Der Arbeitskreis Kultur im Bürgerforum freute sich zusammen mit allen "Angekommenen" und ihren Familien über die Eröffnung der Ausstellung im Nagolder Rathaus. Foto: Rennig

18 Neu-Nagolder, 18 ganz unterschiedliche Lebensgeschichten. Die Ausstellung "angekommen" im Rathaus ist spannend wie das Leben.

Nagold - Nach "einer etwas schwierigen Geburt" von rund zwei Jahren konnte der AK Kultur im Bürgerforum nun zahlreiche Besucher - und besonders alle "Angekommenen" und ihre Familien zur Präsentation eines weiteren besonderen Projektes im Rathaus begrüßen, nämlich der Ausstellung "angekommen".

Eine Projektgruppe des AK mit Nanni Fingerhut, Gisela Haag, Susanne Humbeil und Birgit Pfaff (für alle vier selbst ist Nagold Wahlheimat) hatten über einen längeren Zeitraum 18 Menschen stellvertretend für so viele "Neu-Nagolder" aus aller Welt begleitet und schließlich porträtiert, die aus verschiedenen Gründen hier zugezogen sind und in Nagold eine neue Heimat gefunden haben.

Menschen aus Afghanistan, Australien, China, Gambia, Griechenland, Serbien, dem Kosovo, Finnland oder der Türkei hatten ebenso wie deutschstämmige Menschen, die aus der damaligen DDR, Schlesien, Ostpreußen oder Rumänien nach Nagold kamen, große Offenheit gezeigt, ihre ganz individuellen Lebensläufe und bewegenden Geschichten zu erzählen; sie sind in einer Broschüre zur Ausstellung nachzulesen.

Kleines Stück deutscher Geschichte

Nach der musikalischen Eröffnung mit "Der lustige Caballero" (Leon Felde am Akkordeon) freute sich Nagolds OB Jürgen Großmann in seiner Begrüßung über ein weiteres Bravourstück des AK Kultur: "Im Rathaus, einem der wichtigsten Orte der Stadt, wird nun jeder ein kleines Stück deutscher Geschichte und echt gelebter Integration erleben." Nicht zuletzt konnte die Präsentation durch die stimmungsvollen Foto-Porträts von Walter Fingerhut und die Unterstützung der Stadt, zum Beispiel Heike Roller vom Steinhaus, realisiert werden.

Weil die Lebensläufe der Porträtierten so persönlich wie berührend sind und viele von den "Angekommenen" eine wahre Odyssee erlebt haben, scheint es unmöglich, sie hier mehr als exemplarisch zu erwähnen. Da ist Aqila Naim, die 1992 mit Ehemann und fünf noch kleinen Söhnen Afghanistan verließ und durch ihr ehrenamtliches Engagement im Kinderschutzbund und der Migrantenbetreuung seither ihrer neuen Heimat "etwas zurückgeben" wollte.

Aus Gambia über Libyen, Italien und die Schwäbische Alb

Oder der gebürtige Gambier Momodou Jarju, der auf vielen Umwegen über Libyen, Italien und die Schwäbische Alb 2018 nach Nagold kam und nun in einem renommierten Restaurant eine Lehre zum Koch absolviert.

Zunächst fremde Lebensgewohnheiten erschwerten auch Lilli Baklizi und ihrer Familie, aus Kasachstan 1991, nach der Auflösung der Sowjetunion, hier Fuß zu fassen, doch dank Unterstützung durch Ämter und Menschen hat sie sich inzwischen gut eingelebt.

Und wer erinnert sich nicht an Willy Gohls feines Schuhgeschäft in der Turmstraße, in dem heute eine Apotheke untergebracht ist? Der bei Danzig Gebürtige hat sich nicht nur als Initiator des Werberings in Nagold vielfach engagiert: Seine jährlichen Gruppenreisen nach Ostpreußen schreiben fast Geschichte.

Der großen Liebe wegen

Florence Postelmann, die gleich nach dem Abitur ihrer großen Liebe aus dem "Midi" nach Deutschland folgte, ist schon lange gerne VHS-Dozentin - und Stadtführerin.

Das Projekt "angekommen" stärkte spürbar aber auch Verbindungen zwischen allen Angekommenen und ihren Familien untereinander. Lebendig gelebte Nachbarschaft und Gemeinschaft sei, so auch OB Jürgen Großmann, der Schlüssel für gelungene Integration. Nach einem melancholisch-beschwingten "Czardas" (beeindruckend Johannes Pridzun, Violine, und Leon Felde als Duo) blieben alle Besucher der Vernissage noch lange in lebhaftem Gespräch beieinander.

Bis Ende Januar ist die Ausstellung mit den "Geschichten" noch im 1. und 2. Obergeschoss des Rathauses zu sehen.