Syrien hat dem russischen Vorschlag zur Kontrolle seiner Chemiewaffen zugestimmt. Das sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallim (Foto) am Dienstag in Moskau bei einem Treffen mit Parlamentschef Sergej Naryschkin. Foto: dpa

Kommt es nach den US-Drohungen mit einem Militärschlag jetzt doch zu einer politischen Konfliktlösung in Syrien? Moskau und Damaskus arbeiten nach eigenen Angaben an einem konkreten Plan, die syrischen Chemiewaffen unschädlich zu machen. Doch die Skepsis bleibt.

Washington/Moskau - Nach der russischen Initiative für eine Beseitigung der Chemiewaffen in Syrien gibt es neue Hoffnung auf eine diplomatische Lösung des Konfliktes. Der Vorschlag Moskaus, der auf eine Kontrolle und spätere Vernichtung der syrischen Chemiewaffen abzielt, stieß am Dienstag international auf ein positives Echo. Syriens Außenminister Walid al-Muallim, der den russischen Vorschlag zunächst nur begrüßt hatte, stimmte nach Berichten russischer Medien am Dienstag einer Kontrolle der syrischen Chemiewaffen zu.

US-Präsident Barack Obama sprach in Interviews mit mehreren US-Sendern von einer „potenziell positiven Entwicklung“ und einem möglichen Durchbruch. Zugleich betonte der Präsident, der in der Nacht zum Mittwoch (MESZ) eine Rede an die Nation halten wollte, der syrischen Präsident Baschar al-Assad müsse zeigen, dass er es ernst meine. „Wir wollen keine Hinhaltetaktik.“ Ähnlich äußerten sich die Bundesregierung und mehrere europäische Länder wie Frankreich und Großbritannien.

Der französische Außenminister Laurent Fabius kündigte an, Paris werde dem UN-Sicherheitsrat noch am Dienstag den Entwurf für eine neue Syrien-Resolution vorlegen. Der Text werde den russischen Vorschlag aufgreifen, für den Fall der Nichtbeachtung aber auch Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen festschreiben. Auch China, das als eine der fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat bisher zusammen mit Russland ein härteres Vorgehen gegen das Assad-Regime verhindert hatte, signalisierte Zustimmung zum Vorschlag Moskaus.

Russland will nach Angaben von Außenminister Sergej Lawrow gemeinsam mit Damaskus einen Plan zur Chemiewaffenkontrolle in Syrien ausarbeiten und diesen in Kürze der internationalen Gemeinschaft vorstellen. „Wir bereiten konkrete Vorschläge in der Form eines Plans vor“, sagte Lawrow.

US-Senat verschiebt Probeabstimmung

Die syrische Opposition reagierte ablehnend. Der Vorschlag Russlands biete Assad nur eine neue Möglichkeit, Zeit zu schinden und noch mehr Menschen zu töten. Kriegsverbrechen müssten bestraft werden. „Es reicht nicht aus, wenn der Verbrecher einfach nur die Tatwaffe übergibt“, erklärte die Nationale Syrische Allianz.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte den Vorschlag Moskaus, drang aber darauf, nun schnell konkrete Schritte folgen zu lassen. „Wir sind nicht naiv, für uns zählen nur Taten.“ Eine deutsche Beteiligung an der Vernichtung der Giftgasbestände halte er für möglich. „Wir haben bei der Vernichtung von Chemiewaffen erhebliche Erfahrung und auch entsprechende Programme“, sagte Westerwelle am Dienstag in Berlin. Auch die Europäische Union erklärte sich grundsätzlich bereit, bei der möglichen Kontrolle und Beseitigung syrischer Chemiewaffen mitzuwirken.

Der US-Senat verschob eine für diesen Mittwoch angesetzte Probeabstimmung über einen möglichen Militärschlag. Er wolle dem Präsidenten mehr Zeit geben, das Volk über die Vorgänge zu informieren, sagte der demokratische Mehrheitsführer Harry Reid. Obama hatte zuvor eingeräumt, er sei derzeit nicht zuversichtlich, im Kongress die Mehrheit für einen Angriff gegen Syrien zu erhalten. Der einflussreiche republikanische Senator John McCain äußerte in US-Fernsehinterviews Zweifel, dass der russische Plan zum Erfolg führt. Aber zugleich sagte er, dass es ein Fehler wäre, diesen Weg nicht zu verfolgen.

Die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts beflügelte am Dienstag auch den deutschen Aktienmarkt. Der Dax übersprang bis zum Nachmittag die Marke von 8400 Zählern und stand zuletzt mit 1,87 Prozent im Plus bei 8431 Punkten. „Mit dem hinausgezögerten, wenn nicht sogar abgesagten Militärschlag auf Syrien verliert ein kaum einzuschätzendes geopolitisches Risiko an Bedeutung“, sagte Marktexperte Robert Halver von der Baader Bank.