Bademeister ist ein Ausbildungsberuf, der einen Mangel an Bewerbern beklagt. Foto: dpa

Die zwölf Industrie- und Handelskammern und die acht Handwerkskammern im Land verzeichnen Zuwächse. Die Integration von Flüchtlingen kommt allerdings nur schleppend voran.

Stuttgart - Von Azubi-Mangel kann am Donnerstagmorgen vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Stuttgart keine Rede sein. Zu mehreren Dutzend stehen schick bekleidete junge Männer und Frauen vor dem Gebäude. Die Telekom begrüßt feierlich ihre Lehrlinge. Eine Etage weiter oben legt die IHK derweil ihre Zahlen zum Ausbildungsstart vor. 40 600 junge Menschen haben zum 1. September ihre Ausbildung in einem baden-württembergischen Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsbetrieb begonnen, rund 400 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Auch in der Region Stuttgart ist die Zahl angestiegen, um 150 auf 9550.

„Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich weiterhin leicht entspannt“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter. Vor allem kleinere Betriebe hätten jedoch nach wie vor Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Noch würden die Schulabgängerzahlen stagnieren, doch mittelfristig rechne man mit einem erheblichen Rückgang: Während in diesem Jahr noch rund 170 000 Jungen und Mädchen in Baden-Württemberg die Schule beendet haben, sinkt deren Zahl laut Prognosen des Statistischen Landesamtes bis 2025 um 11,5 Prozent auf 150 000. „Die Unternehmen müssen sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren“, sagte Richter. Die Bemühungen der Betriebe, passende Bewerber zu finden, seien noch nie so stark wie heute gewesen.

Anteil der Abiturienten deutlich angestiegen

Die IHK-Berufe profitieren allerdings seit mehreren Jahren von steigenden Abiturientenzahlen in der Lehre. Seit 2013 ist der Anteil der Azubis mit Hochschulreife von 28 auf 36 Prozent gestiegen. Ebenfalls mit einem Anstieg der Abiturientenquote, allerdings auf niedrigerem Niveau von zwölf auf 13 Prozent, rechnet der Baden-Württembergische Handwerkskammertag. Die acht Handwerkskammern im Land zählten bis Anfang August 13 000 neue Lehrverhältnisse, 5,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Bis Jahresende erwartet Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold mehr als 20 000 neu geschlossene Verträge – es wäre der dritte Anstieg in Folge.

Mit einem Plus von 2,2 Prozent auf 3568 neue Azubis fiel der Anstieg bei der Handwerkskammer Region Stuttgart geringer als im Land aus. „Durch die starke Konkurrenz der Industrie fällt es Handwerkern in der Landeshauptstadt traditionell schwerer, Azubis zu finden“, erklärt ein Sprecher.

Bei den IHK-Berufen ist der Personalbedarf erfahrungsgemäß im Handel sowie im Hotel- und Gastronomiegewerbe am größten. Bis Ende August verzeichneten beide Branchen einen leichten Anstieg der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse, im Handel auf 8650, in Hotel und Gastronomie auf 2300. Rückläufig ist dagegen die Zahl der Bankkaufleute: Der Personalabbau bei den Kreditinstituten schlägt auch auf die Lehrstellen durch. So ist die Zahl der neuen Lehrlinge von rund 2150 auf 1700 gesunken.

Noch gebe es viele freie Stellen, nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit derzeit rund 21 400, die meisten im Gastgewerbe, im Handel und in der IT-Branche. Dem stehen 12 500 unversorgte Bewerber gegenüber. Sie, aber auch Studienabbrecher könnten noch bis zum Jahresende eine Ausbildung aufnehmen, sagte IHK-Chef Richter.

Ziel von Wirtschaftsminister Schmid deutlich verfehlt

Ein besonderes Augenmerk galt in diesem Jahr der Frage, wie viele Flüchtlinge in den Ausbildungsmarkt integriert werden können. Schließlich hat der damalige Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) im November vergangenen Jahres angekündigt, dass in diesem Lehrjahr rund 1000 Neuankömmlinge eine Ausbildung in baden-württembergischen Betrieben beginnen sollen. Die Zahl der Flüchtlinge, die tatsächlich eine Lehre beginnen, ist allerdings wesentlich geringer. „Nach aktuellem Stand unserer Statistik beginnen rund 270 junge Flüchtlinge eine Ausbildung ab Herbst 2016“, sagte ein Sprecher der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, unserer Zeitung.

Der Hauptgrund, warum sie nicht mehr Flüchtlinge einstellen, ist laut den Unternehmen, dass die Deutschkenntnisse nicht ausreichen. Nach Ansicht der Regionaldirektion sind allerdings 800 junge Flüchtlinge ausbildungsgeeignet und ausbildungswillig – nicht nur 270.

IHK-Chef Andreas Richter rechnet erst für 2018 mit einem deutlichen Anstieg bei ausländischen Lehrlingen. Im Bereich der IHKs würden mehrere Ansätze verfolgt, um Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen. So seien beispielsweise 37,5 sogenannte Kümmerer-Stellen im Land eingerichtet worden, elf davon bei den IHKs. Sie unterstützen die Flüchtlinge bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, Behördengängen und Bewerbungen und vermitteln sie in Praktika und Ausbildungsstellen.