Nach einem Gutachten genügen Türen und Fenster im Neubau in Bad Cannstatt nicht den Vorgaben. Die Haftungsfrage ist noch offen Foto: Symbolbild/dpa

Ein aggressiver Patient und ein Schuss aus einer Polizeiwaffe haben die Frage aufgeworfen, ob im Neubau der Psychiatrie am Krankenhaus Bad Cannstatt die baulichen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten wurden. Jetzt liegt ein Gutachten vor, das aber im Rathaus noch geprüft werden muss.

Stuttgart - Für eine juristische Bewertung des seit vergangenem Donnerstag vorliegenden Gutachtens ist es nach Angaben von Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle noch zu früh. So bleibt vorerst auch noch offen, wer für die offenkundigen Baumängel bei sicherheitsrelevanten Teilen des neuen Zentrums für Seelische Gesundheit (ZSG) die Verantwortung und die Kosten der Nachbesserung trägt.

Ausgelöst wurde die jetzt geführte Diskussion durch einen Vorfall am 17. Dezember des Vorjahres. Damals war in der Klinik ein tobender Patient von einem Polizisten in Notwehr mit einer Pistole angeschossen und am Ellbogen verletzt worden. Zuvor hatte der 22-jährige psychisch Kranke das Glas einer Zwischentür eingeschlagen und war mit einer großen Scherbe auf Pfleger losgegangen.

Inzwischen sind weitere Vorfälle aus der Klinik bekanntgeworden, die Zweifel an der baulichen Sicherheit nähren. Professor Martin Bürgy, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Seelische Gesundheit, berichtete am Freitag im Krankenhausausschuss von vier Fluchtversuchen von Patienten, bei denen angeblich sichere Fenster überwunden wurden. In einem Fall hatte sich der Flüchtende mit zusammengeknoteten Tüchern abgeseilt, in einem anderen Fall verletzte sich ein Patient beim Absturz schwer an der Wirbelsäule, ein anderer machte sich über das Dach davon.

Verbaute Technik kann zu Schwierigkeiten führen

Ursprünglich sollte der Neubau am Krankenhaus Bad Cannstatt nur interimistisch vom Zentrum für Seelische Gesundheit genutzt werden. Erst 2010, also ein Jahr nach Baubeginn, wurde beschlossen, die Psychiatrie dauerhaft in diesem Neubau unterzubringen. Dies sei allerdings nicht der Grund, dass sicherheitsrelevante Baumaßnahmen offenbar unterblieben sind, sagte Harald Schäfer von der Bauleitung des städtischen Klinikums vor dem Krankenhausausschuss. Neben der Vorgabe einer „maximalen Offenheit und Transparenz“ für die Patienten „war klar, dass weitere Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden“.

So sollte sichergestellt sein, dass Fenster nur gekippt und ohne Veranlassung durch das Personal nicht geöffnet werden könnten. „Inzwischen liegen erste Erkenntnisse vor, dass die verbaute Technik zu Schwierigkeiten führen kann“, sagte Schäfer. Auch bei den Türen habe es trotz sicherheitstechnischer Vorgaben bei den gelieferten Bauteilen Abweichungen gegeben. So habe die Folie zwischen den Scheiben des Sicherheitsglases nicht die gewünschte und in der Ausschreibung geforderte Reißfestigkeit und Zähigkeit aufgewiesen.

„Enge sorgt für aggressives Verhalten“

Bei der Untersuchung durch die Gutachter ergab sich das Problem, dass von der durch den tobenden Patienten eingeschlagenen Tür keine Scherben mehr zur Verfügung standen, muss Schäfer einräumen. „Der Test erfolgte an einer typengleichen Tür. “

Auf Grundlage des jetzt erstellten Gutachtens muss laut Bürgermeister Wölfle geprüft werden, ob trotz einer korrekten Bestellung durch den eingeschalteten Generalunternehmer für den Neubau ungeeignete Türen geliefert wurden. Im Fall der Fenster geht es um die Frage, ob sie tatsächlich den Anforderungen einer Psychiatrie genügt hätten.

Jürgen Lux, der Vorsitzende der Personalvertretung im städtischen Klinikum, sagte im Krankenhausausschuss, dass die Mitarbeiter im ZSG nach den Vorfällen verunsichert seien. Die Klinikleitung müsse für Abhilfe sorgen. Die Abteilungen im Zentrum für Seelische Gesundheit seien übervoll. „Enge sorgt für aggressives Verhalten“, warnt Lux.