Anna Sluzalek feiert am 26. April in Gremmelsbach ihren 100. Geburtstag. Foto: Volk

In erfreulicher geistiger Frische feiert an diesem Dienstag Anna Sluzalek am Sommerberg in Gremmelsbach ihren 100. Geburtstag. In ihrem bewegten Leben spiegelt sich ein Jahrhundert deutscher Geschichte.

Triberg-Gremmelsbach - Geboren in Raigersfeld, Kreis Kosel in Schlesien, erlebte sie eine glückliche Kindheit in einer Beamtenfamilie. Schön war die Schulzeit, sie erinnert sich noch an den Handarbeitsunterricht, an Singen und Sport. Eine schöne Zeit verbrachte sie auch im Mädchenpensionat.

Politik griff früh in ihr Leben ein

Doch griff früh die Politik in ihr Leben ein. Es war die Zeit des beginnenden Dritten Reichs, Begeisterung sollte mit "Kraft durch Freude" geweckt werden. Reisen war jetzt leicht möglich, Schiffsreisen zumal, auch Fahrten auf der Oder, bei denen Anna ihren zukünftigen Mann kennenlernte. Sie heirateten 1942. Jungen Mädchen wurde ein sogenanntes Pflichtjahr auf einem Bauernhof befohlen. Sie lernte die ländlichen Arbeiten. Als Unterkunft diente den Mädchen eine Kaserne. Aufbewahrt hat sie ein Foto, wie sie ein Pferd am Halfter hält. Dann wurde sie als Flakhelferin verpflichtet, sie musste telegrafische Nachrichten empfangen und weitergeben, nicht in Uniform, aber in einheitlicher blauer Kleidung.

Den Zweiten Weltkrieg erlebte sie in so schauerlicher Weise, dass sie kaum darüber reden kann. In Prag hatte sie im Lazarett Schwerstverwundete zu pflegen, Kopfverletzte, Kriegsblinde, erschütternde Szenen mit Angehörigen, die von Todgeweihten Abschied nahmen. Ungefragt hatte sie mit anderen Mädchen in Auschwitz in einem geschlossenen Raum Gasmasken auf ihre Dichtigkeit zu testen. Sie begegnete den Elendsgestalten des Vernichtungslagers.

Heimat sah sie weitgehend vernichtet wieder

Die Heimat sah sie noch einmal schon weitgehend vernichtet wieder. Im letzten Augenblick vor der Sprengung der Oderbrücke gelang der Mutter mit ihren Töchtern die Flucht vor der Roten Armee nach Bayern – sie hörten schon die "Stalinorgeln" – im Güterwagen.

Ehemann Ewald kam heil aus dem Krieg zurück und machte sie ausfindig, sie fanden eine vorübergehende Bleibe in der Wohnung des Schwagers in Waldshut. Eine neue Existenz aufzubauen war schwer. Eine Arbeitsstelle gab es nur im Hoch- und Tiefbau in Stuttgart. Er nahm sie an, obwohl sie bei damaliger schlechter Ernährung die letzte Kraft forderte. Da fiel seiner Frau Anna eine Annonce auf: Triberg sucht einen Stadtkapellmeister. Da Musik sein Leben war, er beherrschte mehrere Instrumente, von der Geige bis zur Handharmonika, wagte er den Schritt, trotz zerschundener Hände und in einer geliehenen Hose. Anna Sluzalek berichtet sehr lebhaft darüber.

Ewald Sluzalek führte die Stadtkapelle zur Blüte

Ewald Sluzalek wurde Arbeit in der Registratur der Stadtverwaltung Triberg angeboten. Es klappte sogar mit einer Wohnung im Hoflehen und dann in der Oberstadt. Ewald Sluzalek gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Jumelage mit Fréjus. Er führte die Stadtkapelle zur Blüte, und als es notwendig wurde, auch die Musik- und Trachtenkapelle Gremmelsbach. An allen Erfolgen ihres Ehemanns nahm Anna mit Freuden teil. Nach seinem Tod und pflegebedürftig geworden, fand sie Aufnahme und liebevolle Sorge durch ihre Tochter Barbara und Sohn Hans-Peter am Sommerberg in Gremmelsbach. Hier freute sie sich dieser Tage schon auf ihren 100. Geburtstag im Kreise der Familien ihrer Kinder und Enkel und bald zwei Urenkel.