Die Bohrtürme unter denen sich die Bohrlöcher IX und X befinden in der Luisenstraße, Ecke Hammerbühl. Bis 2005 wurde hier die Sole gefördert, heute könnte noch ein Notbetrieb über sie aufrechterhalten werden. Foto: Strohmeier

Kurbetrieb: Reservoir fasst 200 Kubikmeter / Modernste Technik überwacht Förderung permanent

Von Wilfried Strohmeier

Die Bohrtürme Bad Dürrheims sind weithin sichtbar – in ihnen wurde die Sole aus dem Salzstock tief unter der Stadt gewonnen und sie sind eines der Wahrzeichen der Stadt. Der Platzbedarf für eine Solebohrung und -förderung ist heute weitaus geringer. Oberirdisch sieht man nicht viel mehr als eine Garage.

Bad Dürrheim. Neben dem Wasserhochbehälter Hirschhalde steht eine unscheinbare Garage, etwa 150 Meter weiter in Richtung Waldrand des Kapfwalds eine zweite, diese befindet sich Mitten im Gelände. In und auch unter den beiden Garagen ist die ganze Technik verborgen, die es zur Soleförderung in Bad Dürrheim benötigt.

Bohrtagebücher dokumentieren Arbeit im 19. Jahrhundert

Die erste Solebohrung, Anfang des 19. Jahrhunderts, war noch recht mühsam und fand in einem Schopf statt, der damals auf freiem Feld stand. Heute ist das Fundbohrloch im Hindenburgpark durch eine moderne Skulptur markiert. Und auch die Arbeiter in den darauf folgenden Jahrzehnten, in denen insgesamt zehn Bohrlöcher entstanden, hatten es schwer. Stück für Stück mussten sie den Meißel durch die Gesteinsschichten treiben. Es gibt im Landesarchiv von Baden-Württemberg hier sehr genaue Aufzeichnungen.

Für das Bohrloch Nummer IX beispielsweise, es ist mit dem Bohrloch X eines der beiden an der Ecke Luisenstraße und Hammerbühl, gibt es einen Bohrbericht. Man war schon seit Wochen an der Arbeit, unter dem Datum 8. Mai 1917 ist im Bohrbericht vermerkt: "175 Millimetermeißel eingelassen, bis 100,69 Meter". In den nächsten Wochen arbeitete sich das damalige Bohrteam Meter um Meter vor. Am 11. Mai, war das Tagespensum laut der Aufzeichnung beispielsweise nur 1,21 Meter, an anderen Tagen knapp vier Meter – das kam immer auf die Gesteinsschichten an, durch die man bohrte.

Am 22. Mai musste die Bohrung unterbrochen werden, für den Tag steht der Vermerk "Nachfall ausgebohrt", sprich Material, das von oben in den Schacht fiel, musste herausgeholt werden, damit es weitergehen konnte. Erst am 26. Juni 1917 war man auf einer Tiefe von 180,50 Meter, der Tiefe, aus der man dann das Steinsalz in Wasser zur Sole löste und diese Liter um Liter nach oben beförderte. Gelöst wurde das Steinsalz durch einfließendes Grundwasser.

Bis 2005 Bohrlöcher IX und X in Betrieb

Die Förderung in heutiger Zeit ist wesentlich einfacher. Bis zum Jahr 2005 waren die bereits genannten Bohrlöcher IX und X in Betrieb, danach wurde auf der Hirschhalde ein neues Bohrloch hergestellt. Bergbaurechtlich war es dabei notwendig, dass eine Quelle in unmittelbarer Nähe vorhanden sein muss. Diese wurde ebenfalls angebohrt. So fördert man heute aus einer wasserführenden Schicht in rund 50 Metern Tiefe das Süßwasser über einen zweites Bohrloch mit sieben bis acht Bar in den Salzstock. Dieser beginnt bei etwa 280 Metern Tiefe und reicht bis 315 Meter an dieser Stelle, das zeigten die geologischen Untersuchungen. Dort löst das Wasser das Salz und wird mit einem Bar nach oben befördert und in das Reservoir geleitet, das rund 150 Meter entfernt steht.

Bei der Förderung hat die Sole etwa zehn Grad Celsius und einen Salzgehalt von 27 Prozent, in den Becken im Solemar zwischen drei und sieben Prozent, die Wassertemperatur beträgt 27 bis 28 Grad Celsius. Gefördert wird pro Stunde im Schnitt ein Kubikmeter Sole, die Erlaubnis liegt bei 5000 Kubikmeter Jahresförderung, Anfang Oktober zeigte der Zähler knapp 4200 Kubikmeter an, die man 2020 bereits förderte. Das Reservoir besteht aus zwei unterirdischen Betonbecken, mit einer speziellen Innenschicht, jedes kann mit 100 Kubikmetern Sole aufgefüllt werden.

Aus Sicherheitsgründen wird die Sole zunächst aus diesen unterirdischen Reservoir in einen Behälter gepumpt, der drei Kubikmeter fasst. Sollte also doch einmal ein Regler auf dem Weg Bergab versagen, so würden nicht 200 Kubikmeter, sondern nur drei in die Stadt hinunter fließen. Denn: Von diesem höchsten Punkt an der Hirschhalde aus geht die Sole zu den Verbrauchern. 80 Höhenmeter sind es bis in die Kernstadt hinunter.

Der größte Abnehmer ist das Solemar, es gibt noch mehrere Kliniken, wie beispielsweise Limberger, Waldeck und Espan, die über eine Leitung direkt versorgt werden. Mit acht Bar fließt die Sole zu Tal, der Druck wird in der Nähe des Schützenhauses auf etwa 1,5 Bar reduziert, sonst würden es die Leitungen nicht aushalten, erzählt Jürgen Werner, der zusammen mit René Keller einer der verantwortlichen Personen für das Funktionieren der Technik ist.

Nochmals ein Blick in die Geschichte: Die Salinenverwaltung musste früher Buch führen, welche Kurheime wie viel Sole bekamen. In den Akten des Landesarchivs sind folgende Zahlen vermerkt: Im Jahr 1911 wurden 48 150 359 Liter (48 150 Kubikmeter) Sole gefördert. Davon wurden 46 190 388 (46 200 Kubikmeter) für die Salzgewinnung verbraucht. 2440 Kubikmeter gingen in den Badebetrieb. Abnehmer waren damals das Kindersolbad, das Landessolbad, das Salinenhotel oder auch das Gasthaus Rössle und auch der eigene Badebetrieb in den Badehäusern.

Wie genau die Aufzeichnungen sind, ist nicht überliefert, aber es gab durchaus Unstimmigkeiten und große Schwankungen von Jahr zu Jahr, die es aufzuklären galt. Das Reservoir wurde 2014 gebaut. Es war eine ziemlich große Baustelle, erinnern sich die beiden und da 200 Kubikmeter ein großes oberirdisches Bauwerk wären, wurde alles im Boden vergraben. Von den beiden Becken sieht man außer einer Erhebung im Feld nichts. Notwendig wurden die beiden Investitionen, die zusammen rund zwei Millionen Euro kosteten, um die Versorgung zu sichern, vor allem aber, "um die Förderung zu modernisieren", erzählt René Keller.

Würde die Technik ausfallen, würde der Vorrat zwei bis drei Wochen ausreichen, zur Not könnte man auch die Bohrtürme IX und X wieder in Betrieb nehmen.

Überwachung findet jeden Tag rund um die Uhr statt

Beide Anlagen, Pumpstation und Reservoir sind mit hochmoderner Technik ausgestattet. Früher waren es sozusagen Naturbohrlöcher. Hier gab es öfters beim Bohren "Nachfall" von Material, das aus dem Randbereich in das Loch fiel und rausgeholt werden musste.

Heute sind die Vorgaben strenger. Das Bohrloch muss am Ende aus einem Rohr bestehen, das durch eine Betonverfüllung drumherum den notwendigen Halt bekommt. Es fällt also kein weiteres Material in das Loch, auch im laufenden Betrieb nicht. Überwacht wird sowohl die Pump- als auch die Reservoirstation von modernster Technik, die sich jeweils in einem Schaltschrank verbirgt.

Ist genügend Sole im Reservoir – überwacht wird dies mit Hilfe einer Ultraschallanlage – stellt es die Förderung ab. Wird wieder Sole benötigt, lässt die Software die Pumpen zur Förderung wieder anspringen. Es gibt voreingestellte Parameter, in denen sich die Anlage bewegt, vor allem, was die Füllmenge im Reservoir betrifft.

Weder Werner noch Keller können an dieser Voreinstellung etwas ändern, nur innerhalb der Voreinstellungen können sie an der Anlage Angaben ändern. Jede Woche fährt einer der beiden, meist Jürgen Werner, auf die Hirschhalde und schaut nach dem Rechten. Doch auch in der Zwischenzeit ist alles sieben Tage, 24 Stunden, überwacht. Sollte es eine Störung geben, gibt es eine automatische Meldung und sollte jemand versuchen, einzubrechen, gibt es ein Alarmsystem.