In Stein bei Hechingen betrieben die Römer bis etwa zum Jahr 230 einen großen Gutshof. Wer sie waren, warum sie die Anlage aufgaben, warum dieser Gutshof so groß war und einen Tempelbezirk hatte, darüber ist noch wenig bekannt. Archäologen haben nun einen kleinen Fortschritt erzielt.
Thomas Schlipf, ehemaliger Mitarbeiter des archäologischen Landesamts, ist seit seiner Pensionierung vor einigen Jahren eine wichtige Stütze in Stein bei der wissenschaftlichen Begleitung und Aufarbeitung der Ausgrabungen. Er arbeitet auch weiterhin eng mit der Behörde zusammen. In der Hauptversammlung des Römervereins hat er nun über jüngste Erkenntnisse einen Vortrag gehalten.
Was haben die jüngsten Untersuchungen gebracht? Bislang war unklar, wie viele Bauphasen die Anlage erlebt hat. Das konnte nun anhand der akribischen Auswertung von Funden, darunter Werkzeuge und Keramik, weitgehend geklärt werden. Mittlerweile gibt es Pläne nach wissenschaftlichen Anforderungen, in denen jedes Haus der Anlage genau datiert ist.
Wann wurde die Anlage in Stein gebaut? In der Zeit zwischen 120 und 130 nach Christus. Da hatten die Römer das Gebiet militärisch erobert und gesichert, erste Straßen waren gebaut. Danach begann die Besiedelung des Gebiets und die Urbarmachung landwirtschaftlicher Flächen. Das zentrale Gebäude des Gutshofs wurde von Anfang an als Steingebäude erstellt. Und die Umfassungsmauer umschloss gleich zu Beginn die größte Fläche, wurde dann im Lauf der Geschichte immer weiter zurückgesetzt. Es wurden immer wieder weitere Nebengebäude erstellt, zwischen 150 und 190 nach Christus auch ein Tempelbezirk, wie er in kaum einem Gutshof so groß zu finden ist.
Wie lange war der Gutshof in Betrieb? Die letzte Keramik auf der Anlage stammt aus der Zeit zwischen 220 und 230. Das ist interessant, weil es zu dieser Zeit zwar schon Unsicherheiten durch eindringende Alemannen gab. Endgültig aufgegeben wurde die Region durch die Römer aber erst um 260 nach Christus. Die Römer konzentrierten sich danach auf die Sicherung der Donau als Grenze.
Warum wurde der Gutshof immer wieder verkleinert und schließlich aufgegeben? Das müsse nicht direkt mit Überfällen zusammenhängen, erklärt Thomas Schlipf. Möglicherweise habe sich die Wirtschaftsweise verändert und solche Gutshöfe seien nicht mehr rentabel gewesen. Möglicherweise habe auch damals schon ein Arbeitskräftemangel geherrscht, sodass solche Großanlagen nicht in Betrieb gehalten werden konnten. Auch andere Faktoren kämen in Frage. Das seien alles Spekulationen. Im Grunde sei das wie in heutiger Zeit. „Warum schließt ein Einkaufszentrum oder ein Laden?“, das habe ja meist mehrere Gründe und sei nicht mit gewaltsamen Ereignissen zu erklären.
Was wurde zuletzt ausgegraben? Die vergangenen drei Jahre wurde ein Gelände oben an der ehemaligen nördlichen Umfassungsmauer großflächig freigelegt. Hier war eine Bleifassung für eine Metallverbindung zwischen großen Steinblöcken gefunden worden und ein so genanntes „Kapitel“, ein Steinstück, das vermutlich einst Teil einer großen Säule war. Beides Dinge, die für einen Gutshof ungewöhnlich seien. Das hätten Hinweise auf ein großes Gebäude sein können. Das wurde dann zwar nicht gefunden, aber Gerd Schollian gelang der Fund eines Stücks eines klassischen antiken Gesimses, wie es in Italien oft an Tempeln verbaut wurde. Was das in Stein bedeutet, ist bislang unklar. Bei der Grabung wurde aber ein großes Stück der Umfassungsmauer samt Reste eines Tors freigelegt. Und es wurde festgestellt, dass diese Mauer im 5. oder 6. Jahrhundert durch eine sehr langsame Hangrutschung seine zunächst unerklärlich ausgebuchtete Form erhalten hat.
Ist die Anlage nun ganz ausgegraben? Bei weitem nicht, so Thomas Schlipf. Man habe auf dem Gelände in Stein immer sehr punktuell gearbeitet und nur knapp um entdeckte Gebäude herum den Boden untersucht. Es gebe dazwischen aber noch viele Freiflächen, wo der Untergrund noch nicht untersucht wurde. Gerd Schollian ist überzeugt, dass man unterhalb des Hauptgebäude suchen sollte. Wenn die Mauern nach unten umgefallen wären, müssten die großen Steine ja irgendwo hangabwärts liegen. Ob das stimmt oder nicht, können nur künftige Ausgrabungen zeigen.