Mit solchen Tablets führen Erhebungsbeauftragte die Befragung vor Ort durch. Foto: picture alliance/dpa/Daniel Karmann

Knapp ein Drittel der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg zweifeln an ihrem Ergebnis der Bevölkerungserhebung. Für sie geht es ums Geld, denn an der Einwohnerzahl hängen Mittel aus dem Finanzausgleich. Haben ihre Beschwerden Erfolg?

Knapp ein Drittel der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg halten die für sie ermittelten Bevölkerungszahlen beim Zensus 2022 für falsch. Bis Mitte November haben laut Städtetag 334 der 1101 Städte und Gemeinden Widerspruch gegen den Bescheid zur Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen eingelegt. „Uns überrascht die hohe Zahl der Widersprüche“, sagte der zuständige Dezernent beim Städtetag, Norbert Brugger, unserer Zeitung. Selbst wenn man davon ausgehe, dass manche Widersprüche nur einer Fristverlängerung gedient haben, sei die Zahl hoch.

 

Es geht um Mittel aus dem Finanzausgleich

Für die Städte und Gemeinden im Land geht es ums Geld. Denn von der Einwohnerzahl hängt ab, wie viel Geld sie über den Finanzausgleich erhalten. Die Kommunen fürchten ab 2025 teils heftige Rückgänge bei den sogenannten Schlüsselzuweisungen. Denn der Zensus 2022 hat für einige Städte und Gemeinden wie Stuttgart oder deutlich weniger Einwohner als bislang gedacht ergeben. Das kann massive Folgen haben: „Eine Stadt wie Mannheim beispielsweise hat durch den vorherigen Zensus 2011 über die vergangenen zehn Jahre 200 Millionen Euro weniger bekommen, weil 2011 ein Bevölkerungsrückgang von 7,6 Prozent festgestellt wurde“, so Brugger.

Dabei hatten die Statistiker bereits nachgebessert. 2022 seien die Stichproben für die Bevölkerungserhebung um etwa 50 Prozent größer gewesen. Außerdem wurden auch Kommunen mit weniger als 10?000 Einwohnern einbezogen. Der weitere Kreis von Kommunen könne auch ein Grund dafür sein, dass die Zahl der Widersprüche gestiegen sei, weil „für viele dieser Kommunen nicht akzeptabel sind“, so Brugger. Wie gut die Stichprobe sei, hänge davon ab, wie die Ehrenamtlichen, die die Daten erheben, arbeiten. „Es können wieder Fehler passiert sein. Deshalb ist gut, dass die Frist für die Begründung der Widersprüche bis 30. April verlängert wurde.“

Beim Statistischen Landesamt, an das sich die Widersprüche wenden, reagiert man indessen gelassen. Die Begründungen lägen zwar noch nicht vor. Man halte die Erfolgsaussichten der Widersprüche gegen den Bescheid zur Feststellung der Einwohnerzahlen für gering. Beim Zensus 2011 seien 373 Widersprüche eingelegt worden. Von den 146 Klagen, die erhoben wurden, war lediglich eine erfolgreich.

Bisherige Klagen hatten kaum Erfolg

142 Klagen mussten nach dem zurückgenommen werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht geurteilt hatte, dass der Zensus 2011 verfassungsmäßig sei. Drei Klagen wurden von vorne herein abgewiesen.

Die Auswirkungen des Zensus sind teils unterschiedlich. Das Land etwa hatte von den veränderten Einwohnerzahlen im Finanzausgleich profitiert. Es kann mit Mehreinnahmen von 150 Millionen Euro rechnen.