Karlheinz Heiss stellte sein Buch "Ein Priester tut so etwas nicht – Missbrauchte Katholik:innen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart" vor.Foto: Beyer Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: In seinem Buch über sexuellen Missbrauch geht Karlheinz Heiss auch auf Stefan Kruschina ein

Rottenburg. Da gibt es kein wenn und aber: Der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen und Kindern innerhalb der Katholischen Kirche ist verabscheuungswürdig. Um so mehr ist die Aufarbeitung zu begrüßen, der sich Karlheinz Heiss verschrieben hat. Nun stellte er innerhalb einer mit Musik umrahmten Lesung sein Buch zum Thema vor: "Ein Priester tut so etwas nicht – Missbrauchte Katholik:innen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart".

Die gut besuchte Veranstaltung von der Volkshochschule fand im Gebäude der Musikschule statt, wo VHS-Chef Bodo Müller den Referenten vorstellte, der Vielen noch von seiner 22-jährigen Tätigkeit als Musikschuldirektor in Erinnerung geblieben ist. Zudem ist Karlheinz Heiss seit mehr als fünf Jahren Vorsitzender des Familienbunds der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Heiss unternahm zunächst einen Ausflug in die Geschichte, um so "die tiefer liegenden Ursachen von Missbrauch" darzulegen. Einen Schlüssel dazu sieht er in der Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes, weshalb er genauer auf das Dogma von Pius IX. im Jahre 1870 einging, wo es heißt: "Wenn sich jemand... herausnehmen sollte, dieser unserer endgültigen Entscheidung zu widersprechen, so sei er ausgeschlossen." Einer Hinterfragung, wie sie etwa der Tübinger Universitätsprofessor Hans Küng (1928-2021) 1978 wagte, habe der Entzug der Lehrtätigkeit gefolgt, so Heiss, der anfügte, dass eine derartige Äußerung im "normalen Leben" als "pathologische Form der Selbstüberschätzung" gesehen werde.

Als wichtig hob er auch die Zeit der 50er- und 60er-Jahre hervor, die statistisch gesehen die meisten Missbrauchsfälle in der Diözese vorwiesen.

Als Beispiel soll hier der Fall von Pfarrer Stefan Kruschina in Wurmlingen genannt sein, der laut Heiss für viele andere Missbrauchsfälle stehen könnte: Das Wirken von Pfarrer Stefan Kruschina (1912-1991) in Wurmlingen (damals noch kein Teilort von Rottenburg). Es wird im Kapitel "Ein Pfarrer tut so was nicht" des Buchs genauer beschrieben. Wegen seiner Vergehen insbesondere an Knaben, "an denen er sich in den Jahren von 1953 bis 1965 wiederholt vergangen und sie bei kleinsten Vergehen brutal geschlagen" habe wurde ihm laut Medienberichten Ende 2010 die Ehrenbürgerwürde entzogen. Die hatte er für seinen Einsatz um den Erhalt der Wurmlinger Kapelle erhalten. Er sei von einem Gutteil der Gemeinde "kultisch überhöht" worden, die den späteren Theologieprofessor als "honorigen Mann in Erinnerung" gehalten hätte, so der Referent.

Er ging neben vielen weiteren Beispielen auch auf die 2002 von Bischof Gebhard Fürst eingerichtete "Kommission sexueller Missbrauch" (KSM) ein. Kruschina war nur einer von mindestens 72 Klerikern, die in der Zeit von 1945 bis 2013 des Missbrauch beschuldigt oder als Täter überführt wurden, war ferner zu hören.

Zitat vom Bischof

"Die Diözese reagiert", ist der Titel eines weiteren Kapitels im Buch von Heiss, wo dieser Gebhard Fürst, den Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, zitiert. Demnach sei diese die Erste, die alle bekannten Fälle mit großer Sorgfalt und Sensibilität und in unabhängiger Vorgehensweise der Kommission sexuellen Missbrauch aufgearbeitet habe. Bereits 2002 habe die Diözese "Regularien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger in der Diözese" in Kraft gesetzt, zitierte der Referent den Bischof. So können sich Betroffene bei konkreten respektive bei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen an Einrichtungen der Katholischen Kirche innerhalb der Diözese Rottenburg-Stuttgart wenden, welche auch auf der Website der Diözese einsehbar sind.

Bemerkenswert: Als gelungen faszinierendes musikalisches Äquivalent zum Vortrag erwiesen sich die durchweg ad hoc improvisierten Ausführungen von Bennon Gössel auf dem Vibrafon: Sie waren schlichtweg makellos und werteten die Veranstaltung wesentlich auf.