-Programm, gewinnen. Eine "sehr gute Infrastruktur" und das Stadtbild seien wichtig, um neue Einwohner gewinnen zu können, die dann wiederum die vorhandene Infrastruktur unterstützen.

Beim Thema Wohnen sei ihr wichtig, "dass keiner die Stadt verlassen muss, weil er keinen Wohnraum findet" und nannte die Schlagworte, "bezahlbar, barrierefrei, betreut in allen Stadt- und Ortsteilen". Aber Wohnen alleine reiche nicht, Bad Herrenalb müsse ein attraktiver Ort für Arbeitgeber sein. Deshalb möchte sie Gewerbeflächen erschließen und gemeinsam mit den ansässigen Unternehmen eine Leistungsschau durchführen sowie eine Imagekampagne starten unter dem Motto: "Arbeiten, wo andere Urlaub machen."

Beim Thema Mobilität will sie "intelligente Konzepte" entwickeln, sowohl für die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) als auch für die Steuerung des Individualverkehrs, etwa durch Mitfahrbänke und Parkplatzerweiterungen, auch für Fahrräder, Motorräder, Busse und Wohnmobile.

Das Thema Thermalbad will sie "ehrlich angehen" und schauen, ob die Finanzen dafür ausreichen. Auch das Freibad soll langfristig aufgestellt werden. Zenker möchte "nachhaltigen Erlebnistourismus mit gesundheitlichen Aspekten". Sie könne sich dabei durchaus auch ein Riesenrad auf der Schweizer Wiese oder einen Sessellift mit "Flying Fox" oder Rodelbahn vorstellen. Wichtig sei es, mit der Natur ressourcenschonend umzugehen.

Egon Volker Nagel

Das Thema Schule ist auch für Egon Volker Nagel wichtig. Es gebe genügend Argumente für eine weiterführende Schule. Dabei denkt er vor allem an eine Realschule, da an ihr auch der Hauptschul-Abschluss möglich sei. "Ich möchte, dass unsere Kinder künftig bei uns in die Schule gehen", sagte er. Außerdem benötige die Stadt mehr Seniorentagesstätten und auch Pflegeheime. Wichtig findet er es, eine Begegnungsstätte mit kleiner Bibliothek einzurichten, ein Generationenhaus, "wo sich Ältere und Jüngere treffen können". Im Auge hat er dabei das Gebäude, in dem sich im Moment noch der Polizeiposten befindet.

Apropos Polizei: Hier möchte der Berufsfeuerwehrmann in Bad Herrenalb ein "rund um die Uhr besetztes Polizeirevier" einrichten, denn es dürfe nicht sein, dass Mitarbeiter von Lebensmittelmärkten kurz vor Ladenschluss überfallen werden und es bis zu 45 Minuten dauere, bis die Streife vor Ort sei.

Nagel will sich für den Erhalt der Therme einsetzen, sie renovieren und das neue Konzept verwirklichen. Er ist sich sicher: "Sollten wir die Therme schließen, brechen wir der Region um Bad Herrenalb das Genick."

Weitere Punkte in seiner Rede: die Aufwandsentschädigung für Feuerwehrleute und Vereine erhöhen; Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften sowie die Ausweisung von Spielstraßen; Außerdem will er verantwortungsvoll mit Geld und der Natur umgehen.

Marc-Yaron Popper

Der Karlsruher Rechtsanwalt Marc-Yaron Popper ist sich sicher, dass Bad Herrenalb einen "Bürgermeister von außen" brauche. "Ein weiter so, vor allem beim Schulden machen, darf es nicht geben", sagte er. Er bezeichnete sich als Visionär und diese Visionäre seien es, "die die Welt verändern". Bad Herrenalb sei die "Perle im Albtal" mit Lebensqualität, guter Luft und wunderschöner Natur. Dies gelte es zu erhalten. Popper will als Bürgermeister die "Schnittstelle zwischen Verwaltung, Bürgern und Vereinen" sein, ein "Generalist, wie ein Schweizer Taschenmesser und immer das richtige Werkzeug haben".

Er möchte einen Imagewandel im Tourismusbereich erreichen und Bad Herrenalb zu einer "Stadt für Genießer" machen. Dazu kann er sich eine Seilbahn vom Gaistal zur Schweizerkopfhütte ebenso vorstellen wie einen Ultramarathon oder Radrennen. Er will die Aufenthaltsqualität steigern, etwa mit einem Brunnen am Rathausplatz, die Stadt zum "smart village" entwickeln, Leerstände beenden und die Klosterschenke zur Spitzengastronomie entwickeln. So soll die Stadt gesund und nachhaltig wachsen. Weitere Schlagworte waren: neues Jugendzentrum; barrierefreies Wohnen; "schnelles Internet an jeder Milchkanne" und eine bessere Taktung des ÖPNV.

Die Zukunft der Therme werde Bad Herrenalb beeinflussen, ist er sicher. Die Sanierung werde zwölf bis 15 Millionen Euro kosten. Es sei wichtig, das Defizit zu reduzieren. Deshalb will er die Verträge mit den Stadtwerken nachverhandeln.

"Die Partei"-Kandidaten

Neben diesen klassischen Vorstellungsrunden gab es auch eher ungewöhnliche Reden durch die Kandidaten der Partei "Die Partei". Jörg Lesser erkannte beispielsweise Parallelen zwischen sich und Bad Herrenalb: "beide überaltert und völlig verschuldet". Er nannte die Stadt dann auch konsequent und gewollt Baden-Baden, was bereits die ersten Buh-Rufe herausforderte. Er will die Stadt in eine Steueroase verwandeln, Armut verbieten und den RTL2-Trödeltrupp die Stadt ausmisten lassen. Auch Max Braun nannte sein Programm, von dem er "ganz gewiss nichts davon" umsetzen will: etwa Sonderfahrspuren für Tuk Tuks und Flugtaxis oder ein Abbiegeverbot für Lastwagen. Arbeitslose will er "einfach halbieren" und eine Städtepartnerschaft etablieren: Am liebsten mit Pjöngjang, "denn von Nordkorea können wir viel lernen". Kein Freund von Geschwätzigkeit sei dagegen Nico De Zorzi, der "in wenigen Worten und Sätzen einiges Wichtiges zu sagen" habe. Rund zehn Minuten und Plattitüden wie "in der Kürze liegt die Würze, der Hase im Pfeffer und im Argen so einiges" kam er, der "kein Freund von Geschwätzigkeit" sei, auch direkt zu dem, "was ihn wirklich auszeichne". Was folgte, war eine lange Pause, Dank für die Aufmerksamkeit und Applaus der Herrenalber, die an manchem Auftritt sichtlich Spaß hatten und sich über manch anderen ärgerten, was laute Buh- und "Geh heim"-Rufe deutlich machten.

Dabei drohten so einige, durchaus ernst gemeinte, Sätze zur Lage der Demokratie so manches Mal fast unterzugehen.

Mehr Infos zur Bürgermeisterwahl in Bad Herrenalb auf unserer Themenseite.

Glosse: Lehrstück in Sachen Demokratie

Von Bernd Mutschler

Da war was los im beschaulichen Bad Herrenalb. Mit nach eigener Aussage 24 Kandidaten "kapert" die Satirepartei "Die Partei" die Bad Herrenalber Bürgermeisterwahl. Aber nicht nur das: Acht der Kandidaten reisten sogar zur ersten Bewerbervorstellung an. Das sorgte für Stimmung im voll besetzten, altehrwürdigen Kurhaus. Denn die mehr als 500 Besucher bekamen so einiges geboten: seriöse Vorstellungen, teilweise gelungene Satire – und durchaus auch einige Sätze, über die sich ein längeres Nachdenken lohnen würde.

"Es ist eine traurige Regel, dass Wahlen am Ende zur Farce werden", sagte zum Beispiel Kandidat Sascha Schlüter, der aus Berlin angereist war. Er verglich die Bewerbervorstellungen (nicht nur in Bad Herrenalb) mit Kaffeefahrten: "Es werden sich alle Versprechungen nach der Wahl in Luft auflösen", prognostizierte er. Dennoch gingen die Wähler immer wieder hin, denn "irgendwann muss es doch mal stimmen, was die sagen."

Dabei sprach er den Kandidaten, deren Vorstellungen er im Übrigen, wie alle anderen Bewerber auch, nicht gehört hatte, gar nicht ab, dass sie es mit ihrem Programm ernst meinen. Aber: "Sobald der Hintern das erste Mal im Rathaussessel platt gedrückt wird, trifft einen der harte Schlag der Realität."

Er sagte auch, wie er sich den perfekten Bürgermeister vorstellt. Der kümmere sich beispielsweise um kaputte Straßenlaternen und Straßen, den Nahverkehr und darum, dass die Schulen nicht zerfallen. Er erwarte dagegen "nicht, dass ich sein Gesicht jeden Tag in der Zeitung sehe."

Außerdem bestritt er, dass die Wahl in Bad Herrenalb durch die vielen "Partei"-Kandidaten nicht ernsthaft sei: "Es gibt keine Wahlen, die nicht ernst sind." So habe es schon Wahlen gegeben, "die zum Ende der Demokratie geführt hätten, und am Ende hat man wieder von nichts gewusst."

Einen weiteren Satz schrieb er den Bürgern ins Stammbuch: "Sie besitzen Macht, um die man sie in vielen Ländern beneidet."

Beate Dickas riet gleich allen Baden-Württembergern, das kommunale Wahlgesetz zu ändern. Schließlich könnten die Bad Herrenalber froh sein, dass wegen der niedrigen Hürden bei Bürgermeisterwahlen "nur" die Kandidaten der "Partei" angetreten seien und nicht "irgendwelche Faschisten".

Wenn man sich den Ablauf der Veranstaltung anschaut, möchte man fast bedauern, wie es gelaufen ist. Auch wenn die "Partei"-Kandidaten sicherlich mit Buh-Rufen gerechnet hatten und wenn Schlüter sich sein "Fickt euch!" hätte sparen können – was in Bad Herrenalb abgelaufen ist, ist gelebte Demokratie. "Die Partei" weiß die Klaviatur zu spielen und Finger in die Wunden zu legen.

Als Beispiel seien ebendiese "Fallschirmkandidaten" genannt. Kandidaten nämlich, die ins Rennen gehen oder geschickt werden, ohne in der Stadt zu leben oder einen Bezug zu ihr zu haben.

Deshalb gehört den "Partei"-Kandidaten Respekt gezollt, dass sie die Sache durchziehen, wohl wissend, dass ihnen außer Buh-Rufen, Spott und Häme wahrscheinlich nicht viel bleiben wird – was eigentlich schade ist.

Vielleicht sollten alle Bürger, bei deren Wahlen es ähnliche Nebengeräusche gibt, diese Bürgermeisterwahl als das nehmen, was sie ist: ein Lehrstück in Sachen Demokratie.