Michael Walter (links) spricht in seiner Rede zur Vernissage der Ausstellung "Heimatlos" über die schleichende Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung in den 1930er-Jahren.Foto: Stotz Foto: Schwarzwälder Bote

Vernissage: "Heimatlos" ist die neue Ausstellung in der Zehntscheuer / Diskriminierung von Juden begann in Balingen im Kleinen

Die Ausstellung "Heimatlos: Ausgegrenzt, ausgeraubt, vernichtet" brachte viele geschichtsinteressierte Balinger in der Zehntscheuer zusammen.

Balingen. Das Interesse am Vortrag von Michael Walther vom Arbeitskreis "Wüste" war an diesem Abend groß. Im Rahmen der Reihe "Heimat" begann die Zehntscheuer Balingen am Donnerstag Abend mit einer Vernissage die neue Ausstellung mit dem Titel: "Heimatlos. Ausgegrenzt, ausgeraubt, vernichtet".

In seiner Begrüßungsrede hieß Oberbürgermeister Helmut Reitemann dazu rund 100 Gäste willkommen. Dieser große Zuspruch freute nicht nur ihn, sondern auch Christopher Seng, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Zehntscheuer. Die vielen Besucher fanden Platz auf der Treppe oder auch auf Stühlen, die aus dem ganzen Gebäude zusammengetragen wurden.

Als Michael Walther dann seinen historisch fundierten Vortrag begann, wurde es still, und alle hörten gebannt seinen Ausführungen zu. "Sehr oft machen wir den Fehler, die Zeit des Nationalsozialismus nur vom Ende her zu denken. Die schleichende Ausgrenzung der jüdischen Bürger wird dabei aber häufig übergangen", zitierte er den Leiter der Gedenkstätte Buchenwald.

Wie es sich anfühlt ausgegrenzt zu werden, wusste in Balingen zu jener Zeit niemand besser als der jüdische Allgemeinarzt Alexander Bloch. In kürzester Zeit wurde er vom angesehenen Mitbürger zu einer unerwünschten Person degradiert und musste in die Schweiz emigrieren. Als gebrochener Mann forderte er nach dem Krieg eine Wiedergutmachung, die allerdings zehn lange Jahre auf sich warten ließ.

Dieses und weitere persönliche Porträts zeigen, was es bedeutet, auf einmal ausgegrenzt, ausgeraubt und vernichtet zu sein. Das Thema könnte aktueller nicht sein, wie erst kürzlich der Antisemitismusbeauftragte des Landes, Micheal Blume, aufzeigte. Denn der Hass gegen Deutsche jüdischen Glaubens nehme seit Jahren wieder zu. In der Ausstellung wird jedoch nicht nur die Opfer-, sondern auch die Täterseite beleuchtet.

"Oft waren an diesen Verbrechen Menschen beteiligt, die wir kannten; oder die wir glaubten zu kennen", sagte Walther weiter. So trat damals beispielsweise der Musikverein Balingen bereits in vorauseilendem Gehorsam geschlossen der NSDAP bei. Regional bekannte Unternehmer entwickelten sich zu Profiteuren des Unrechtssystems. In einem Maße, das die Ausstellung nun eindrucksvoll dokumentiert.

Im Anschluss hatten die Besucher die Gelegenheit, sich weitere Opfer- und Täterbeschreibungen oder auch die kommunalpolitische Dimension jener Zeit genauer anzusehen.

n Bis 26. September ist die Ausstellung geöffnet. Ab November wird sich die Zehntscheuer dann mit dem Thema "Fortschritt" befassen.