Am 6. September 1992 kam es auf dem Autobahnzubringer bei Bad Dürrheim zu einem der schwersten Busunglücke der Nachkriegsgeschichte in Deutschland. Fotos: Landratsamt Schwarzwald-Baar Foto: Landratsamt Schwarzwald-Baar

Otto Moser erzählt von seinem schwersten Einsatz: "Da darfst du nichts denken".

Bad Dürrheim - An einen zweiten Einsatz wie der beim Unglück am 6. September 1992 kann sich der Bad Dürrheimer Otto Moser nicht erinnern. Er war damals Feuerwehrkommandant.

Er erinnert sich noch gut an diesen sonnigen Sonntag. Eine Woche vorher wurde das 125-jährige Bestehen der Abteilung Bad Dürrheim gefeiert, und an dem Morgen traf man sich bei Hermann Bury, um die Abrechnung des Fests vorzunehmen. Geplant war eigentlich, dass die Männer danach mit ihren Frauen gemeinsam zum Essen gehen wollten. Man war gerade im Aufbruch, als der Alarm ertönte. Damals hatte man noch nicht die digitalen Alarmierungsgeräte, es ging über Funk, und die große Sirene auf dem alten Rathaus in der Schulstraße wurde ebenfalls ausgelöst. Somit war der Alarm in der ganzen Kernstadt zu hören.

Die Männer ließen sozusagen ihre Frauen stehen, begaben sich ins Feuerwehrgerätehaus – damals noch im Erdgeschoss in der Grundschule – warfen sich in ihre Einsatzkleidung und los ging es. Ein Teil der Einsatzwagen war bereits losgefahren, sie fuhren mit den Privat-Pkw an die Unglücksstelle.

Die Aufgabe der Feuerwehrmänner war es, die Verletzten und Toten aus dem Buswrack zu bergen. Sitzreihe für Sitzreihe mussten sie sich vorarbeiten, Bad Dürrheim von der Front aus, Donaueschingen und Schwenningen vom Heck aus. Einzelne Bilder haben sich in seiner Erinnerung eingebrannt, auch solche, über die er nicht reden will. Für ihn sind es aber auch die vielen Leichenwagen, die an diesem Morgen an der Unglücksstelle waren und die vielen Hubschrauber. Doch in solch einem Unglücksfall sagt Otto Moser: "Da darfst Du nichts denken, sonst wirst Du verrückt." Wichtig war für ihn und seine Kameraden, dass man in den Tagen nach dem Unglück viel darüber redete. So haben es alle gut verkraftet. Von den Bad Dürrheimer Feuerwehrlern habe keiner danach aufgehört.

Seiner Erinnerung nach ging die Bergung der Opfer relativ schnell. Es sei eine gute Zusammenarbeit zwischen den Feuerwehren gewesen, die vor Ort waren. Am Nachmittag gab es eine Pressekonferenz, bei der auch er sprechen musste und anschließend Zusammenkünfte im Landratsamt.

Die Bad Dürrheimer Feuerwehr war bei dem Unglück mit der stärksten Mannschaft vertreten, das geht aus der Dissertation des damals Leitenden Notarztes Rainer Gojowczyk hervor. Sie bestand aus 40 Personen, diese waren mit einem Einsatzleitwagen, einem Rüstwagen, einem Tanklöschfahrzeug und einer Drehleiter angerückt. Hinzu kam die Donaueschinger Feuerwehr mit 27 Personen und die Kameraden aus Schwenningen mit 26 Personen.

Otto Moser ergänzt dies mit den Angaben, dass die Villinger Kollegen in Reserve bereit standen. Was er damals beachtlich fand, ist, dass sich die Polizeifachschule unter der Leitung von Knud Eike Buchmann sehr schnell daran machte, sich um die psychologische Aufarbeitung zu kümmern. Arnold Schuhmacher, Leiter des Ordnungsamtes des Schwarzwald-Baar-Kreises, verweist in diesem Zusammenhang auch auf seinen Vorgänger im Amt, Manfred Pfeffinger, der mit Buchmann zusammenarbeitete. Er setzte sich für die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) ein. Diese wurde nach dem Busunglück verstärkt vorangetrieben und in zwei Bereiche unterteilt, ein Mal für die Opfer und Angehörigen, ein Mal für die Rettungskräfte.

Seite 2: Verletzte mit Helikopter bis nach Ulm gebracht

Bad Dürrheim - "Ein Eindruck, den man nie vergisst ist die Reihe der Toten, die zugedeckt am Straßenrand lagen." Rainer Gojowczyk war am 6. September 1992 der Leitende Notarzt am Unfallort des schweren Busunglücks, heute ist er in Rente. Damals war man gerade am Anfang, das System "Leitender Notarzt" aufzubauen. Das Unglück machte er fünf Jahre später zum Thema seiner Dissertation mit dem Titel: "Zum Stellenwert des Leitenden Notarztes im organisierten Rettungsdienst – Analyse des Busunglücks von Donaueschingen".

Er erinnert sich im Gespräch an den Sonntag vor 25 Jahren. Sein Chef, Christian Gülke, damals Leiter der Anästhesie-Abteilung des Klinkums Villingen-Schwenningen, war gerade auf dem Weg an den Bodensee. Und fuhr fast zum Zeitpunkt des Unglücks an der Unfallstelle vorbei, so konnten die Ersthelfer schnell koordiniert werden, ebenso war ein Rettungssanitäter zufällig vor Ort. Über die Notrufsäulen – Mobiltelefone waren damals noch nicht verbreitet – wurden die Hilferufe abgesetzt, insgesamt gingen vier davon in der Leitstelle ein. Es sei relativ schnell klar gewesen, dass es sich um ein großes Unglück handelte. Es wurde "Alarm für alle Fahrzeuge" ausgegeben.

In seiner Dissertation beschreibt er: "Aufgrund der kurzen Entfernungen von vier bis zwölf Kilometer zu den nächstgelegenen Rettungswachen Bad Dürrheim, Schwenningen, Donaueschingen und Villingen trafen die ersten RTW und arztbesetzten Rettungsmittel innerhalb von fünf bis zehn Minuten an der Unfallstelle ein." Die Anrufer hätten mindestens zehn Schwerstverletzte durchgegeben, es wurde Katastrophenalarm ausgelöst und die umliegenden Krankenhäuser alarmiert. Der Transport der ersten Verletzten begann um 12.30 Uhr, gegen 13.10 war kein Verletzter mehr zu versorgen. Im Einsatz waren neben den Krankenwagen auch mehrere Rettungshubschrauber. Die Verletzten wurden auf Kliniken in folgenden Städten verteilt: Donaueschingen, Villingen, Schwenningen, Rottweil, Tuttlingen, Spaichingen, Furtwangen, Ravensburg, Tübingen, Freiburg und Ulm. In seiner wissenschaftlichen Beleuchtung des Unfalls führt er auch die Opfer auf: Es gab 20 Tote, zwölf Schwerverletzte und 22 Leichtverletzte.

Rainer Gojowczyk gibt auch eine Aufschlüsselung der Einsatzes von Feuerwehr und Polizei: Aus Bad Dürrheim waren 40 Mann im Einsatz, Donaueschingen war mit 27 und Schwenningen mit 26 Kräften vertreten. Aus den Polizeirevieren waren insgesamt 74 Beamte vor Ort.

In den Jahren darauf wurde auch aufgrund dieses Unfalls der Aufbau des Systems "Leitender Notarzt" forciert. Der Schwarzwald-Baar-Kreis wurde eine der führenden Regionen. Gojowczyk war in diesen Jahren viel unterwegs, um Vorträge darüber zu halten, das habe er aber nach einigen Jahren nicht mehr getan, da die Erinnerung an das Unglück doch immer wieder kam.

Es war ein Unglück außer der Reihe und in seinen 30 Jahren als Notarzt war er bei einigen großen Unglücken in der Region dabei. Im Moment des Einsatzes müsse er als Arzt fokussiert arbeiten, beschreibt er, und solche Ereignisse dürfe einen auf Dauer nicht belasten. Wenn man an einem Einzelfall hänge bleibe, können man nicht weitermachen. Er wisse aber von einigen Sanitätern und Feuerwehrmitgliedern, die danach aufhörten. Was ihn jedoch auch heute noch erschreckt, war der Katastrophentourismus, den er damals erleben musste.