250 Videofilme hat Ulli mittlerweile gesammelt. Der 34-Jährige lag 1999 nach einem schweren Autounfall ein halbes Jahr im Wachkoma und lebt seit 2005 in einer Wohngemeinschaft im Curanum. Foto: Kienzler

Mit 19 liegt Ulli ein halbes Jahr im Wachkoma. Bei Null angefangen. In der Hirschhalde zweite Familie gefunden.

Bad-Dürrheim-Hochemmingen - Das Curanum in der Hirschhalde begleitet Menschen mit einem Schädel-Hirn-Trauma oder Schlaganfällen auf ihrem oft schweren und langwierigen Weg zurück in ein eigenständiges Leben. Ulli ist seit 2005 in der Pflegeeinrichtung. Nach einem schweren Autounfall lag er ein halbes Jahr im Wachkoma.

Es ist der 15. März 1999 um die Mittagszeit, als der 19-jährige Ulli mit seinem Golf unterwegs ist. Zwei Wochen davor hat der Jugendliche seine Gesellenprüfung bestanden. Aus unerklärlichen Gründen gerät sein Wagen ins Schlingern, der junge Fahrer versucht gegenzulenken und kommt auf die Gegenfahrbahn. Dort kracht er mit einem Kieslaster zusammen. Der Wagen des Elektrikers wird meterweit in ein angrenzendes Waldstück geschleudert. Beim Aufprall knallt Ulli mit seinem Kopf gegen die Gurtaufhängung. Er überlebt den Unfall mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma, liegt ein halbes Jahr im Wachkoma. Nichts ist mehr wie vorher, der Crash hat von einer Sekunde zur anderen alles verändert.

Die Familie bangt um ihn, doch Ulli ist eine Kämpfernatur. Nachdem er aus dem Koma erwacht, ist der junge Mann auf den Rollstuhl angewiesen, Greifen, Tasten, Sprechen, all das geht nicht mehr. Der 19-Jährige fängt bei Null an. Nach einem Aufenthalt in einer Reha-Klinik am Bodensee kommt der Iffezheimer nach Hochemmmingen auf die Hirschhalde in die Wohngemeinschaft des Curanums. Das war vor achteinhalb Jahren.

Dank einer regelmäßigen Physio- und Ergotherapie, sowie Unterricht mit einer Logopädin braucht Ulli mittlerweile "nur" noch einen Rollator und auch beim Sprechen gibt es große Fortschritte. Früher war er ein guter Bodenturner, hat bei Wettkämpfen mitgemacht und diese Disziplin und sein Ehrgeiz kommen ihm bei seinem Genesungsprozess zugute. Sein Zimmer teilt er sich mit Pit aus Berlin. Über dem Bett von Ulli hängen Poster von den Simpsons und eine große Badnerfahne. "Wenn ich erst mal im Lied drin bin, kann ich alle Strophen", sagt er stolz. Fan des Karlsruher Sport Clubs ist er auch, mit seinem Vater oder Freunden geht er oft ins Stadion. Überhaupt gebe ihm die Familie großen Halt, sagt er. Alle drei bis vier Wochen fährt er nach Hause.

Früher war Ulli ein begeisterter DJ und legte bei vielen Festen auf. Das macht er mittlerweile im Curanum hin und wieder auch, und lächelnd zeigt er auf seine große CD-Sammlung, die neben dem Bett steht.

"Ich höre vieles, von Techno bis Schlager, aber ich liebe Dream Dance", sagt der Musikfan, der besonders auf seine große Video-Sammlung mit 250 Filmen stolz ist.

"Hier gefällt es mir sehr gut, ich fühle mich wohl", bringt es Ulli auf den Punkt. Seine Mitbewohner in der Wohngemeinschaft und die neun Pfleger sind für ihn nicht nur Bezugspersonen, sondern fast schon wie eine Familie.

"Wir freuen uns über jeden kleinen Fortschritt bei ihm", erklärt Pflegedienstleiterin Stefanie Reichelt. Der Unterschied zu einer reinen Pflegestation liege in der Mitarbeit der Bewohner. Sie helfen beim Tischdecken oder der Wäscheverteilung mit, dadurch entstehe kein starrer Alltag und die Betroffenen erfahren viel Anerkennung, erklärt Reichel. Besuche im Kino, Ausflüge an den Bodensee oder in den Europapark sorgen bei Ulli und seinen Mitbewohnern zusätzlich für Abwechslung von der täglichen Therapie.