Wie sieht der Alltag eines Justizbeamten-Azubis aus? F. Streb berichtet von seinen Herausforderungen und Erlebnissen in der JVA Rottenburg. Er erzählt, wie er es schafft, seine Gefühle rauszuhalten und als junger Mensch mit schwersten Straftätern umzugehen.
Hinter den hohen Mauern und stählernen Türen der Rottenburger Justizvollzugsanstalt (JVA) verbirgt sich eine Welt, die für die meisten Menschen verborgen bleibt. Für F. Streb wurde diese Welt zum Alltag.
Er macht die Ausbildung zum Justizvollzugsbeamten und erzählt, zusammen mit Ausbildungsleiter Herr Nolte und Anstaltsleiter Matthias Weckerle, von den intensiven Momenten, den Herausforderungen und den Begegnungen, die seinen Alltag in der JVA prägen.
Was hat Sie dazu bewegt, eine Ausbildung in der JVA zu beginnen?
Streb: Ich hatte einen Bekannten, der hier gearbeitet hat und immer wieder von seinem Beruf erzählt hat. Ich fand auch immer das Ungewisse spannend, was hinter den Mauern passiert. Nach der Schule wollte ich es mir hier unbedingt einmal anschauen. Ich habe dann ein Jahr als Angestellter gearbeitet und mich danach für die Ausbildung entschieden.
Wissen Sie noch, wie es war, zum ersten Mal in der Anstalt bei den Insassen zu sein?
Streb: Es war eine komplette Reizüberflutung. Man wurde erstmal von allen angeschaut, von den Gefangenen und auch von den Kollegen. Und dann ist man ja auch einfach eingesperrt und hat während der Phase des Auswahl- und Einstellungsverfahrens auch noch keinen Schlüssel. Ich war vollkommen auf die Kollegen angewiesen.
Welche Aufgaben übernehmen Sie während der Ausbildung?
Streb: Neben der Schule durchläuft man in der Ausbildung alle Bereiche und arbeitet dort auch richtig mit. Nach den ersten Theoriephasen ist man teilweise auch schon alleine unterwegs und für verschiedene Bereiche zuständig. Man ist bei den Gefangenen in den Häusern, überwacht die Besuche, wirkt bei der Freizeitgestaltung der Gefangenen mit oder begleitet sie zu Gerichtsverhandlungen oder zum Arzt.
Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie während der Ausbildung begegnen?
Streb: Das Schwierigste ist es, sich einen Ruf zu verschaffen und zu lernen, wie man mit den Gefangenen umgehen soll. Auch wie man mit ihnen spricht. Ich habe mir da viel von Kollegen abgeschaut und mir das rausgepickt, was für mich am besten passt und so meinen eigenen Stil entwickelt. Viele Gefangene sind ja auch älter als ich, sich da durchzusetzen, war zu Beginn schon herausfordernd.
Haben Sie schonmal gefährliche Situationen erlebt?
Streb: Ich selbst habe noch keine gegen mich gerichtete gefährliche Situation erlebt. Aber der Respekt vor den Situationen, mit denen man konfrontiert wird, ist immer da. Man muss auch mit dem Ton klarkommen. Beleidigungen sind der normale Umgangston, die muss man aushalten können und darf sich nicht provozieren lassen.
Weckerle: Gezielte Angriffe auf Beamte sind ganz selten. Vor allem gibt es unter den Häftlingen Angriffe. Dann müssen wir natürlich eingreifen und körperlich werden. Dass da was passiert ist wahrscheinlicher, als dass wir selbst angegriffen werden. Man muss einfach sehen, dass hier Männer zusammenleben, die Aggressionsprobleme haben und diese treffen immer wieder aufeinander. Brenzlig wird es für uns eher, wenn wir Entscheidungen treffen, die den Häftlingen nicht passen. Wenn der Häftling zum Beispiel mehr Freiheiten möchte, wir diese ihm aber nicht geben können. Dann ist es wichtig, Grenzen zu setzen und auf die Reaktionen zu reagieren.
Gibt es einen Moment, der Sie am meisten geprägt hat?
Streb: Einen konkreten Moment gibt es für mich bis jetzt noch nicht. Aber ich finde es immer besonders, wenn ich Positives von den Gefangenen mitbekomme. Wenn sie sagen, dass es mit mir gut funktioniert oder ich draußen einen treffe, der es geschafft hat, sich zu verändern.
Weckerle: Es ist hier auch immer ein Erfolg, wenn nichts passiert, deswegen fällt es auch eher auf, wenn was mal nicht gut läuft.
Wie schaffen Sie es im Umgang mit den Gefangenen Ihre Gefühle rauszuhalten, egal, was sie verbrochen haben?
Streb: Ich setze mich mit den Straftaten nicht auseinander. Wenn ich das machen würde, dann könnte ich die Gefühle auch nicht mehr raushalten. Ich bin nicht dafür da, die Männer zu verurteilen. Die nötige Distanz ist echt wichtig, wenn man diese nicht bewahrt, ist man auch unseriös und falsch in dem Job. Ich denke, man muss die Straftaten ein Stück weit verdrängen und nicht an sich ran lassen.
Weckerle: Oft sind die, die ganz schwere Taten wie Tötungsdelikte oder Kindesmissbrauch begangen haben, gar nicht die Schwierigen. Der Umgang mit psychisch- oder suchtkranken Insassen ist oft viel herausfordernder. Man kann das Verhalten der Männer nicht nach ihren Taten sortieren.
Nolte: Wenn wir den Häftlingen mit Respekt begegnen, dann helfen sie uns auch. Wenn zum Beispiel einer mit psychischen Störungen durchdreht, helfen andere auch den Beamten, wenn sie von diesen respektvoll behandelt wurden.
Hätten Sie sich die Ausbildung und Arbeit anders vorgestellt?
Streb: Es ist auf jeden Fall ganz anders, als in den ganzen Filmen und Serien. Wir arbeiten mit den Gefangenen und nicht gegen sie. Die Ausbildung ist auch deutlich vielfältiger, als ich dachte. Man bekommt aus allen Bereichen etwas mit und lernt auch für sich selbst viel. Es gibt auch immer wieder schwierige Situationen, an denen man selbst wächst.
Wenn Sie etwas im Justizsystem ändern könnten, was wäre das?
Streb: Ich würde mir wünschen, dass wir individueller auf die Gefangenen eingehen könnten.
Weckerle: Ja, die Kapazität fehlt uns leider, dass wir die vielen verschiedenen Typen individueller betrachten können. Vor allem bei psychisch kranken oder traumatisierten Männern ist die Freiheitsberaubung nicht gerade hilfreich. Hier wäre es wichtig, individueller arbeiten zu können. Die Angebote sollen auch weiter ausgebaut werden.
Was würden Sie jemandem raten, der eine Ausbildung in der JVA anstrebt und welche wichtigen Eigenschaften bräuchte man dafür?
Streb: Ich habe jetzt zwar auch noch nicht so viel davon, aber Lebenserfahrung ist hilfreich. Man muss einen sicheren Stand im Leben haben, man arbeitet ja mit erwachsenen Menschen zusammen und möchte diesen helfen. Dann ist glaube ich auch der Respekt vor dem Job und den Insassen sehr bedeutsam. Vor allem darf man kein Einzelkämpfer sein, die Zusammenarbeit und das Vertrauen unter den Kollegen ist sehr wichtig.
Nolte: Wenn man es langweilig haben möchte, ist das der falsche Beruf. Man braucht Empathie, Durchsetzungsvermögen und Teamfähigkeit. Man hat hier auch nie alles gesehen, auch ich entdecke und erlebe immer wieder neue Situationen. Im August und September stehen nun Strebs Prüfungen an. Danach möchte er gerne in Rottenburg bleiben. „Am liebsten in einem der goßen Hafthäuser des Regelvollzugs. Die Arbeit dort wird nie langweilig und man erlebt jeden Tag etwas anderes.“
So läuft die Ausbildung ab
Die Ausbildung
„Im Regelfall beginnt man als Angestellter. In diesem Jahr ist man erstmal vier Wochen mit einem erfahrenen Kollegen unterwegs, daraufhin folgt ein interner Kurs mit den rechtlichen und praktischen Grundlagen. Danach ist man in der Anstalt einsetzbar. Wenn man dann in die Ausbildung übernommen wird, fängt die richtige Schule an. Zu Beginn ist man drei Monate in der Schule und hat verschiedene vollzugsrelevante Fächer wie Rechtskunde, Kriminologie, Strafvollzug oder auch Zeitgeschehen, Psychologie und soziale Kompetenz. Darauf folgt ein Jahr Praxis und anschließend ein halbjähriger Abschlusslehrgang und zum Schluss die Prüfungen“, erzählt Streb.