2012 erklärte so manch einer Jochen Scherzinger für verrückt, als er im Hübschental im tiefsten Schwarzwald ein Modelabel gründete. Doch der Erfolg gab ihm recht: Sein Label ARTWOOD ist heute auch weit über die Grenzen des Schwarzwalds hinaus bekannt und der Online-Shop zum Selbstläufer geworden.
Im kleinen Hübschental im Schwarzwald – knapp 1000 Meter über Meer – gründete Jochen Scherzinger, der von den Medien schnell als Schwarzwälder Ausnahmekünstler betitelt wurde, vor 13 Jahren sein Modelabel ARTWOOD.
In seinem Online-Shop gibt es neben T-Shirts, Hoodies, Tops und Taschen auch Kunstdrucke, Leinwände und Kissenbezüge, die allesamt Jochen Scherzingers einmalige Handschrift tragen.
Die Frage, wie er auf seine Ideen kommt, kann er wie aus der Pistole geschossen beantworten. „Meine Ideen fliegen mir nicht auf der Couch zu – ich muss raus, aktiv sein, am besten in den Wald oder an irgendetwas werkeln“, erzählt der Kreativkünstler und ergänzt: „Oder allein im Auto mit der richtigen Musik durch den Schwarzwald fahren.“ Seine Kreativität schöpft Jochen Scherzinger in erster Linie aus seiner Heimatverbundenheit.
Inspirationsquelle: die Heimat
Im Hübschental ist der 43-jährige Künstler und Designer aufgewachsen, lebt dort in seinem 1881 erbauten Elternhaus, dessen Untergeschoss er den Sommer über auch an Urlauber vermietet. Sein Onkel war einer der ersten bekannten Schwarzwald-Fotografen, der auch ein einmaliges Archiv alter Fotografien pflegte.
„Die Aufnahmen, teilweise aus den 1880er-Jahren, sind für mich eine unendliche Inspirationsquelle, die mir quasi exklusiv zur Verfügung steht und aus der ich immer wieder Ideen schöpfen kann.“
Dabei ging sein Karrierestart nach der Schule erst in eine ganz andere Richtung. „Damals machte man einfach aus dem Bauch heraus das, was der Vater gemacht hat“, denkt er zurück. Sein Vater war Ingenieur mit einem kleinen Konstruktionsbüro zuhause. Also absolvierte Jochen Scherzinger nach der Schule eine Ausbildung zum Mechaniker in Furtwangen.
Kulturschock Großstadt und Rückkehr in die Heimat
„Tief im Inneren habe ich schon damals gewusst, dass das nicht mein Weg sein wird. Mit 26 bin ich deshalb nach Mannheim gezogen und habe dort Modedesign studiert.“ Um den Kulturschock Großstadt in Grenzen zu halten, zog er nach Mannheim-Neckarau mit einem Waldstück in der unmittelbaren Nähe.
Zum Modedesign-Studium habe ihn sein Faible für „Klamotten aller Art“ bewegt. Seien es moderne Schnitte oder der traditionelle Schäferkittel des Urgroßvaters – die starke Affinität zur Mode bewegte ihn dazu, seinen großen Traum zu verwirklichen.
Schon zu Beginn des Studiums war klar, dass er sich selbstständig machen wollte. Nach einem Praktikum bei „Naketano“ setzte er sein Ziel direkt nach der Rückkehr ins Hübschental in die Tat um. „Manch einer – und ehrlich gesagt auch ich selbst – würde von mir behaupten, dass ich ein wenig speziell und chaotisch bin – aber genau das nutze ich als meine Superkraft“, reflektiert er. Überhaupt sei er ein Meister der Selbstreflexion, was stellenweise auch ganz schön anstrengend sein könne.
Doch Stillstand sei nie eine Option. So arbeite er derzeit an neuen Projekten und Ideen: „All die Herausforderungen, denen ich mich in der Vergangenheit stellen musste, nehme ich als Ansporn, wieder Neues zu schaffen. Die Kunst und das Tun sind für mich schon immer eine Art Selbst-Therapie gewesen.“
Und jetzt? Neue Wege für die Zukunft
Zuletzt ging der Künstler eine Kooperation mit der Waldkircher Firma StickStoff GmbH ein. „Mit der Kooperation habe ich mir den nötigen Freiraum erarbeitet, wieder verstärkt kreativ zu sein und meiner eigentlichen Leidenschaft nachzugehen. Büro- und Verwaltungsarbeiten waren – manch einer hat es sicher vermutet – noch nie mein Ding“, schmunzelt er.
Die Frage, ob sich die künstlerische Adaption von Schwarzwald-Motiven nicht irgendwann totlaufen werde, kann er klar verneinen: „Motive wie den Bollenhut und die Kuckucksuhr wird es immer geben. Sie gehören unwiederbringlich zum Schwarzwald dazu und wir werden sie deshalb auch immer in Verbindung mit unserer Heimat sehen und in die Kunst einbinden.“
Neben Designs und künstlerischem Schaffen betreibt Jochen Scherzinger außerdem drei Campingstellplätze in seiner schönen Heimat und auch hier ist Wachstum angesagt: In naher Zukunft sollen es fünf werden.