Roswitha Weber (Mitte mit Urkunde) wurde bei der Verleihung von Familie, Freunden und Organisatoren von "Widen the Circle" begleitet. Foto: Widen the Circle

Besondere Auszeichnung für Roswitha Weber: Ihre Erinnerungsarbeit rund um die Kippenheimer Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher wurde mit dem Obermayer-Award ausgezeichnet. Dadurch erhofft sich Weber mehr Reichweite für das Thema.

Kenzingen - Dass sie als Preisträgerin ausgewählt worden war, sei für sie eine Riesenfreude gewesen, erklärt Roswitha Weber im Gespräch mit unserer Zeitung. Allerdings, so betont sie auch, sei diese Auszeichnung nicht "einfach vom Himmel gefallen". Vielmehr wurde mit dem Obermayer-Award eine 30 Jahre dauernde Leistung Webers ausgezeichnet: ihre Erinnerungsarbeit rund um den Holocaust.

Das Besondere an Webers Ansatz ist die Zielgruppe: Als Lehrerin an der "Grundschule an der Kleinen Elz Kenzingen" nahm sie die Sechs- bis Elfjährigen in den Blick. "Für Toleranz- und Friedenserziehung ist es nie zu früh. Mein Part war es, den Kindern, ihre Empathie bewusst zu machen. Ihnen deutlich zu machen, dass schon sie etwas verändern und bewegen können." So könnten etwa schon die Kinder Streitigkeiten untereinander schlichten. "Für mich ist Erinnerungskultur etwas geworden, dass ich wie Atmen dauernd mache. Dass ich etwa eingreife, wenn jemand ausgegrenzt wird", erläutert Weber. Bei der Erinnerungskultur gehe es nicht nur darum, an die Vergangenheit zu erinnern. Sondern auch darum, fremde Traditionen kennen zu lernen und zu verstehen und dabei auch durchaus freudige Erlebnisse zu teilen.

Inge Auerbachers Rede als Auslöser

Webers Erinnerungsarbeit dreht sich um die Kippenheimer Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher und ihr Buch "Ich bin ein Stern". Weber überlegte sich Strategien für die Kinder wie etwa einen Erzählkoffer mit verschiedenen Materialien oder den Inge-Auerbacher-Tag, der jedes Jahr am 9. Mai an der Grundschule gefeiert wird. Auch mit Auerbacher selbst nahm sie Kontakt auf, bis heute sind die beiden befreundet.

"Es gab auf der einen Seite Eltern, die das unterstützt und sich eingebracht haben. Auf der anderen Seite gab es aber auch die Ewig-Gestrigen, die das Thema ruhen lassen wollten", erinnert sie sich. So waren damals etwa sie und ihre Familie auch zwei Mal bedroht worden.

Durch die Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und Landeskunde hatte Roswitha Weber auch die Möglichkeit, ihre Gedanken und Strategien zu publizieren. So widmete sich etwa deren Publikation "Die Pforte" 2019 dem Thema. "Keine Ausgabe war so schnell vergriffen wie diese", erklärt Weber. Inzwischen wurde sie nachgedruckt.

Roswitha Webers Ideen sind gefragt

Seit 2019 ist Weber Mitglied in der Organisation "Widen the Circle", um ihre Strategien einem größeren Kreis zugänglich zu machen. Für den Obermayer-Award, den die Organisation vergibt, vorgeschlagen hatte Weber ihre Tochter Bianca Weber-Leverenz, auch auf Betreiben Auerbachers. Der Auslöser für die Auszeichnung dürfte die Deutschlandreise Auerbachers 2022 gewesen sein, bei der sie auch im Deutschen Bundestag sprach. Das Echo – nicht nur in den Medien – war gewaltig gewesen.

Auch Weber sei seitdem gefragt: Ehemalige Schüler und andere hatten sie angerufen, um ihr von ihren Projekten zu berichten oder sich von ihr Rat zu holen. Im Urlaub in der Normandie waren sie und ihr Mann gebeten worden, anlässlich der Feierlichkeiten am 8. Mai am Monument für die Gefallenen des Weltkriegs zu sprechen. Es wurde angefragt, ob Weber Gastvorträge an Universitäten halten oder Workshops an Schulen geben würde. "Meine Familie unterstützt mich unglaublich, allein könnte das gar nicht alleine machen", betont sie. So waren etwa ihr Mann Klaus Weber, ihre Tochter Bianca und deren Mann Jörn Leverenz zur Preisverleihung nach Berlin mitgekommen. Ebenfalls dabei waren die Rektorin der Grundschule und Birgit Beck und ihr Mann Andreas. "Sie ist der Garant dafür, dass es an der Grundschule mit meiner Arbeit weiter geht", so die 2015 pensionierte Lehrerin.

Erinnerungsarbeit braucht auch Geld

Und noch jemanden will Weber nicht unerwähnt lassen: den verstorbenen Robert Krais, der selbst 2005 mit dem Obermayer-Award ausgezeichnet worden war. "Er war mein Mentor, ihn konnte ich alles fragen, was ich nicht verstand und wie es weitergeht. Sein Lebenswerk ist ein Vermächtnis: Jeder ist verantwortlich ist etwas zu tun."

Ihre Auszeichnung mit dem Obermayer-Award sieht Weber auch als Chance für das Thema. "Dass es auch von politischer Seite mehr Beachtung findet. Denn das Thema braucht einen politischen Rahmen – und Geld." Den auch die Erinnerungsarbeit koste. So müssten etwa die Flüge und die Unterkunft für die Zeitzeugen bezahlt werden "und die Bürokratie ist da noch zu kompliziert", so Weber. Beachtung haben ihre Strategien jedoch gefunden: Ihre Lehrmaterialien wurden von mehreren Instituten digitalisiert und archiviert. Sogar Anfragen aus dem USA gab es nach diesen: Man wolle Webers Strategien verwenden, um dort mit den Grundschülern das Thema Sklaverei aufzuarbeiten.

Das sind die Obermayer-Awards

Die Obermayer-Awards würdigen deutsche Bürger und Organisationen, die sich in der Erinnerungsarbeit an die durch das NS-Regime zerstörten jüdischen Gemeinden in ihrer Region engagieren und ausgehend von der Lokalgeschichte Antisemitismus und Diskriminierung bekämpfen. Sie wurden im Jahr 2000 von dem inzwischen verstorbenen Arthur Obermayer, einem amerikanischen Unternehmer und Philanthropen, und seiner Judith Obermayer ins Leben gerufen. Die Verwaltung erfolgt durch "Widen the Circle". Die Preisverleihung in Berlin wird durch das Berliner Abgeordnetenhaus finanziell und organisatorisch unterstützt. Co-Sponsor ist das Leo Baeck Institut (New York).