Ausgerechnet der böse Bube Irland ist zum Musterknaben der Eurozone geworden. Die grüne Insel zeigt der Welt, dass die Rettungsmechanismen funktionieren. Irland steht nach drei Jahren wieder auf eigenen Beinen.
Ausgerechnet der böse Bube Irland ist zum Musterknaben der Eurozone geworden. Die grüne Insel zeigt der Welt, dass die Rettungsmechanismen funktionieren. Irland steht nach drei Jahren wieder auf eigenen Beinen.
London/Dublin - Es ist eine Crux: Ausgerechnet ein Land, in dem sämtliche finanziellen Reißleinen versagt haben, wird jetzt zum Gegenstand von Lobeshymnen in der Eurozone. Irland hat seinen Finanzsektor aufgebläht, Immobilienspekulanten Tür und Tor geöffnet, ist deswegen in Richtung Staatspleite gerutscht. Vor drei Jahren vom europäischen Rettungsschirm aufgefangen, steht das Land jetzt wieder auf eigenen Füßen. „Im Ergebnis ist Irland in einer sehr viel stärkeren Position als damals, als das Programm startete“, sagt die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde.
„Irlands Ausstieg aus dem Rettungsschirm ist ein riesiger Erfolg für das Land und die Eurozone als Ganzes“, erklärt Klaus Regling, der Chef des europäischen Rettungsfonds EFSF. „Der Kombinationseffekt von Haushaltskonsolidierung, Strukturreformen und dem Reparieren des Finanzsektors hat Irland auf den Pfad nachhaltigen Wachstums, sinkender Arbeitslosigkeit und verbesserten Vertrauens der Geschäftswelt zurückgebracht“, lobt Regling. Nach eigenen Angaben sitzt Irland auf Barreserven von 20 Milliarden Euro - und kann bis 2015 notfalls ohne frisches Geld durchhalten.
Irland ist für die Länder der Eurozone der Modell-Prügelknabe. Das Land fuhr in die Krise, ihm wurde geholfen, mit 67,5 Milliarden Euro an Notkrediten. Gehörig und gelehrig erfüllten die Iren dann die Vorgaben der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank. Die Botschaft ist klar: Wenn ein Krisenland seine Hausaufgaben macht, dann funktionieren auch die Rettungsmechanismen der Eurozone. Viele der Euro-Finanzminister hoffen, dass das irische Beispiel auch in Griechenland genau betrachtet wird.
Mit fast 350 Milliarden Euro hatte Irland sein aufgeblähtes Bankensystem vor dem Untergang retten müssen- mehr als jedes andere EU-Land. Die Neuverschuldung erreichte 2010 mit mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes einen traurigen Höhepunkt. Die Arbeitslosigkeit kletterte zwei Jahre später auf über 15 Prozent. 2013 wird der Gesamtschuldenberg 124 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Jahres entsprechen - die Maastricht-Grenzen sind längst gesprengt.
Doch der rigide Sparkurs mit Milliardenkürzungen und Steuererhöhungen im Haushalt zeitigte Erfolge. Die Schulden sinken, Irlands Wirtschaft wächst dank internationaler Exporte wieder und die Arbeitslosigkeit von mehr als 15 Prozent im vergangenen Jahr geht zurück. Sogar die völlig eingebrochenen Immobilienpreise ziehen wieder deutlich an. „Wir können nicht nocheinmal verrückt spielen“, sagt Finanzminister Michael Noonan - während die ersten Wirtschaftsexperten schon wieder erste Anzeichen für die alte Casino-Mentalität entdecken.
Auch IWF-Chefin Lagarde erhebt weiter mahnend den Zeigefinger: „Noch immer steht Irland vor erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen: Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch, die Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung bleibt anfällig und die hohe Schuldenlast der Privathaushalte sowie der langsame Fortschritt der Banken beim Umgang mit faulen Krediten drücken auf die Inlandsnachfrage“, sagt sie.
Die Regierung in Dublin ging bei den Zumutungen für ihre Bürger in den vergangenen vier Jahren teils bis über die Schmerzgrenze - beim Arbeitslosengeld etwa oder bei Zuschüssen für Bedürftige. Im kommenden Jahr geht es erstmals Rentnern an den Kragen - Zuschüsse für die Telefonrechnung oder für die Beerdigung von Verwandten werden zusammengestrichen. Jungen Arbeitslosen wird die wöchentliche Unterstützung von 144 auf 100 Euro gekürzt. Noonan kündigte am Freitag nun vorsichtig an, ab 2015 vielleicht doch wieder an Steuererleichterungen zu denken, um Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln.
Denn er weiß: Kürzungen verschärfen ein weiteres, das vielleicht größte Risiko für die irische Wirtschaft: Darlehensrückstände bei Privatleuten. Nach neuesten Zahlen der irischen Statistikbehörde sind die Kreditnehmer bei Darlehen von 17 Prozent der 700 000 in Irland kreditfinanzierten Wohnhäuser im Rückstand - in mehr als 80 000 Fällen über drei Monate lang. Mehr als 26 Prozent aller Darlehen werden vom IWF als problematisch eingestuft.