Über das Kriegsende in Dürrheim

20. April – zu diesem Datum fällt der Blick auch in Bad Dürrheim auf den Tag genau 75 Jahre zurück, auf den 20. April 1945: Es war die Ruhe vor dem Sturm. Stellvertretend für den Geschichts- und Heimatverein Bad Dürrheim nimmt Jürgen Kauth nachfolgend das "Kriegsende in Dürrheim" in den Fokus.

 

Bad Dürrheim. In der Zeit des Nationalsozialismus war der Führergeburtstag ein "besonders begangener Tag", an dem jährlich am 20. April, dem Geburtstag des "Führers und Reichskanzlers" Adolf Hitler, Beflaggung angeordnet war. Traditionell wurden auch am Vorabend die "Pimpfe" feierlich in die Hitlerjugend aufgenommen. Die Feierstunde mit Gelöbnis und anschließendem Marsch durch die Straßen Dürrheims fiel aber 1945 aus, weil die anrückenden französischen Panzerspitzen schon bei Schwenningen standen und jede Stunde in Bad Dürrheim ankommen konnten.

Im Mobilmachungsplan wegen der großen Sanatorien eingeplant

Trotzdem war das Kurhaus feierlich geschmückt mit NS-Fahnen und Blumen. Bad Dürrheim war bisher vom eigentlichen Kriegsgeschehen weitgehend verschont geblieben, da es Lazarettort war, deren Krankenhäuser dem Großlazarett in Donaueschingen unterstanden. Schon im Mobilmachungsplan war der Ort wegen der großen Sanatorien dafür eingeplant. Zum täglichen Straßenbild gehörten verwundete und genesende Soldaten. Tagsüber fegten schon mal die alliierten Jagdbomber über den Ort, und in den letzten Kriegsmonaten hörte man fast täglich die anglo-amerikanischen Bombengeschwader, die ihre tödliche Fracht dann über Stuttgart, München oder Friedrichshafen abluden.

800 Verwundete und kranke Soldaten lagen in den Lazaretten. Die Zahl des Pflegepersonals betrug etwa 250. Verantwortlicher Leiter aller Lazarette war Robert Schwank, Chefarzt im Hauptlazarett Kurheim-Sanatorium. Das Lazarett Eisenbahnerheim (siehe Bild oben) und das Landessolbad leitete Georg Huber, das Luisenheim Fritz Leichtweiß. Das Rössle führte Gustaf Naumer und im "Kreuz" waren verschiedene Chefärzte tätig. Selbst eine Malaria-Station für Soldaten aus dem Adrikafeldzug gab es hier.

Die Verwundeten trafen nachts mit der verdunkelten Bahn am Dürrheimer Bahnhof ein und wurden auf die Lazarette verteilt. Als die Hauptkämpfe in Russland waren, kamen manchmal 600 Verwundete an. Die Züge waren für so einen kleinen Bahnanschluss unübersehbar lang. Etwa alle sechs bis acht Wochen wechselte so die "Belegschaft".

Auf den Dächern der Lazarette waren Rot-Kreuz-Kennzeichnungen aufgemalt, um Bombardierungen zu vermeiden. Natürlich brachte der Krieg für diejenigen Einheimischen, die von den Kurgästen gelebt hatten, eine große Einschränkung. Die Leute waren arm und konnten sich oft nur mit einer kleinen Landwirtschaft über Wasser halten. Lichtblicke gab es, wenn Gäste im Ort waren, die ihre verwundeten Söhne und Väter in den Lazaretten besuchten.

Die kritische "Ernährungslage", die auch die Lazarette betraf, wurde am 20. April etwas gemildert, als man ein geheimgehaltenes Lebensmittellager unter dem Kursaal des Kurhauses fand, aus dem sich die Lazarette bedienen durften. So kamen kistenweise Käse, Wurst und Fett in die Häuser als eiserne Reserve für die nächsten Wochen. An diesem Tag versammelte Schwank das gesamte Lazarettpersonal und stellte ihnen frei, in ihren Heimatort zurück zu gehen. Nur wenige nahmen dies in Anspruch.

Eilig aber schickte man die gehfähigen Lazarettinsassen, die aus der Gegend kamen, nach Hause. An diesem Tag vor der Übergabe an die Franzosen, schickte der Kommandeur des Dürrheimer Volkssturms seine 40 älteren Männer nicht in den Panzergraben Richtung Schwenningen, sondern wieder heim. Die im Rathaus deponierten Gewehre ließ er hinter dem Haus vergraben und die Volkssturmakten, die Parteiakten und Karteien des Einwohnermeldeamtes verbrennen. Manch Einheimischer ließ auch alles was an "Hitlerdeutschland" erinnerte verschwinden.

Wertsachen wurden im Garten vergraben

Wertsachen wurden im Garten vergraben oder im Haus versteckt. In der Scheffelstraße war dies etwas ungünstig gelaufen, da beim Aufstellen eines französischen Artilleriegeschützes am nächsten Tag beim Eingraben etwas Silberbesteck gefunden wurde. Dies sorgte dafür, dass einige Gärten kostenlos "umgegraben" wurden. Wer als Einheimischer schnell genug war, konnte sich noch in Donaueschingen in den nächsten Stunden reichlich mit Lebensmitteln "eindecken". Dort hatte nämlich das Heeresverpflegungsamt sein riesiges Lager freigegeben, um dem Feind nichts übrig zu lassen.

Zentnerweise Fleisch, wo es sonst nur 250 Gramm pro Woche gab

Etliche Dürrheimer sind mit dem Fuhrwerk dort eingetroffen und ergatterten aus dem heillosen Durcheinander zentnerweise Mehl, Reis, Zucker und Fleischkonserven. Käse-Räder, die nur zwei Mann tragen konnten, waren auch dabei. Ein "Schatz", wenn man bedenkt, dass in jenen Tagen der Normalversorgungsberechtigte gerade einmal pro Kopf und Woche 1,5 Kilogramm Brot, 250 Gramm Fleisch und wenige Gramm Zucker bekam.

Die Dürrheimer Lebensmittelgeschäfte öffneten auch ihre Lager und gaben Waren häufig ohne Marken und Bezahlung an die Einheimischen aus.

Weitere Informationen: Das "Eisenbahnerheim", siehe Bild oben, heute Schloß-Klinik Sonnenbühl, im Jahre 1945 mit Lazarett-Kennzeichnung auf dem Dach. Dies sollte vor Fliegerangriffen schützen.