Im Off-Road-Kids-Kinderheim im Bad Dürrheimer Schabelweg wird es künftig mehr ambulante Beratungsangebote für die Baaremer Bevölkerung geben. Foto: Off-Road-Kids-Stiftung Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Bundesweiter Trend wird auch vom Off-Road-Kids-Kinderheim aufgegriffen / Erweiterungsbau wegen Corona verschoben

Die Off-Road-Kids-Stiftung wird in den kommenden Monaten das Angebot in ihrem Kinderheim im Schabelweg verändern. Von dort aus werden künftig noch mehr ambulante Hilfen für junge Menschen und Familien auf der Baar angeboten. Dazu zählt schon heute die systemische Therapiepraxis "Family-Neustart".

Bad Dürrheim. Die Heimbetreuung wird noch bis spätestens zum Schuljahresende fortgesetzt. Wegen der Spendenausfälle infolge der Corona-Krise sei der ursprünglich geplante Ausbau des Kinderheims derzeit nicht realisierbar. Die Geschäftsführung der bundesweit tätigen Off-Road-Kids-Stiftung bleibt in Bad Dürrheim. Ein großer Lichtblick für die Stiftung seien die vielen Familien und jungen Menschen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, die das vor drei Jahren gegründete systemische Beratungs- und Therapieangebot "Family-Neustart" nutzen.

Die Initiative dazu hat die Diplomsozialpädagogin und Systemische Therapeutin Simone Neininger ergriffen und gemeinsam mit der Off-Road-Kids-Stiftung etabliert. Die Donaueschingerin hat als frühere Leiterin des Kinderheims den steigenden Bedarf erkannt und gehandelt. Heute wird das Beratungsangebot sowohl von Jugendämtern belegt als auch privat von Familien gebucht.

Jährlich mehr als 1000 Jugendliche vor Obdachlosigkeit bewahrt

"Gäbe es keine vernünftigen Alternativen für unseren Bad Dürrheimer Standort, wäre uns die Entscheidung zur Transformation sicher noch schwerer gefallen", betont Off-Road-Kids-Gründer Markus Seidel. Die gegenwärtige Situation erfordere neues Denken. Das bestätigt auch Off-Road-Kids-Prokuristin Susanne Nann: "Im Sommer haben unsere Jugendlichen tolle Schulabschlüsse erreicht – darunter wieder drei Abiture. Die meisten sind volljährig und anschließend in eigene Wohnungen gezogen. Aktuell betreuen unsere acht Bad Dürrheimer Mitarbeiter nur zwei Jugendliche im Kinderheim." Für diese werde es sicher gelingen, gemeinsam mit Eltern und Jugendämtern eine Anschlussperspektive zu finden.

Die Off-Road-Kids-Stiftung erlebt in diesem Jahr einen durchschlagenden Erfolg mit ihrer digitalen Streetwork-Station "sofahopper.de". Dieses bundesweite Beratungsangebot für Straßenkinder und junge Obdachlose ist ein Alleinstellungsmerkmal von Off Road Kids. Die Erfolgskurve zeigt steil nach oben. Die Stiftung geht davon aus, dass ihre Streetworker in diesem Jahr mehr als 1000 junge Menschen vor der Obdachlosigkeit bewahren werden – mehr als jemals zuvor. Entsprechend werde der Fokus auf den Ausbau der Streetwork-Standorte und von "sofahopper.de" gelegt.

Zum Streetwork-Konzept der Off-Road-Kids-Stiftung hat auch das Kinderheim in Bad Dürrheim einen großen Beitrag geleistet. Bis vor einigen Jahren war das Kinderheim immer wieder ein Rettungsanker für Straßenkinder, für die sich keine aussichtsreiche Betreuungsalternative fand.

Seither allerdings gelingt es den Streetworkern durchgehend, heimatnahe Betreuungsformen für diese Minderjährigen zu finden. Einerseits sei die Bereitschaft von Kinder- und Jugendwohngruppen, Jugendliche aus dem Straßenmilieu aufzunehmen, gewachsen, andererseits haben die Streetworker Erfolg dabei, so frühzeitig zu helfen, dass aus Ausreißern erst gar keine Straßenkinder werden. Das vereinfache die Reintegration.

Im Kinderheim der Off Road Kids in Bad Dürrheim wurde in den vergangenen 24 Jahren ein Betreuungssystem entwickelt, mit dem nahezu alle betreuten Jugendlichen einen Realschulabschluss erreicht haben und die Hälfte sogar das Abitur gemacht hat. So auch in diesem Sommer: Nochmals waren drei Abiture unter den Schulabschlüssen.

"Wir müssen aber anerkennen, dass es aus unseren Streetwork-Stationen künftig keinen nennenswerten Bedarf mehr für unsere Heimplätze im Schwarzwald geben wird. Auch die direkte Belegung durch Jugendämter wird seltener, da die Jugendhilfepolitik bundesweit mehr und mehr auf ambulante Hilfen ausgerichtet ist", erklärt Susanne Nann, die als Prokuristin auch für die Ausgaben der Stiftung zuständig ist: "Für unser betreuungs- und damit kostenintensives Modell wird es künftig nur noch einen kleinen Bedarf geben. Wir müssten den Betrieb selbst bei höheren Pflegesätzen stark subventionieren, um unser Bildungsziel zu erreichen."

Spenden unbedingt für die bundesweite Arbeit benötigt

Völlig anders sehe die Situation bei ambulanten Hilfen aus. "Hier ist der Bedarf im Landkreis sehr groß und wir können unsere Angebote prima ausbauen. Anders als beim aktuellen Kinderheimbetrieb werden wir bei den ambulanten Hilfeangeboten jedoch darauf achten, dass sie sich wirtschaftlich tragen. Wir brauchen unsere Spenden unbedingt für die bundesweite Arbeit", sagt Susanne Nann weiter. Die ambulanten Angebote werden künftig unter dem Dach des stiftungseigenen, gemeinnützigen Instituts für Pädagogikmanagement (IfPM) betrieben. Das sei auch für die betreuten jungen Menschen und Familien von großem Vorteil, da so die Angebote für Familien völlig von der Straßensozialarbeit getrennt werden.

Dass es gegenwärtig nicht zum Erweiterungsbau des Kinderheims kommen kann, bedauert Markus Seidel: "Ich bin froh über meinen damaligen Hinweis in der Gemeinderatssitzung, dass eine erneute Wirtschaftskrise wie 2008 das Vorhaben zurückwerfen kann. Mit einer Corona-Pandemie haben wir alle nicht gerechnet." Jetzt müsse abgewartet werden, wann und wie sich die Wirtschaftslage erhole.