Harald Sinot und Petra Roderburg-Eimann zeigen beispielhaft, welche Hilfsmittel zum Einsatz kommen können. Foto: Geisel

Die Wildberger Musikschule hat die Gesundheit der Schüler stets im Blick. Deswegen strebt die Bildungseinrichtung nun die Zertifizierung als "gesunde Musikschule" an.

Wildberg - Verkrampfte Sitzhaltungen, Anstrengung, Stress: Musiker sind häufig von bestimmten Krankheitsbildern betroffen, die sich beispielsweise aus einer ungesunden Körperhaltung beim Musizieren ergeben. Das haben auch verschiedene Institutionen erkannt und sich der Prävention, Erkennung und Behandlung gewidmet. Ein Punkt hierbei ist die Schulung von Lehrkräften an Musikschulen, wie es derzeit in Wildberg umgesetzt wird.

Die Musikschulakademie Schloss Kapfenburg, der Landesverband der Musikschulen Baden-Württemberg, die Techniker Krankenkasse und das Institut für Musikermedizin zeichnen sich gemeinsam für das bundesweite Programm "gesunde Musikschule" verantwortlich. Sie haben erkannt: Es gibt bestimmte Krankheitsbilder, die typisch für Musiker sind.

Einzelne Muskelgruppen werden gezielt entspannt

Die Gesundheit der Musiker zu fördern und gleichzeitig präventiv zu arbeiten sind die Ziele der "gesunden Musikschule". Dafür sollen die Erkenntnisse aus dem Bereich der Musikermedizin und der Musikphysiologie praxisnah in den Alltag integriert werden. Hier kommen die Lehrer ins Spiel, deren Gesundheit im Rahmen des Projekts ebenso in den Fokus genommen wird wie die der Schüler.

Eine Musikschule, welche die Zertifizierung erlangen möchte, braucht zunächst einen Mentor im Kollegium, wie Musikschulleiterin Petra Roderburg-Eimann erklärt. Bei der Suche nach einem Freiwilligen meldete sich Harald Sinot. Ein Jahr lang hat er sich weitergebildet und anschließend seine Wildberger Kollegen an das Thema herangeführt. Im März 2023 wird ein pädagogischer Aktionstag stattfinden, bei welchem das Kollegium tiefer in die Materie einsteigen wird.

Sich auf sich selbst fokussieren

Die eigentliche Zertifizierung soll im Rahmen des Harald-Kindermann-Wettbewerbs vorgenommen werden. Dieser ist für den 24. und 25. Juni 2023 geplant. Beispielhaft wird Sinot mit allen Wettbewerbsteilnehmern vor ihrem Auftritt die sogenannte "Progressive Muskel-Relaxation" durchführen.

Dabei werden einzelne Muskelgruppen gezielt angespannt und wieder gezielt entspannt. Durch diese Bewusstmachung und Kontrolle kann Spannung abgebaut werden, physische wie auch psychische. Die Schüler sollen dabei lernen, sich auf sich selbst zu konzentrieren und sich selbst sowie den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen.

"Solche Übungen schulen die Achtsamkeit", fasst Sinot zusammen, "und jeder kann sie jederzeit für sich selbst anwenden." Die Wildberger Musikschule würde mit der Zertifizierung die erste im Landkreis sein, die sich "gesunde Musikschule" nennen darf. Ein Zertifikat, das alle zwei Jahre neu verdient werden muss.

Methoden werden mit den Grundlagen gelehrt

Das Thema Gesundheit und Musizieren sei im Studium zwar angeschnitten worden, erzählt Sinot, doch bei weitem nicht in dieser Tiefe. Außerdem finde er es etwas spät, sich erst im Studium damit zu befassen. "So etwas sollte gleich in der Musikschule behandelt werden, so früh wie möglich", ist Sinot überzeugt. Denn wird gesundes Musizieren gleich mit den Grundlagen gelehrt, prägt es sich von Anfang an ein. Noch bevor sich ungesunde Angewohnheiten oder Probleme einschleichen.

Ein derartiges Bewusstsein ist in vielen Bereich nützlich, wissen Sinot und Roderburg-Eimann: "Wir wollen den Schülern nicht nur das Musizieren beibringen, sondern ihnen auch etwas fürs Leben mitgeben, auch andere Kompetenzen vermitteln." Schonende Bewegungen, der Umgang mit Stress – davon profitieren die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen auch bei Prüfungen und im Berufsleben.

"Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt, wenn wir die Zertifizierung haben", so Roderburg-Eimann. Vorerst ist geplant, dass Sinot unter anderem seinen Kollegen zur Seite steht, bei Orchesterfreizeiten dabei sein und Sprechstunden anbieten wird.

Eines ist ihm aber besonders wichtig: Es gelte der Grundsatz "weitergeben und weiterleiten". Er gebe sein Wissen gerne weiter. Auch wenn er selbst natürlich kein Mediziner sei. Man müsse seine Grenzen kennen und wissen, besser an andere Stellen verwiesen werden sollte.