Blick auf die Trümmer der eingestürzten Morandi Autobahnbrücke in Genua. Beim Einsturz der Brücke sind mindestens elf Menschen ums Leben gekommen Foto: dpa

Beim Einsturz einer vierspurigen Autobahnbrücke in der italienischen Hafenstadt Genua sind mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen. Wir befragten den Brückenexperten Martin Mertens, ob ein solches Unglück auch in Deutschland möglich wäre.

Genua/Bochum/Stuttgart - Im norditalienischen Genua ist am Dienstag eine Autobahnbrücke der A10 teilweise eingestürzt. Nach Angaben der italienischen Feuerwehr stürzten „Autos und Lastwagen“ in die Tiefe. Italienische Medien berichteten, dass die Morandi-Brücke auf einer Länge von rund 200 Metern eingestürzt sei. Mindestens 35 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein. Fünf weitere Menschen wurden nach Angaben des italienischen Innenministeriums schwer verletzt.

Brücke in Staubwolken eingehüllt

Fernsehbilder vom Unglücksort zeigten die hohe Brücke in Staubwolken. Laut Feuerwehr stürzten die Trümmer aus rund hundert Metern Höhe auf Bahngleise. Bei dem unter der Brücke liegenden Stadtteil handelt es sich offenbar um ein von Industrie und Gewerbe geprägtes Gebiet im Westen Genuas. Das Unglück ereignete sich gegen Mittag. Auf Twitter teilten die Rettungskräfte mit, dass ein Großeinsatz im Gange sei.

„Mindestens ein Drittel der Brücken sind sanierungsbedürftig“

Herr Mertens, ist der Einsturz einer großen Autobahnbrücke wie jetzt im italienischen Genua auch in Deutschland möglich?

Wir haben in Deutschland ein sehr ausgeklügeltes Prüfsystem für Brücken. Die Bauwerksprüfung hat einen sehr hohen Stellenwert, so dass niemand Angst haben muss, über eine Autobahnbrücke zu fahren.

Was wird getan, damit solche Unglücke nicht geschehen?

Die Brücken in Deutschland werden sehr intensiv begutachtet. Alle sechs Jahre gibt es eine Hauptprüfung, dazwischen nach drei Jahren eine einfache Prüfung. Es gibt laufende Beobachtungen und Besichtigungen. Die Bauwerke sind unter einer ständigen Kontrolle und die Bauwerksprüfingenieure verstehen wenig Spaß. Wenn irgendwo die Gefahr besteht, dass etwas passieren könnte, wird die betroffene Brücke sofort gesperrt.

Wer überprüft hierzulande die Sicherheit der Brücken?

Das machen die Straßenbauverwaltungen der Länder, der Kommunen und Gemeinden. Die zuständigen Behörden haben eigene Prüfer. Es gibt aber auch externe Prüfer – ungefähr 2000 Experten, die sich nur um die Brücken in Deutschland kümmern.

Wie ist die Überprüfung der Brücken geregelt?

Das Bundesverkehrsministerium hat die Verwaltung der Brückenbauwerke der Bundesfernstraßen, also der Bundesautobahnen und Bundesstraßen, in die Hoheit der Länder und deren Landesbehörden für Straßenbau und Verkehr abgegeben. Hinzu kommt das gesamte Netz der Kreisstraßen, Kommunalstraßen und so weiter. Für diese Bauwerke sind ebenfalls Baulastträger zuständig, die sehr stark für all das sensibilisiert sind, was die Sicherheit dieser Bauwerke betrifft.

Wie viele Autobahnbrücken gibt es in Deutschland?

Insgesamt gibt es rund 40 000 im Netz der Bundesfernstraßen und circa 140 000 Brücken. Experten gehen davon aus, dass mindestens ein Drittel der Bauwerke sanierungsbedürftig sind.

Zur Person

Martin Mertens ist Professor für Statik und Brückenbau an der FH Bochum (Fachbereich Bau- und Umwelt-Ingenieurwesen) und einer der renommiertesten Brückenexperten in Deutschland. Außerdem betreibt er im nordrhein-westfälischen Kevelaer eine Ingenieurgesellschaft, die vor allem Brückenprüfungen durchführt.