Bereits zum Auftakt legte der 44-jährige Angeklagte im Prozess um einen Mordfall in Rottenburg vor dem Schwurgericht in Tübingen ein Geständnis ab. (Symbolfoto) Foto: Schlesier – stock.adobe.com

Es kommt nicht eben häufig vor, dass ein wegen Mordes Angeklagter gleich zum Prozessauftakt seine Verurteilung fordert - und zwar möglichst rasch, am besten noch am ersten Prozesstag. Auch, dass der Beschuldigte Rottenburger für sich selbst lebenslängliche Haft verlangt, dürfte eine Rarität sein.

Tübingen/Rottenburg - Ein Geständnis liefert der 44-jährige Angeklagte vor dem Schwurgericht in Tübingen gleichsam nebenbei. "Dann habe ich ihr das Genick gebrochen", sagt er - und das, ohne auch nur einen Hauch von Reue erkennen zu lassen.

Vieles, was der Mann auf der Anklagebank an diesem Freitag von sich gibt, wirkt bizarr und verschroben. Richter Polachowski, der das Verfahren ruhig und souverän leitet, greift denn auch gleich ein und stellt klar, dass es in Tübingen kein Schnellverfahren geben wird. Eines wird bereits in den ersten Stunden des Verfahrens deutlich: Es dürfte schwierig werden.

Die Anklage ist kurz und klar und lautet auf Mord und Raub. Der Angeklagte habe als Pfleger in einem Mehrfamilienhaus in Rottenburg gearbeitet. Dabei lernte er eine 66-jährige Frau kennen, die ebenfalls in dem Haus wohnte. Zunächst habe er "freundschaftliche Kontakte" zu ihr unterhalten. Doch dann, am Abend des 7. Januar 2021, habe er ihr "unter Einsatz von Gewalt", so Staatsanwalt Schumann, Bargeld in unbekannter Höhe, ein Handy sowie eine EC-Karte entwendet. Mit den Fäusten habe er die Frau ins Gesicht geschlagen. Zugleich habe er die Drohung ausgestoßen: "Wenn Du die Polizei holst, bringe ich Dich um."

Frau mit den Händen gewürgt

Doch dann, nur wenige Stunden später, sei der Beschuldigte in die Wohnung der Frau zurückgekehrt: Er habe beschlossen, so Staatsanwalt Schumann weiter, "sie zu töten, um zu verhindern, dass sie seine Tat zur Anzeige bringt". Er habe die im Bett liegende Frau mit den Händen gewürgt, das Opfer sei "auf Grund von Sauerstoffmangel zu Tode gekommen". Soweit die Anklage.

Dann hat der Beschuldigte das Wort. Der aus Tschechien stammende Mann erscheint in einem roten T-Shirt mit der Aufschrift "Russia". Er trägt Trainingshosen, sein Schädel ist glatt rasiert. Er erzählt Folgendes: Die 66-Jährige habe einen jüngeren Liebhaber gehabt, "mit dem hat sie sich abgesprochen, sie wollten mein Kind kaufen". Und weiter: "Das lasse ich nicht zu, mein Kind ist kein Spielzeug", übersetzt die Dolmetscherin weiter.

"Dann habe ich ihr das Genick gebrochen"

Bereits eine gute Woche vor der Tat sei er deshalb zur Polizei gegangen und habe von den sinisteren Kauf-Absichten der Dame berichtet – doch dort habe man ihn nicht ernst genommen. Da sei er, gleichsam als letzten Versuch, zu der Frau gegangen und habe sie gefragt, ob sie die Sache mit dem Kauf seines Kindes tatsächlich ernst meine. "Ja, ich meine das ernst", habe sie geantwortet. "Damit hat das Ganze angefangen", mit den Fäusten habe er auf sie eingeschlagen, sie sei zu Boden gefallen und habe aus der Nase geblutet. "Dann habe ich sie zwei oder drei Stunden so liegen lassen." Als er in die Wohnung zurückkehrte, habe das Opfer nicht mehr geatmet. Dann, gleichsam nebenbei, folgt der Satz: "Dann habe ich ihr das Genick gebrochen."

Zugleich aber betont der Angeklagte immer wieder, dass er nichts gestohlen habe. "Ich habe absolut nichts entwendet" – das scheint ihm sehr wichtig zu sein. Er habe vor der Tat auch keine Drogen genommen und keinen Alkohol getrunken. Dann richtet der Mann auf der Anklagebank einen Vorwurf an die Behörden: "Weil die Polizei mir nicht geholfen hat, musste ich mir selbst helfen." Und weiter sagte er: "Ob ich sie getötet habe oder nicht – das bedauere ich nicht." Jetzt aber wolle er "so schnell wie möglich verurteilt werden – am besten noch heute. Das ist alles, was ich sagen wollte." Später fügt der Angeklagte hinzu: "Ich möchte Sie bitten, dass Sie mich lebenslänglich verurteilen." Denn wenn er wieder aus der Haft in Freiheit kommen sollte, würden die Verwandten der Getöteten ihn bedrohen, "dann könnte wieder das Gleiche geschehen" – es klingt ein wenig bizarr und nach Verschwörungstheorie.

Richter: "Sie bewerfen das Opfer mit Dreck"

Dann hat der Richter das Wort. "Sie bewerfen das Opfer mit Dreck." Ungewöhnlich schroff reagiert Polachowski auf die Worte des Angeklagten. "Ich kann das nicht nachvollziehen." Das sei das gleiche Muster wie bei einem Vorfall in der Vergangenheit im ostdeutschen Zwickau: Damals habe der Angeklagte einen Mann überfallen, von dem er behauptet hatte, er habe zuvor ein Kind vergewaltigt. Der Richter fügt hinzu: "Das Gericht hat ihnen das damals auch nicht abgenommen."

Mindestens drei weitere Verhandlungstage sind in dem Verfahren vorgesehen. Die Verteidigung deutete zum Auftakt bereits an, man wolle ein Gutachten über den Zustand des Angeklagten beantragen. Der Beschuldigte sei in seiner Kindheit zwei Jahre lang in einem Heim gewesen. "Ich weiß nicht, was in diesen Heimjahren passiert ist", so der Verteidiger Niederhöfer, "von daher bin ich verpflichtet, ein Gutachten einzuholen". Dazu der Angeklagte: "Ich will keinen Gutachter, ich will mit niemanden sprechen. Ich möchte heute ein Urteil, ich will meine Ruhe."

Eines steht fest: Der Prozess dürfte schwierig werden. Ein Urteil wird Ende Juli erwartet.