Die Frauenärztin Wiebke Herter (rechts) verliert ihre Mitarbeiterin Barbara de Nardo. Foto: /Thiercy

Wiebke Herter verliert ihre Mitarbeiterin. Der argentinischen Gynäkologin wird keine Arbeitserlaubnis erteilt. Sie und ihr Mann fangen nach zwei Jahren in Deutschland nun ein neues Leben in Spanien an. Dort werden ihre Papiere anerkannt.

„Barbara war unsere Retterin“, sagt die Balinger Gynäkologin Wiebke Herter. Jetzt hört die Argentinierin auf – das Regierungspräsidium verweigert die Anerkennung ihrer Approbation.

Barbara de Nardo und ihr Mann wollten weg aus Buenos Aires. Ein gutes Leben in einem sicheren Land wünschten sie sich für ihren vierjährigen Sohn. Eine Freundin riet der jungen Ärztin, nach Deutschland zu gehen: „Dort herrscht Ärztemangel.“

Die junge Ärztin spricht perfekt Deutsch

Barbara de Nardo hat in der argentinischen Hauptstadt bis zum Abitur eine deutsche Schule besucht. Sie frischte ihre Kenntnisse auf, paukte gemeinsam mit ihrem Mann die Sprache. Das Paar wollte sich gerne einlassen auf das Abenteuer Auswandern.

Bei Wiebke Herter fand die Gynäkologin im Oktober 2021 ihre berufliche Heimat, mitten in der Hochphase der Corona-Pandemie. Da war de Nardo bereits seit zehn Jahren als Ärztin tätig, hatte längst ihren gynäkologischen Facharzt in der Tasche.

„Das ist doch eine Farce!“

Das Regierungspräsidium erteilte ihr eine auf zwei Jahre befristete Berufserlaubnis, die allerdings daran gebunden ist, dass die junge Ärztin nur bei ihrer Arbeitgeberin und in keiner anderen Praxis tätig sein darf. Die Erlaubnis läuft im Oktober aus – und kann nicht verlängert werden.

Die beiden Ärztinnen, die als Freundinnen weit mehr verbindet als der Beruf, wandten sich ans RP in Stuttgart. Dort kann geprüft werden, ob ein Curriculum aus dem Ausland dieselben Lehrinhalte hat, wie ein Studium an einer deutschen Uni auch.

Wegen und seit Corona gibt es an der argentinischen Uni nur noch elektronische Urkunden und keine Papierausdrucke mehr. „Alles in Argentinien läuft digital“, erklärt de Nardo. Die deutschen Behörden erkennen aber diese schreibgeschützten und fälschungssicheren Dokumente nicht an. „Das ist doch eine Farce“, echauffiert sich Herter.

Die argentinische Approbation wird nicht anerkannt – wegen eines Formfehlers

Die Stuttgarter bemängeln das als Formfehler. Eine Möglichkeit wäre, die Dateien von einem deutschen Notar durch die Botschaft in Argentinien beglaubigen zu lassen, hieß es. Der Notar müsste hunderte Seiten persönlich ausdrucken und einzeln beglaubigen. So jemanden gibt es nicht.

Die Frauen zogen eine zweite Möglichkeit in Betracht: die Kenntnisprüfung durch eine Kommission an einer Uni in Baden-Württemberg. Dabei wird jeder Bereich geprüft, der im gesamten Medizinstudium gelehrt wird – in Deutschland, in Argentinien, eigentlich überall auf dem Globus.

Barbara de Nardo ist die Kraft ausgegangen

Das ist eigentlich verständlich, für die 37-jährige Barbara de Nardo aber nicht machbar. Sie müsste quasi komplett neu Medizin studieren – auch Kinderheilkunde, Pharmakologie oder Chirurgie werden geprüft. Damit hat sie in ihrem gynäkologischen Alltag nichts zu tun.

„Ich würde diese Prüfung auch nicht bestehen“, sagt die Praxisinhaberin Herter. „Wir brauchen in unserem Praxisalltag keine EKGs, wir operieren keine Gelenke, wir behandeln keine Augenleiden.“

Und: „Wer 40 Stunden arbeitet, ein kleines Kind hat, der kann nicht nebenbei nochmal voll studieren.“ Der Frust ist groß – und die Prüfung nicht billig: Um die 3 000 Euro würden am Ende zusammen kommen. Herter hat ihrer Kollegin angeboten, dies zu bezahlen.

„Die ganze Region Balingen muss sich bei Barbara bedanken.“

Beide Frauen müssen gegen die Tränen anblinzeln. De Nardo ist die Kraft ausgegangen. Ihr Mann, der zahlreiche Marketing-Diplome hat, will arbeiten. Er findet keinen adäquaten Job, liefert derzeit Essen aus, hat davor in einer Pizzeria ein Zubrot verdient. Das Paar sieht kein Land mehr.

„Wir gehen nach Spanien“, sagt Barbara de Nardo, die perfekt Deutsch spricht. In Spanien wird ihre Approbation problemlos anerkannt und ihr Mann muss nicht gegen die Sprachbarriere ankämpfen.

„Die ganze Region Balingen muss sich bei Barbara bedanken“, sagt Wiebke Herter, die immer noch auf ein Wunder hofft. „Barbara hat uns damals wirklich gerettet.“

Wiebke Herter schwankt zwischen Wut und Trauer

Denn für die Gynäkologin kam einiges zusammen in der Pandemie: zwei Balinger Kolleginnen gaben ihre Praxen auf, die Patientinnen mussten dennoch versorgt werden und dazu kamen noch tausende Impfungen gegen Covid, die in der Praxis in der Tübinger Straße verabreicht wurden. „Wir haben gearbeitet wie verrückt.“

Herter schwankt zwischen Wut und Trauer

„Unsere Patientinnen lieben sie“, sagt Herter. „Und fachlich ist Barbara absolut top, Spitzenklasse.“ Wiebke Herter schwankt zwischen Wut und Trauer. „Da haben wir in Deutschland Fachkräftemangel, es kommen hoch qualifizierte und motivierte Leute, die integriert sind – und dann so ein Tritt in den Hintern von den Stuttgarter Behörden.“