Der Scanner tastet die Oberfläche der Skulptur ab und gibt die Daten an den PC. Foto: Hildebrand

Die Madonna für die Predigerkirche kann endlich geschnitzt werden Die Figur wurde für eine Kopie aus dem 3D-Drucker gescannt.

Rottweil - Ein Höhepunkt der gelebten Ökumene in Rottweil war während der Renovierung des Münsters 2016/17 die Aufnahme der Madonna von der Augenwende in der Predigerkirche. Bis zur Säkularisation 1803 stand diese Madonna auf dem Tabernakel des Hochaltars. Als nun die Madonnenskulptur anstatt des bisherigen großen Kruzifixus wieder dort stand wurde vielen evangelischen Christen klar, dass diese Figur dort hin gehört. Der frühere Pfarrer der Predigerkirche, Marcus Keinath, nannte sie einmal den Schlüssel zum Verständnis des Bildprogramms der Kirche.

Und so hat der evangelische Kirchengemeinderat beschlossen, dass eine Kopie der Madonna angefertigt werden soll. Die katholische Kirchengemeinde gab ihr Einverständnis dazu und sofort wurde mit dem Sammeln von Spenden begonnen.

Lange Vorbereitungen führen endlich zum Ziel

Die Bildhauerin Andrea Wörner hat schon im Jahr 2018 den Auftrag zum Schnitzen der Madonna erhalten. Probleme machte lange Zeit das Landesdenkmalamt. Zu- und Absagen verzögerten den Beginn der Arbeiten immer wieder. Wörner legte Zeichnungen mit den gewünschten Änderungen vor. So wird nun auf die seitlichen Röhrenfalten verzichtet, die Figur wird schlanker. Die Marienfigur erhält ein Lilienzepter, das Kind einen Apfel in die Hand. Auf die Wiedergabe der Mondsichel zu Füßen der Madonna wird verzichtet.

Im Herbst 2020 kam dann auf telefonische Nachfrage endlich die Mitteilung, dass der Entwurf aus Sicht des Landesdenkmalamtes weiterverfolgt werden könne. Die Madonna sollte aber nicht mit in die Werkstatt der Bildhauerin genommen werden. Die Einrichtung eines Arbeitsplatzes vor dem Marienaltar kam auch nicht in Frage. So wurde schließlich entschieden, die Madonna zu scannen und ein Duplikat aus dem 3D-Drucker als Vorlage zu schaffen. Ein weiteres Problem verzögerte den Beginn. Die glänzende Oberfläche der Polimentvergoldung könnte dazu führen, dass der Laser von Glanzpunkten irritiert werde und Punkte falsch berechne, der 3D-Druck also nicht mehr stimmen könnte. Nach langem Hin und Her einigte man sich auf die Verwendung eines bestimmten Sprays als Mattierungsmittel.

Nachdem auch dieser Punkt geklärt war, wurde mit allen Beteiligten ein Termin vereinbart. Das Münster war einen Vormittag geschlossen. Die Firma mit dem Scanner war angereist. Diplom-Restauratorin Alexandra Gräfin von Schwerin, die schon zwei Jahre lang bei den Renovierungsarbeiten im Münster dabei war, nahm die Madonna aus dem Altar und beaufsichtigte die weiteren Arbeiten. Das Spray musste letztlich gar nicht angewendet werden, das Gold war schon matt genug. Nachdem zahlreiche Referenzpunkte auf die Figur aufgeklebt waren, führte Dieter Kerpen von der Firma KerCon mit sicherer Hand den Stabscanner mit seinen zwei Rotlichtquellen um die Madonna herum. Beim Scan wird die Geometrie der Skulptur genau erfasst und in höchster Messqualität abgebildet. Die Madonna muss dazu nicht bewegt werden. Sie wird auch nicht berührt.

3D-Vorlage für die Schnitzarbeiten

Mit einer Genauigkeit von bis zu 0,03 mm und 480.000 Messungen pro Sekunde werden Daten ermittelt, mit denen dann das Modell im Drucker hergestellt werden kann. Allerdings hat die Firma aus Wiesbaum in der Eifel derzeit wegen der Überschwemmungs-Katastrophe keinen Strom. Wenn die 1:1-Kopie fertig ist, schnitzt Andrea Wörner in den kommenden Monaten in ihrem Atelier in Schramberg die neue Madonna aus Lindenholz – mit den geforderten Änderungen.

Dann geht endlich der Wunsch der Evangelischen Kirchengemeinde in Erfüllung und es ist in der Kirche wieder drin, was außen drauf steht. Die Zierspitze des Dachreiters auf dem kleinen Glockentürmchen zeigt nämlich seit jeher die Madonna von der Augenwende.