„Coda générale“ aus dem Ballett „Le Réveil de flore“ Foto: Bärbel Altendorf-Jehle

Für die facettenreiche Welt des Bühnentanzes stand die Gala des Ballett-Instituts Leandra Hagendorn im Theater im Kurhaus. Die Spannbreite reichte vom klassischen Repertoire bis zum Charakter- und Jazztanz. Und auch die Kostüme verzauberten.

Wie soll man diese Frau nur beschreiben? Sie ist eine Perfektionistin, begnadete Choreographin, Künstlerin mit Rückgrat und klaren Wertevorstellungen. Wenn Leandra Hagendorn und ihr Ballett-Institut zur Gala einladen, wie jetzt am Wochenende, dann ist das Kurtheater voll, nicht nur bei einer, sondern bei zwei Aufführungen.

 

Wie schafft es diese Frau nur, sich mit jeder neuen Gala selbst zu übertreffen? Wenn es kein anderer macht, tut sie es halt selbst. Das passt zu ihrem Anspruch an sich und an ihre rund 200 Schützlinge.

Disziplin steht für Hagendorn mit an erster Stelle. Sie fordert sie von ihren Eleven. Entgegen der viel verbreiteten Meinung, dass Kinder und Jugendliche heute zuweilen kaum zu bändigen sind und kein Durchhaltevermögen mehr haben, überzeugten die Tänzerinnen und ein kleiner Nachwuchstänzer ihr Publikum vom Gegenteil. Drei Stunden lang – bei zwei Pausen – zeigten sie diszipliniert und ohne Pannen die faszinierende und facettenreiche Welt des Bühnentanzes.

Ballettfamilie steht für friedvolles Miteinander, Toleranz und Weltoffenheit

„Wir befinden uns leider in turbulenten Zeiten, geprägt von Kriegen und Krisen, die uns alle mit großer Sorge erfüllen“ – betroffene Stille herrschte im Theatersaal, als Leandra Hagendorn mit diesen Worten die Besucher begrüßte. „Daher sollten Kunst und Kultur für uns Hoffnungsschimmer sein. Unsere Ballettfamilie will ein Zeichen setzen für ein friedvolles Miteinander, Respekt, Toleranz und Weltoffenheit. Wir brauchen weniger ‚Ich‘, vielmehr ein großes gemeinsames ‚Wir‘.“ Tosenden Beifall gab es für diese klare Positionierung.

Das Ende der Vorstellung: Tänzerinnen mit Leandra Hagendorn (Dritte von links, vorne) Foto: Bärbel Altendorf-Jehle

Anmut und Schönheit standen an diesem Abend im Vordergrund und verzauberten die Besucher. Glitzernd, in allen Farbnuancen, bot Hagendorn wie stets auch ein leuchtendes Feuerwerk bunter Kostüme, lieblich und süß, elegant und klassisch oder frech und fantasievoll.

Mit den Kleinsten begann der Abend. Sie traten als Wichtel, Elfen, Tautropfen und Fliegenpilze zum ersten Mal vor großem Publikum auf. Danach präsentierten die fortgeschrittenen Elevinnen Ausschnitte aus berühmten Originalwerken des klassischen Ballettrepertoires. Im zweiten Teil gab es die neusten eigenen Choreographien Hagendorns aus den Bereichen des Modernen Tanz, des Charakter- und des Jazztanz. Der dritte Teil war der glamourösen Welt der Neoklassik gewidmet.

Hagendorn sieht sich auch als Brückenbauerin zwischen den Nationen

Zwischendrin, selbst im schillernden Kleid, brachte Hagendorn den Zuschauern die Welt des Ballettes und des Tanzes näher. Sie erzählte von bulligen Footballspielern, die ihre Technik durch Balletttraining verbessern und dass solides Ballett das Fundament für alle weiteren modernen Tanzchoreographien bildet. Hagendorn sieht sich auch als Brückenbauerin zwischen den Nationen. In der Präsentation von Tänzen aus anderen Ländern sieht sie keine kulturelle Aneignung, vorausgesetzt, es geschieht mit Würde und Wertschätzung.

„Nur deutsche Tänze aufzuführen – wäre das die Alternative? Oder hätte das nicht sogar einen Beigeschmack?“, fragte Hagendorn, in deren Ballettschule 20 verschiedenen Nationen gelebte Toleranz und Weltoffenheit erfahren.

Tanzende Fliegenpilze Foto: Bärbel Altendorf-Jehle

Hagendorn hat wieder einmal eine fulminanten Vorstellung im Kurhaus geboten. Ihre Schülerinnen überhäuften sie zum Schluss mit Blumen und Geschenken. Gemeinsam mit ihnen tanzte sie dann wild und ausgelassen auf der Bühne. Nichts Besonderes? Doch, wenn man weiß, dass Hagendorn das wegen eines verletzten Fußes unter Schmerzen tat. Das ist eben Leandra Hagendorn – Chapeau!