Corona und seine Folgen im Amtsgericht Freudenstadt: Amtsgerichtsdirektor Rainer Graf-Frank verbannte einen Angeklagten aus dem Gerichtssaal, weil dieser kürzlich ein Corona-Risikogebiet besucht hatte. Die Anklage dreht sich um einen bizarren Deal. (Symbolbild) Foto: Ebner

Rechtsanwalt steht wegen Veruntreuung von Mandantengeldern vor Gericht. Wegen Quarantäne-Pflicht aus Saal verbannt. 

Freudenstadt - Corona und seine Folgen im Amtsgericht Freudenstadt: Amtsgerichtsdirektor Rainer Graf-Frank verbannte einen Angeklagten aus dem Gerichtssaal, weil dieser kürzlich ein Corona-Risikogebiet besucht hatte.

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"Der Beschuldigte wird von der Hauptverhandlung ausgeschlossen", so das Gericht. "Ich habe ihn jetzt in Quarantäne geschickt", erwiderte Verteidiger Claus Unger nach dem Beschluss. Erst vor wenigen Tagen sei sein Mandant noch durch Frankreich gefahren, das bereits seit längerem als Risikogebiet gilt, so der Anwalt weiter.

Richter Graf-Frank stellt klar: Dass der Angeklagte von der Verhandlung ausgeschlossen wird, sei ganz und gar selbstverschuldet. Mehr noch: Der Beschuldigte hätte zur Hauptverhandlung "erst gar nicht erscheinen dürfen". Auch sonst ist der bereits seit längerem laufende Prozess nicht gerade ein alltägliches Verfahren.

Angeklagter nimmt keine Stellung

Bei dem Angeklagten handelt sich um einen Rechtsanwalt, von dem man sozusagen besonders penible Gesetzestreue erwarten könnte. Die Anklagte lautet auf Veruntreuung von Geldern, die für seine Mandanten bestimmt gewesen waren. Alles in allem geht es um Beträge und Werte in fünfstelliger Höhe.

Bei der Anklageverlesung hatte der im Raum Freudenstadt ansässige Anwalt es vorgezogen, zu den Vorwürfen nicht Stellung zu nehmen. Licht in die Vorwürfe brachte die Zeugenaussage eines Polizeibeamten, der in dem Fall ermittelt hatte. Im Mittelpunkt steht eine heute 91 Jahre alte Frau aus Singen, die dem Anwalt eine Versorgungsvollmacht übergeben habe, so der Beamte. Diese Generalvollmacht habe der Angeklagte ganz offenbar schamlos ausgenutzt: So habe er das Haus der Witwe für einen "Spottpreis" von lediglich 60.000 Euro verkauft. Zudem: Das Haus samt großzügigem Grundstück sei an die Ehefrau des Anwalts verkauft worden, die das Geld wiederum auf ein Treuhandkonto des Ehemanns weitergeleitet habe.

Bizarrer Deal fliegt auf

Erste Hinweise auf den bizarren Deal seien von der Stadt Singen gekommen, sagte der Polizeibeamte vor Gericht. Tatsächlich, so der Kriminalbeamte weiter, handelte es sich bei der Immobilie um ein gut erhaltenes, gepflegtes Haus mit einem großzügigen Grundstück.

Die Frau sei aus allen Wolken gefallen, als ihr Anwalt sie vom Verkauf unterrichtet habe, sie habe das Gefühl gehabt, sie sei übers Ohr gehauen worden, schilderte der Polizeibeamte weiter. Die alte, aber geistig noch klare Frau habe erklärt, sie habe dem Anwalt zu keinem Zeitpunkt eine Anweisung zum Verkauf des Hauses erteilt. Die Stadt, so der Beamte vor Gericht, habe in einem Gutachten einen Wert von rund 310.000 Euro für das Haus ermittelt.

Zunächst habe die alte Dame den Eindruck gewonnen, ihr Anwalt sei "ein feiner Mann", nach dem Schock über den Verkauf sei sie jedoch tief enttäuscht gewesen. "Sie konnte aber offenbar die Energie nicht aufbringen, sich dagegen zu wehren", schilderte der Polizist. Als die Witwe dem Anwalt die Generalvollmacht entzogen habe, sei es bereits zu spät gewesen.

Auch in einem zweiten Fall, so der Polizeizeuge weiter, habe der Anwalt ganz offenbar größere Geldsummen veruntreut. Es handle sich um eine Erbstreitigkeit. Dabei gehe es um eine Zahlung in Höhe von 300 000 Euro, die der beschuldigte Rechtsanwalt teilweise gar nicht oder nur stark verzögert an seinen derzeit in Thailand lebenden Mandanten weitergeleitet habe. Der Beschuldigte habe das Geld offenbar zum Begleichen eigener Verbindlichkeiten missbraucht. Die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten "sehen nicht gerade rosig aus", hieß es zur Erklärung. Bis zu einem Urteil dürfte es allerdings noch einige Zeit dauern: Richter Graf-Frank hat drei weitere Prozesstage vorgemerkt.