Mit viel Einfühlungsvermögen beschreibt Judith Poznan traurige, aber auch absurd-witzige Momente des Lebens. Foto: Scarlett Werth/Maria Schöning

Die Berliner Autorin Judith Poznan erzählt in ihrem Buch „Aufrappeln“ und im Gespräch, wie sie eine Trennung verarbeitet hat.

Nur wenn man zusammen in einer Band spielt oder ein gemeinsames Kind hat, muss man den Ex-Partner ständig wiedersehen. Davon handelt der neue Roman der Schriftstellerin Judith Poznan.

Frau Poznan, wie in Ihrem Debüt „Prima Aussicht“ mischen Sie reale Erlebnisse mit erfundenen. Dass in Ihrem Klo Ratten auftauchten, ist aber Fiktion, oder?

Nein, und da habe ich nicht mal übertrieben. Das war wirklich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Dass Ratten in Wohnungen auftauchen können, habe ich immer für eine dieser städtischen Legenden gehalten. Inzwischen ist die Ratte das Lieblingstier meines Sohnes.

Es ist ein grandioser Einstieg: Ihre Hauptfigur kämpft nicht nur mit ihrem Trennungsschmerz, sondern erlebt gleichzeitig diese absurde Situation.

Und sie muss sie alleine bekämpfen. Als Metapher ist das wirklich toll. Solche Dinge passieren mir eben. Ich beobachte sie und mache daraus eine Geschichte.

In „Prima Aussicht“ haben Sie von Ihrem Lebenstraum erzählt, ein Buch zu veröffentlichen. Nun ist schon das zweite erschienen – wie fühlt sich das an?

Das erste Buch habe ich mir von der Seele geschrieben, als hätte ich nichts mehr zu verlieren. Nun habe ich gemischte Gefühle. Mit dem zweiten Buch bin ich weiter gekommen, als ich jemals von mir gedacht habe. Da entsteht ein ganz anderer Druck, weil man plötzlich etwas verlieren kann. Ich wollte, dass die Leute, denen „Prima Aussicht“ gefallen hat, auch dieses Buch mögen. Es sollte eine Fortsetzung sein, aber auch für sich alleine funktionieren.

Es geht um eine schmerzvolle Zeit in Ihrem Leben, um die Trennung von dem Vater Ihres Kindes. Warum wollten Sie gerade diese Geschichte erzählen?

Die Frage ist interessant, weil sie impliziert, dass ich eine Wahl habe, worüber ich schreibe. Aber so ist es nicht bei mir. Ich erlebe etwas und habe dann den Impuls, es aufzuschreiben. Wenn sich mein Ex-Freund nicht von mir getrennt hätte, hätte ich über etwas anderes geschrieben. Schreiben ist für mich eine Art Bewältigungsstrategie. Ich schreibe etwas auf, weil ich mich daran erinnern möchte. Oder ich schreibe es auf, weil ich nicht mehr ständig daran denken möchte. Das habe ich schon mit 14 Jahren gemacht, und ich habe nie gelernt, anders mit meinem Innenleben umzugehen.

Sie haben die Trennung zunächst auf Instagram öffentlich gemacht. Warum sind Sie damit so offen umgegangen?

Damals war mein erstes Buch schon angekündigt. Und plötzlich trennt der sich von mir. In dem Buch ging es zwar auch nicht um eine heile Welt, da musste ich also nichts mehr ändern. Aber ich konnte nicht in die Kamera lächeln, diese Geschichte erzählen und dabei so tun, als würde sich privat bei mir kein Drama abspielen. Außerdem hat es mir auch geholfen, mit den Leuten in den Austausch zu gehen. Ich habe offen erzählt, dass ich wirklich gerade ein Problem damit habe, einsam in einem Airbnb zu sitzen. Die Rückmeldungen darauf taten gut.

Sie erzählen in „Aufrappeln“ vom Trennungsschmerz nach einer gescheiterten Beziehung – und auch davon, was es für Sie als Mutter bedeutet hat.

Ich musste mich davon verabschieden, meinen Sohn jeden Tag zu sehen. Das war sehr schmerzhaft für mich und ist es noch. Vielleicht hilft das Buch meinem Kind aber in einigen Jahren zu verstehen und mir zu vergeben.

Haben Sie das Gefühl, dass es etwas zu vergeben gibt?

Ja. Natürlich möchte niemand Eltern, die nur wegen der Kinder zusammenbleiben. Unser Modell ist wahrscheinlich sehr gut, weil wir es geschafft haben, befreundet zu sein und uns gut verstehen. Und ja, ich habe ein glückliches Kind. Aber ich habe schon ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn nicht jeden Abend ins Bett bringen kann. Aber vielleicht wird er verstehen, dass ich ihn loslassen musste, damit er auch seinen Vater haben kann.

Wie war das für Sie, nicht einfach getrennte Wege gehen zu können?

Das ist eine besondere Situation, die man nur durchmachen muss, wenn man ein gemeinsames Kind hat oder in einer Band spielt. Aber die ständige Konfrontation mit diesem Mann hat mir auch geholfen, die Dinge besser zu verstehen. Wir haben nie aufgehört, miteinander zu sprechen. Dadurch haben wir es geschafft, einen wirklich schönen Umgang miteinander zu finden.

In dem Buch sind es die kleinen Alltagsmomente, die die Tragweite einer Trennung deutlich machen. So fühlt man beispielsweise sehr mit, wenn sich Sohn und Vater nach dem Auszug voneinander verabschieden müssen.

Ich hoffe, dass man sich in diesen Situationen wiederfinden kann. Das sind diese Situationen, die alle Eltern, die sich trennen, durchmachen müssen. Als Eltern überlegt man sich ein schlaues System, aber darin funktioniert das Kind nicht immer. Ob man alles richtig macht, wie beispielsweise bei der Verabschiedung, weiß man nicht. Man hofft, dass es irgendwie alles hinhaut.

Nicht nur die Trennung, sondern auch Jugenderinnerungen oder die Ehe Ihrer Eltern thematisieren Sie. Wie geht Ihr Umfeld damit um?

Die Ehe meiner Eltern wollte ich nie ausschlachten, aber von ihrer großen Leistung als Paar erzählen. Die Autofiktion ist ein eigenartiges Spiel, weil ich keine verlässliche Erzählerin bin. Zum Beispiel erfährt niemand den Grund, warum sich mein Ex-Freund von mir getrennt hat. Denn ich erzähle weitestgehend aus meiner eigenen Perspektive. Es ist aber auch knifflig. Manchmal verlasse ich die Perspektive, zum Beispiel wenn ich Dialoge mit meinem Ex-Freund wiedergebe. Deshalb habe ich über manche Stellen vorher mit ihm gesprochen. Es hat auch geholfen, ihm zu sagen, dass er gar nicht so schlecht dabei wegkommt.

Die Autorin und ihr Werk

Judith Poznan
wurde 1986 in Berlin geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin studierte sie Literaturwissenschaften und Publizistik. Sie schreibt regelmäßig Artikel für „Zeit online“, die „Berliner Zeitung“ und „Spiegel online“. Über ihren Instagram-Account erreicht sie rund 16 000 Follower und Followerinnen, die sie ein Stück weit an den Höhen und Tiefen ihres Lebens teilhaben lässt. Ihr autofiktionaler Debütroman „Prima Aussicht“ erschien 2021 im Dumont-Verlag. Darin erfährt die Hauptfigur, dass ihr Freund kein zweites Kind haben möchte. Um ihre Lebenskrise zu bewältigen, kauft sie einen alten Wohnwagen, der für sie eine neue Chance bedeutet.

Neuer Roman
„Aufrappeln“ von Judith Poznan ist ebenfalls im Dumont-Verlag erschienen. Der Roman umfasst 208 Seiten und ist für 22 Euro erhältlich.