Maryam Rajavi, die Präsidentin des iranischen Widerstandsrates, ehrt in Paris symbolisch die Toten der Proteste. Foto: Siavosh Hosseini/NWRI

Maryam Rajavi, Präsidenten des Nationalen Widerstandsrats, lobt Außenministerin Baerbock und dringt auf Schließung der iranischen Botschaften in der EU.

Maryam Rajavi, die Präsidentin des Nationalen Widerstandsrat des Iran (NRWI), hat es gegenüber unserer Zeitung als „einen positiven Schritt“ bewertet, dass die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen das iranische Regime eintrete. Sie äußerte die Erwartung, „dass Deutschland der bevorstehenden EU-Ministerratskonferenz ein starkes und wirksames Sanktionspaket gegen das iranische Regime vorlegt“.

Rajavi: „Botschaften schließen“

Die in Paris residierende NRWI-Präsidentin nannte dabei eine Liste von notwendigen Maßnahmen. Dazu gehörten „das Schließen der Botschaften oder zumindest die Ausweisung der Botschafter des iranischen Regimes aus den EU-Mitgliedsstaaten“, die „Abberufung der europäischen Botschafter aus dem Iran“ und die Entscheidung, „Wirtschaftsbeziehungen mit dem Regime vom Ende der Repression und der Freilassung aller Demonstranten und politischen Gefangenen abhängig zu machen“. Eine weitere Forderung des NRWI ist „die Aufnahme der iranischen Revolutionsgarde und des Geheimdienstministerium, die direkt an dem Blutbad beteiligt sind, in die EU-Terroristenliste“, sagte Rajavi unserer Zeitung.

Auch Unionsfraktion für härtere Sanktionen

Die Forderung nach Aufnahme der Revolutionsgarden in die EU-Terrorliste findet auch in der deutschen Politik Widerhall. Im Deutschen Bundestag wurde am Mittwoch in erster Lesung ein Antrag der Unionsfraktion behandelt, der eine Ausweitung der EU-Sanktionen auf „alle Personen und Organe des iranischen Regimes, die mit der Unterdrückung der aktuellen Proteste befasst beziehungsweise an dieser beteiligt sind“ verlangt. Auch wird „die EU-weite Listung der sogenannten Revolutionsgarden“ gefordert. Ihre Mitglieder sollen „mit Einreisesperren belegt und deren Vermögen eingefroren werden“ heißt es in dem Antrag. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, „Maßnahmen und Mittel“ zur Unterstützung der iranischen Protestbewegung im Iran auszuweiten. Als Beispiele werden in dem Antrag der „Zugang zu verschlüsselter Telefonie, Internet und Satellitenkommunikation“ genannt. Die persisch-sprachigen Angebote der Deutsche Welle sollen zudem ausgeweitet werden, verlangen die Abgeordneten.

„Aufstand kann zur Freiheit führen“

Bei der deutschen Zentrale des NRWI sieht man Chancen, „dass der aktuelle Aufstand tatsächlich zur Freiheit führen kann, wenn die internationale Gemeinschaft dem iranischen Volk beisteht“, sagte der deutsche NRWI-Sprecher Javan Debiran unserer Zeitung. Er weist darauf hin, dass die Proteste – Stand Mittwoch – bereits 27 Tage anhalten und seit dem Wochenende erneut an Dynamik gewonnen hätten. In insgesamt 177 Städten des Landes und in allen 31 Provinzen käme es zu Unruhen und Widerstand. Nach Angaben Debirans seien bei den Protesten mindestens 406 Menschen getötet worden und 20 000 in Gefängnissen verschwunden. Laut Debiran werde der Widerstand von „der großen Unzufriedenheit in breiten Teilen der Bevölkerung mit dem Regime getragen“. Die im Iran verheerenden Auswirkungen der Coronapandemie und die Zögerlichkeit der Regierung, Impfstoffe einzusetzen, hätten „die Wut im Volk explosiv gemacht“, sagte Debiran unserer Zeitung.

Protest ist gut organisiert

Aufstände im Iran hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Die aktuellen Proteste unterscheiden sich aber, glaubt Debiran. „Sie sind wesentlich besser organisiert“, sagt der NRWI-Sprecher. In vielen Städten hätten sich Widerstandszellen gebildet, die in Gruppen von bis zu 20 Menschen agierten. „Sie können sich so gegenseitig schützen, wenn die Sicherheitskräfte wahllos versuchen, einzelne Personen festzusetzen.“ Ein Zeichen für die gute Organisation des Widerstands sei es auch, dass es landesübegreifend einheitliche Protestparolen gebe. „Tod den Tyrannen, ob Schah oder religiöser Führer“ sei ein nationaler Ruf geworden. Debiran bescheinigt der deutschen Regierung „lauter als manch andere EU-Länder die Proteste zu unterstützen“.

Zufrieden ist er mit dem Berliner Iran-Kurs dennoch nicht ganz. „Vor allem soll die Bundesregierung aufhören, sich von Lobbyisten des iranischen Regimes beraten zu lassen.“ Es gebe ein Netz Interessenvertreter, die von der iranischen Botschaft gesteuert würden und die nicht länger Gehör finden sollten, sagt Debiran.