Das neue Stadtentwicklungskonzept soll – wie die Gartenschau 2017 – für eine Belebung der Stadt sorgen. Foto: Archiv

Gruppe drei präsentiert dem Gremium ein Stadtentwicklungskonzept 2030.

Bad Herrenalb - "Bad Herrenalb ist heute... ohne Strategie, ohne klare Zielsetzung, ohne fokussiertes Vorgehen, ohne Transparenz, ohne ganzheitliche Betrachtung." So ist es in der Präsentation zu lesen, die in der jüngsten Gemeinderatssitzung dem Gremium vorgestellt wurde. Mit neuem Konzept soll sich dies alles ändern.

Er habe versprochen, so sagte es Bad Herrenalbs Bürgermeister Klaus Hoffmann, dass er noch vor der Sommerpause ein neues Tourismuskonzept präsentiere. Daraus sein nun mittlerweile der "Zukunftsprozess 2030" geworden, denn er habe festgestellt, dass man den Prozess ändern müsse. Und so habe man eine Expertenrunde zusammengerufen, die einen breiten Querschnitt aus Bad Herrenalb abbilde. Es gehe darum, "Bad Herrenalb in eine blühende Zukunft zu führen", so der Bürgermeister weiter. Mit ins Boot geholt hat sich die Stadtverwaltung für die Analyse und das neue Konzept die Agentur für strategisches Marketing, Gruppe drei aus Villingen-Schwenningen.

Zukunft der Stadt soll gesichert werden

Carolin Deberling von Gruppe drei sagte, die aktuelle Situation sei – auch durch Corona – eine enorme Herausforderung, biete aber auch die Chance, etwas zu gestalten. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, sich mit der Zukunft zu befassen. Dazu müsse man aber entscheiden, worauf die Stadt künftig ihren Fokus setzen will.

So gehe es unter anderem darum, die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit der Stadt zu sichern, Perspektiven für eine definierte Zielgruppe aufzuzeigen und konkrete Ziele zu verfolgen und schrittweise umzusetzen.

"Wer sind wir?" war eine der Folien überschrieben, die Deberling im Gemeinderat präsentierte. Darunter fand sich ein buntes Sammelsurium aus den Begriffen Tourismusstadt, Gesundheitsstadt, Wohnstadt, Klosterstadt, Freizeitstadt, Gartenstadt, Naturstadt oder Eventstadt? "Sie haben ganz schön viel", sagte Deberling. Das führe zu einem Problem: "Sie tun einfach, haben aber keine Vision." So war dann auch auf einer weiteren Seite der Präsentation zu lesen: "Bad Herrenalb ist heute... ohne Strategie, ohne klare Zielsetzung, ohne fokussiertes Vorgehen, ohne Transparenz, ohne ganzheitliche Betrachtung." Deshalb müsse unter dem Überbegriff Standortmarketing eine gemeinsame Ausrichtung der verschiedenen Punkte definiert werden.

Der Stadt fehle ein Alleinstellungsmerkmal und Bad Herrenalb sei eine "teils marode Stadt", bekamen die Stadträte in der teils schonungslosen Analyse von Deberling zu hören. Deshalb müssten endlich Entscheidungen her. Bisher sehe sich Bad Herrenalb als heilklimatischer Kurort und Heilbad und bespiele die Themen Therme und Thermalwasser, Rehabilitation und Kliniken sowie Parkanlagen und Natur. Genau das seien eben keine der nötigen Alleinstellungsmerkmale.

Deshalb will Deberling den Fokus auf andere Stichworte setzen: Beim heilklimatischen Kurort soll das Schlagwort "Premium Class" dazu kommen, außerdem soll die Stadt ein Ort der Innovation werden, ein Ort der Klosterkultur, der Achtsamkeit/Spiritualität/Magie und Begegnung, ein Gesundheitszentrum und – als echtes Alleinstellungsmerkmal – ein Ort der Nachhaltigkeit.

Deberling hat in ihren Befragungen einen deutlichen Unterschied ausgemacht zwischen der aktuellen und zukünftigen Sichtweise. So soll sich Bad Herrenalb in Zukunft "weltoffen, lösungsorientiert, gemeinsam, nachhaltig und originell" präsentieren. Bislang sähen die Herrenalber ihre Stadt aber eher als "überschaubar, durchschnittlich, ländlich, angestaubt und klein". Deshalb gelte es, eine hohe Anspruchshaltung seitens der Akteure der Stadt als "innovativen, lebenswerten und naturnahen Standort" weiterzuentwickeln.

Das Naturrefugium im Schwarzwald

Bad Herrenalb vereine einerseits den traditionellen, authentischen und heimatverbundenen Schwarzwald. Andererseits besteche die Stadt durch ihre zentrale Lage und Nähe zum Rhein, einer innovationsgetriebenen und dynamischen Region.

Diese konträren Welten ergäben eine spannende und herausfordernde Zukunftsausrichtung: Bad Herrenal soll das Naturrefugium im Schwarzwald und nahe des Rheins für nachkommende Generationen bewahren und erlebbar machen. So seien alle Akteure der Stadt angehalten, sich bewusst neuen Herausforderungen zu stellen und neue Wege zu gehen. Jedes einzelne Event müsse überprüft und gegebenenfalls an die neue Strategie angepasst werden.

Pessimistisch zeigte sich Andreas Tockhorn (BF-BHA). Es habe schon viele Konzepte gegeben. Dabei sei nichts passiert, lediglich die Liste der Schwächen sei immer länger geworden. Er sieht zudem als Problem, dass sich die Akteure der Stadt nicht vernetzen, sondern gegeneinander arbeiten würden.

Dem hielt der Bürgermeister entgegen: "Bad Herrenalb hat schon bewiesen, dass man es zum Leuchten bringen kann." Mit der Gartenschau habe die Stadt bewiesen, "wir können es".

Auch Andreas Nofer (FW) zeigte sich skeptisch: "Schon wieder ein Papier!" Man habe schon öfter Ziele aufgeschrieben, die man dann nicht verfolgt habe. Dennoch sei das Potenzial da, "wir müssen nutzen. Wir brauchen einen Leuchtturm".

Auch Gertraud Maier (UBV) sagte, dass es schon viele Konzepte gegeben habe. "Die Vernetzung wird eine riesige Herausforderung", meinte sie und sie stellte fest: "Uns fehlt hier die Praxis." Deshalb fände sie es wichtig, dass die Agentur mit im Boot sei, wenn man die Richtung festlege und auch konkrete Umsetzungskonzepte gebe.

Klaus Lienen (CDU) sagte, dass die Evententwicklung nicht die Aufgabe der Stadt sei. Vielmehr habe man keine innovativen Tourismusunternehmen, "die machen nichts Neues". Deshalb müsse man "irgendwas machen, was die Leute anspricht".

Christian Romoser (CDU) findet, dass die Stadt ein "Riesenpotenzial" habe, das man zusammenfügen müsse. Auch bei der Gartenschau sei am Anfang alles schlecht geredet worden. "Wenn nicht hier, wo soll dann Nachhaltigkeit gelebt werden?", fragte er. Auch er wünscht sich von der Agentur konkrete Handlungsanleitungen.

Abschließend ging Hoffmann noch auf die Anmerkung Tockhorns ein, dass die Liste der Schwächen immer länger werde: "Wo ›Schwäche‹ drüber steht, kann man selbst daran arbeiten", im Gegensatz zu Risiken, die – wie etwa die Corona-Krise – von außen kämen und nicht beeinflussbar seien.

Das Konzept soll nun gemeinsam erarbeitet werden – zunächst in einer Klausurtagung des Gemeinderats im September. Danach soll dann die Bürgerbeteiligung starten, ebenfalls noch in diesem Jahr. 2021 sollen dann konkrete Maßnahmen definiert werden und mit der Umsetzung begonnen werden.