In der Bergvogtei zeigt die Ausstellung „Sternenkind“ das erste und letzte Bild von tot geborenen Kindern. Foto: Tröger

Die Ausstellung „Sternenkind“ in der Neubulacher Bergvogtei nimmt sich eines herzzerreißenden Themas an: Fotografien von Babys, die tot geboren wurden, oder deren Tod unausweichlich bevorsteht.

 
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Die Foto-Ausstellung „Sternenkind“ in der Neubulacher Bergvogtei wird die Besucher gefangen nehmen. Neben stilistischen Aspekten der ästhetischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen wirkt der Hintergrund zur Entstehung der „Sternenkind“-Bilder noch viel tiefer.

Anja Corinna Lohr ist „Sternenkind“-Fotografin. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Organisation „Dein Sternenkind Stiftung“. Die Altensteigerin macht wie die mehr als 600 anderen Fotografen deutschlandweit, in der Schweiz und auch in Südtirol Erinnerungsfotos für Eltern, die entweder ein totes Baby auf die Welt bringen oder dessen Tod unausweichlich bevorsteht. Sie schenkt ihnen das erste und das letzte Bild ihres Kindes.

Eine Erinnerung, wenn die eigene Erinnerung verblasst

Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt Lohr von ihrer Arbeit, wie sie dazu kam, was es auch für sie emotional bedeutet, wie sie ihren Dienst für die Eltern in einer absoluten Ausnahmesituation – eine der schlimmsten, die man sich als Eltern nur vorstellen kann – begreift. „Unsere Bilder können den Eltern helfen, ihre Trauer zu bewältigen, sie sind bleibende Erinnerungen, wenn die eigene Erinnerung vielleicht nach und nach verblasst.“

Eine kleine Hand, umschlungen von einem Armbändchen aus Glasperlen, die feinen Fingernägelchen sehen aus wie lackiert, liegt in einer Männerhand und auf dieser eine Frauenhand, ebenfalls mit einem Perlenarmband – ein Bild tiefen Friedens einerseits. Andererseits spricht es von der ganzen Tragik, die die drei Menschen, zu denen die Hände gehören, in dem Moment umgibt. Und es spricht auch von der Liebe, der freudigen Erwartung auf die Geburt des Kindes und der tröstenden Liebe beim Abschied nehmen.

Sie begreift ihren „Auftrag“ als Geschenk an die Eltern

Solche Bilder können nur entstehen, wenn die Fotografin mit ihrer Haltung einem solchen Geschehen Raum gibt, sich zurücknimmt, im Hintergrund agiert. Lohr ist ausgebildete Bildjournalistin und hat für verschiedene Redaktionen gearbeitet. Sie hat sich in der Kinder- und Jugend-Hospizarbeit engagiert und sie führt eine eigene Praxis für Ayurvedische Psychologie.

Zur Organisation „Dein-Sternenkind Stiftung“ kam sie über die Empfehlung eines Freundes. „Natürlich habe ich mich gefragt, ob ich das kann.“ Sie hat sich beworben und wurde auch angenommen. In den drei Jahren, die sie seither für die Organisation im Raum Calw, Herrenberg, Böblingen, Tübingen oder auch Reutlingen tätig ist, war sie in etwa 160 Einsätzen unterwegs. „Schon nach den ersten habe ich gespürt und gewusst: Ja, ich kann das.“ Sie könne sich einfühlen in die Situation, in der sie die Beteiligten antrifft und sie könne hinterher den „Auftrag“, den sie als Geschenk an die Eltern begreift, für sich auch abschließen. Sie geht offen auf die Menschen zu, lässt jedoch das Geschehene, die Trauer und Verzweiflung der Angehörigen nicht in ihr Innerstes, „da helfen mir meine Erfahrungen aus der Hospizarbeit“.

Liebevolle Details schaffen würdevolles Bild

Trotz allem bewegen sie die Schicksale, sie gestaltet mit liebevollen Details und Accessoires ihre Fotografie-Einsätze und schafft so Erinnerungsfotos von großer Würde. Sie bekomme von den Eltern viel Dankbarkeit zurück, erzählt sie, zu manchen hat sie nach wie vor Kontakt.

Mit der Ausstellung möchte Lohr auch auf die Arbeit der „Dein Sternenkind Stiftung“ aufmerksam machen, die für die betroffenen Eltern kostenfrei ist, denn die Fotografen organisieren die Einsätze über ein internes Alarmierungssystem ehrenamtlich und die Stiftung finanziert sich über Spenden. Weitere Infos finden sich auf der Homepage www.dein-sternenkind.org

Die Ausstellung in der Bergvogtei ist bis 31. März zu den Öffnungszeiten zu besichtigen, der Eintritt ist frei.