Täglich flüchten weitere Menschen aus der Ukraine, teilweise auch Kinder ohne ihre Eltern. Foto: Hammerschmidt/dpa

Fast 600 ukrainische Flüchtlinge sind schon im Landkreis Rottweil untergebracht worden –­ Tendenz steigend. Und das sind nur jene, die sich beim Landratsamt gemeldet haben. Einen Überblick über die aktuelle Situation gab der Landkreis bei einer Telefonkonferenz am Donnerstagmorgen.

Kreis Rottweil - "Wir alle bezahlen diesen Krieg – ob an der Tanksäule oder in anderen Bereichen", stellte Landrat Wolf-Rüdiger Michel klar. Allein der Diesel-Abgasreiniger AdBlue, den ältere Diesel-Fahrzeuge, aber vor allem Lastwagen und Busse brauchen, sei dreimal so teuer wie vor der Krise. Deshalb betonte Michel abermals, dass er einen ÖPNV-Rettungsschirm vom Land fordere. Sonst steuere man zwangsläufig auf Preiserhöhungen oder Einschränkungen des Angebots zu. Gegensteuern müsse man auch mit Blick auf die zur Abfallentsorgung eingesetzten Lastwagen. "Ansonsten drohen im kommenden Jahr Gebührenerhöhungen", warnte der Landrat.

Enorme Belastung

Des Weiteren brauche man angesichts der enormen Flüchtlingswelle dringend einen europäischen Verteilmodus. Mit Blick auf die extreme Belastung des Landratsamt-Personals – erst durch die Pandemie und nun durch die Flüchtlinge aus der Ukraine – appellierte Michel ans Verständnis der Landkreis-Bürger, wenn die eine oder andere Sache wegen der hohen Arbeitsbelastung in den kommenden Wochen liegen bleibe. Zwar starte der Landkreis eine Einstellungsoffensive, doch der Markt sei leer gefegt und eine Besetzung der geschaffenen Stellen deshalb nicht allzu schnell möglich. Die Mitarbeiter des Sozialamtes seien derweil wegen der dynamischen Entwicklung derzeit viel außer Haus und deshalb schwerer erreichbar.

Mehrzahl privat untergekommen

Sozialdezernentin Angela Jetter berichtete, Stand Mittwoch, seien 456 Anträge von Flüchtlingen auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eingegangen. Sie erhielten, bis sie ein Konto eröffnet hätten, Barschecks. 366 Personen davon seien privat untergekommen, 90 in Gemeinschaftsunterkünften. Weitere 130 Anträge liegen noch zur Erfassung bereit. Und es würden täglich mehr, so Jetter. Sie geht davon aus, dass noch viele weitere Flüchtlinge im Landkreis Rottweil untergekommen sind, sich aber bislang nicht registriert haben.

Aktuell stünden 485 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften für alle Flüchtlinge, nicht nur aus der Ukraine, zur Verfügung. Nur zehn davon seien, Stand Mittwoch, noch frei. Die gute Nachricht: Ab April werde man acht weitere Unterkünfte mit insgesamt 230 Plätzen anbieten können.

Planungssicherheit nötig

Vom Land wünsche sie sich ein Mindestmaß an Planungssicherheit, meinte Jetter. Bislang gebe es keine Zahlen dazu, wie viele Flüchtlinge jeder Stadt- und Landkreis in Baden-Württemberg aufgenommen habe. Somit sehe man auch nicht, ob die Quote – der Kreis Rottweil soll 1,5 Prozent der Flüchtlinge in Baden-Württemberg aufnehmen – überall erfüllt werde. Der Landkreis habe inzwischen schon mehr als 150 Personen aus Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen.

Einige ukrainische Kinder seien ohne Eltern angekommen. Jetter sprach von einer niedrigen zweistelligen Zahl. In so einem Fall prüfe das Jugendamt die Begleitpersonen und nehme die Kinder notfalls in Obhut. Das sei bisher aber noch nicht nötig gewesen.

Zentrale Aufnahmestelle

Der Erste Landesbeamte Hermann Kopp teilte mit, dass derzeit ein Servicezentrum für Ukraine-Flüchtlinge im bisherigen Impfstützpunkt in der Marienstraße 2 in Rottweil entstehen werde. Die Eröffnung ist am Dienstag geplant. Dort sollen Mitarbeiter vom Sozialamt, dem Gesundheitsamt, dem Ausländeramt und vom Impfstützpunkt vor Ort sein, um die Flüchtlinge registrieren und sie untersuchen beziehungsweise ihren Impfstatus überprüfen zu können – nicht nur, was Corona angeht, sondern auch Masern beispielsweise. Der große Unterschied zur Flüchtlingswelle 2015/2016 sei, dass viele Flüchtlinge nicht registriert seien, auch wenn manche aus der Landeserstaufnahmestelle kämen, meinte Landrat Michel.