Die Aufnahme zeigt einen Autoscooter auf dem Wasen im Jahr 1959. Betreiber Volker Weber hat seine Fotoalben geöffnet und in seinen Erinnerungen gestöbert. Der Präsident des Landesverband Schausteller undMarktkaufleute Baden-Württemberg ist seit 50 Jahren mit seinen Fahrgeschäften auf den Rummelplätzen der Republik erfolgreich. Die Galerie zeigt Bilder aus Webers rastlosem Leben. Foto: Volker Weber

Volker Webers Leben, ein einziger Rummelplatz - seit 50 Jahren tourt er mit Autoscootern.

Stuttgart - Nicht einmal 21 Jahre alt ist Volker Weber gewesen, als er in die Fußstapfen seines Vaters Karl Weber getreten ist. Dieser hat sich nach dem Krieg, mitten in der Währungsreform 1948, als Schausteller ein kleines Unternehmen aufgebaut. Zunächst mit einer Würstchen- und einer Schießbude. Später „bastelt“ er sich eine Schiffschaukel zusammen, erinnert sich sein Sohn. „Bei zwei jüngeren Schwestern, was sollte ich denn da anderes machen, als meine Mutter zu unterstützen, nach dem Tod meines Vaters“, sagt Volker Weber mit einem Schulterzucken. Für den heute 68-Jährigen ist es selbstverständlich, nach der Mittleren Reife vom Mörike-Gymnasium in Ludwigsburg abzugehen und seine Familie zu unterstützen. Gleichaltrige, wie der spätere Bundespräsident Horst Köhler, der seine Parallelklasse besucht, drücken weiterhin die Schulbank.

Volker Weber steigt dagegen mit 18 Jahren komplett in den Betrieb seiner Eltern ein. Als sein Vater zwei Jahre später stirbt, übernimmt er das Familienunternehmen. „Es war anfangs hart, die Konkurrenz war groß, aber ich habe mich durchgebissen.“ Während die Klassenkameraden aufs Abi büffeln und etwas über Deutschland oft nur aus den Geografiebüchern lernen, kennt Weber die Straßen und Städte der Republik bald wie seine Westentasche. Schausteller zu werden, ist als junger Bursche nicht unbedingt sein Wunschberuf, sagt Weber. „Aber auch nicht Lokführer.“

Reiseführer wäre sein Traum gewesen.

Reiseführer wäre eine zeitlang eher sein Ding gewesen. Ein wenig hat sich dieser Traum für Weber erfüllt. Rumgekommen ist er schließlich. „Bis nach Kreuznach oder Kaiserslautern. Als es noch die amerikanischen Volksfeste gab.“ Schöne Erinnerungen hat er an diese Zeit. „Der Druck war nicht so hoch wie heute. Wir sind hingefahren, das Geschäft lief. Es war fast wie Urlaub.“ Vor allem in kleineren Städtchen wie Ravensburg hat sich Weber wohlgefühlt. „Wunderschön da und ein sensationelles Glücksgefühl, wenn wir für eine neue Veranstaltung die Zulassung bekommen haben.“

1924 schwappt eine neue Vergnügungswelle aus Amerika nach Deutschland. Die Autoscooter erobern die Rummelplätze. Ende der 1930er-Jahre sind die Fahrzeuge mit den Gummistoßstangen erstmals auf dem Wasen angekommen. „Mein Vater hat 1961 seinen ersten Autoscooter gekauft“, erinnert sich Volker Weber. Er baut später das Geschäft aus. Volker Weber hat Anfang der 1970er-Jahre nur italienische Fahrzeuge – den Ferrari unter den Autoscootern. Der Laden läuft. Jugendliche scharen sich am Rand des Fahrgeschäfts, um kostenfrei Musik zu hören, zu schwofen und anzubandeln. „Es gab Zeiten, da hat sich die Stuttgarter Polizei bei den Autoscootern aufgestellt“, erzählt Volker Weber. „Weil es unter den deutschen Jugendlichen und den Gastarbeitern brodelte.“

Weber dreht kleinere Runden mit seiner Zugmaschine

Mittlerweile dreht Volker Weber kleinere Runden mit dem Finger auf der Landkarte und mit seiner Zugmaschine. „Diesel tanken ist teuer“, grummelt er. Dass er sesshafter geworden ist, stimme allerdings auch. Seit 20 Jahren hat er eine feste Bleibe im Stuttgarter Westen. Seine Eltern besitzen bereits 1942, kurz nachdem sie geheiratet haben, eine Wohnung in Stuttgart. Damals eine Ausnahme unter den Schaustellern, die als Exoten gelten. Als „Karussellschubser“, ist Volker Weber von den Klassenkameraden manches Mal verspottet worden.

Die Wohnung ist ein Rückzugsort. Zumindest für die wenigen Monate, in denen die Zugvögel heimkehren. Denn von Fasnacht an bis zu den Kirben im November sind Volker Webers Eltern auf den Straßen und in ihrem Wohnwagen daheim. Meist kommt die Familie nur am Wochenende zusammen. Volker Weber lebt bei einer Familie in Ludwigsburg, die aus Ost-Preußen stammt. Eines seiner „Teilzeit“-Geschwister wird OP-Schwester beim Herzspezialisten Christiaan Barnard in Südafrika. „Ich habe durch meine Pflegefamilie einen Blick über den schwäbischen Tellerrand hinauswerfen können“, sagt Weber.

In seinen Adern fließt das Blut eines Schwarzwaldburschen

Doch in den Adern des gebürtigen Stuttgarters fließt auch das Blut eines Schwarzwaldburschen, wie sein Vater einer war. Aufmüpfig, einer, der sich nichts gefallen lässt. Bei den Verwandten, von denen viele einen Handwerksberuf ausüben, macht er zahlreiche Praktika, bildet sich zudem in Buchhaltung fort. Lebenslanges lernen. Für Volker Weber selbstverständlich lang bevor es in heutigen Zeiten zum Schlagwort wurde. „Ich hatte das Glück, nie verschiedene Schulen besuchen und ständig neue Freunde finden zu müssen.“

Mittlerweile würden sich der Staat und auch der Landesverband Schausteller und Marktkaufleute Baden-Württemberg dafür einsetzen, dass es Sonderkonditionen an Internaten für Kinder von Schaustellern gibt. Weber ist Vorstand des Verbandes. Seit nunmehr 21 Jahren leitet er dessen Geschicke ehrenamtlich, vertritt die Interessen der Schausteller auch gegenüber Wirtschaft und Politik. „Mal schauen, ob wir auch bei der neuen Landesregierung einen guten Stand haben“, sagt Weber.

Zukunft des Wasens an Bau von Stuttgart 21 geknüpft

Die Zukunft des Wasens als Veranstaltungsort hänge auch mit den Bauplänen zu Stuttgart 21 zusammen. „Neue Mieter oder Eigentümer von Wohnungen, die im Zuge des Bahnprojekts entstehen sollen, werden es sicher nicht spaßig finden, wenn sie mehrere Wochen einen Rummel oder Konzerte vor der Haustür haben“, meint Weber. Ansonsten ist ihm um die Volksfeste in der Landeshauptstadt nicht bange.

Auch wenn die Bierzelte immer größer werden würden, setzt er als Verbandschef bundesweit eher auf das Familienpublikum. Eltern mit Kindern, für die es nicht immer höher, schneller, weiter sein muss, sondern die sich gerne gemeinsam auch in eines seiner Boxautos setzen.