Claudia Gläser ist Präsidentin der IHK Nordschwarzwald. Foto: IHK

Schwierige Zeiten für die heimische Wirtschaft im Nordschwarzwald. Wo die Probleme liegen, sagt IHK-Präsidentin Claudia Gläser.

Nordschwarzwald - Die Wirtschaft steht angesichts von Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation und Fachkräftemangel vor einem schwierigen Jahr 2023. Wir haben mit Claudia Gläser, Präsidentin der IHK Nordschwarzwald, über Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaft gesprochen.

Wie bereiten sich die Unternehmen angesichts der Energiekrise auf den Winter vor? Sind ernsthafte Probleme zu erwarten?

Noch haben wir Glück, bislang war es noch nicht richtig kalt. Es gilt abzuwarten, wie sich Strom- und Gaspreisbremse auswirken. Die meisten Unternehmen spielen verschiedene Szenarien durch. Und stellen sich auf die veränderten Bedingungen ein, indem sie beispielsweise von Gas auf Öl umstellen. Wie das alles gelaufen ist, werden wir erst nach dem Winter wissen.

Sehen Sie realistische Möglichkeiten, gegen den Mangel an Fachkräften vorzugehen?

Vom Fachkräftemangel sind viele Unternehmen betroffen. Meines Erachtens müssen wir vor allem den Frauen ermöglichen, mehr arbeiten zu können. Steuerlich lohnt es sich für viele nicht, von einer Halb- zu einer Vollzeitzeitbeschäftigung zu wechseln. Derzeit arbeiten in Deutschland nur 34 Prozent der Frauen Vollzeit. Da sollten entsprechende Anreize geschaffen werden. Darüber hinaus müssen wir versuchen, so viele junge Menschen wie möglich in Ausbildung zu bringen. Schließlich steckt unser Gold nicht im Boden sondern in den Köpfen. Bei der Auswahl sollte man vielleicht auch mal darauf achten, wie motiviert die Bewerberinnen und Bewerber sind. Das Zeugnis muss nicht immer ausschlaggebend sein. Was Aus- und Weiterbildung anbelangt, hilft die IHK Nordschwarzwald, wo es geht.

Hilft die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland?

Der Bedarf ist da, nur stehen wir uns dabei meist selbst im Weg. Ein Einwanderungsland zu werden, das muss man wollen. Dabei stellen wir meiner Beobachtung mehr Hürden auf, als dass wir Türen öffnen, etwa was die Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse anbelangt. Wir sind mit der Politik im Dialog, um darzulegen, was notwendig ist. Im Prinzip sollte gelten: Wer bei uns einen Job hat, sollte auch arbeiten können. Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme könnte vermieden werden, indem man den Aufenthalt zunächst zeitlich begrenzt.

Was ist aus der Strategie 2030+ geworden, die 2018 von Regionalverband, Wirtschaftsförderungsgesellschaft und IHK ins Leben gerufen wurde?

Es gibt sie noch. Ein solches Projekt lebt von Menschen, die sich treffen und austauschen. Das war während der Corona-Pandemie lange Zeit nicht möglich. Inzwischen wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Dabei beschäftigen wir uns mit Themenbereichen wie Energie, Umwelt, Fachkräfte, Mobilität, Energie, Infrastruktur und Innenstädte.

Beim Start der Strategie war davon die Rede, dass es jungen Menschen verstärkt in den ländlichen Raum zieht. Hält dieser Trend an?

Für junge Familien ist der ländliche Raum durchaus eine Alternative. In den Metropolen werden Grundstücke und Mieten bald unbezahlbar. Während der Corona-Pandemie hat sich darüber hinaus gezeigt, dass im Homeoffice gearbeitet werden kann, das Pendeln zum Arbeitsplatz folglich nicht immer notwendig ist.

Wo steht der Nordschwarzwald im Wettbewerb der Regionen?

Die Region hat ein enormes Potenzial. Dabei stehen wir weniger im Wettbewerb mit anderen Regionen. Vielmehr gilt es, die schon bestehende Zusammenarbeit weiter auszubauen. Denn im Wettbewerb stehen wir vor allem mit dem Silicon Valley und China. Bei der Bildung von Clustern, also von Netzwerken, in denen Produzenten, Zulieferer, Forschungseinrichtungen, Dienstleistern, Handwerkern und anderen Institutionen, zusammenfinden, müssen wir über die Region hinaus viel größer denken.

Die Fragen stellte Alfred Verstl