Julia Timoschenko Foto: dpa

In den Fall der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko kommt Bewegung.

Berlin/Kiew - Im Fall der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko gibt es neue Bewegung: Die 51-Jährige, die an einem schweren Bandscheibenvorfall leidet, will sich nach offiziellen Angaben auf Rat deutscher Ärzte nun doch in ihrer Heimat behandeln lassen. Über die Fortdauer ihres vor zwei Wochen begonnenen Hungerstreiks lagen jedoch keine Angaben vor. Sie wurde am Freitag in der Haft von deutschen Ärzten untersucht. Auch deutsche Diplomaten waren dabei. Das Auswärtige Amt dämpfte allerdings Hoffnungen auf eine baldige Lösung. Aus der Ukraine gab es sogar neue Drohungen in Richtung Berlin.

Timoschenko war am Freitag erneut vom Chef der Berliner Charité-Klinik, Karl Max Einhäupl, untersucht worden. Nach Angaben der deutschen Ärzte leidet die Ex-Ministerpräsidentin an einem Bandscheibenvorfall, aus dem sich chronische Schmerzen entwickelt haben. Nach der Untersuchung habe sie sich bereiterklärt, ihre Therapie im Beisein deutscher Ärzte am 8. Mai in der Klinik Nummer 5 außerhalb des Straflagers in Charkow zu beginnen, teilte die stellvertretende ukrainische Gesundheitsministerin, Raissa Moissejewa, nach Angaben der Agentur Interfax mit.

Timoschenkos Tochter: Zustand hat sich verschlechtert

Einhäupl selbst gab keine Stellungnahme ab. Nach Angaben von Timoschenkos Tochter Jewgenija hat sich ihr Befinden in den vergangenen Tagen jedoch weiter verschlechtert. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte in New York, die Hilfe durch die deutschen Ärzte könne nur eine „vorläufige Hilfe“ sein. Mit Timoschenko solle aber auch erörtert werden, „welche Lösungsmöglichkeiten es aus ihrer Sicht geben kann“.

Mit der Fortdauer ihres Hungerstreiks wollten die ukrainischen Behörden eine Zwangsernährung ihres prominenten Häftlings nicht ausschließen. „Wir werden sie auf jeden Fall nicht sterben lassen“, sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter des Gefängnisses in Charkow der ukrainischen Zeitung „Segodnja“. Ihr Verteidiger Sergej Wlassenko erklärte, er mache sich Sorgen, da die 51-Jährige mittlerweile stark geschwächt sei.

Die ukrainische Justiz wies unterdessen Vorwürfe Timoschenkos zurück, dass im Gefängnis gegen sie Gewalt angewendet worden sei. Gerichtsmediziner seien zum Schluss gekommen, dass die Blutergüsse an ihrem Körper nicht am 20. April bei einem erzwungenen Transport in eine Klinik entstanden sein könnten. Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka deutete an, dass sich die 51-Jährige die Verletzungen selbst beigebracht haben könnte.

Merkel will über EM-Boykott kurzfristig entscheiden

Weiterhin offen ist, ob Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder andere Minister zur bevorstehenden Fußball-EM in die Ukraine reisen werden. Vize-Regierungssprecher Georg Streiter bekräftigte, dies werde „relativ kurzfristig“ entschieden. Die EU-Kommission hatte am Donnerstag entschieden, EM-Spielen in der Ukraine komplett fernzubleiben.

„Im Übrigen geht es der Bundeskanzlerin nicht um Frau Timoschenko allein“, sagte Streiter weiter. „Sondern die Bundesregierung hat den Eindruck, dass die Ukraine das Strafrecht missbraucht, um Oppositionelle kaltzustellen.“ Rechtsstaatlichkeit sei jedoch eine „Grundvoraussetzung“ für eine Annäherung der Ukraine an die EU.

Timoschenko, erbitterte Gegnerin von Präsident Viktor Janukowitsch, war im vergangenen Jahr in einem international umstrittenen Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Kritiker sprachen von Rachejustiz.

Wegen des Vorgehens gegen Oppositionelle hat die Europäische Union (EU) auch die geplante Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine auf Eis gelegt. Der Vizepräsident der Partei von Präsident Janukowitsch drohte Deutschland deshalb mit wirtschaftlichen Folgen. „Ohne Abkommen wird der deutsche Zugang zum ukrainischen Markt begrenzt sein“, sagte Leonid Koschara dem Internet-Portal „Spiegel Online“. Die Ukraine ist mit einem Volumen von 7,2 Milliarden Euro für die Bundesrepublik der wichtigste osteuropäische Handelspartner hinter Russland.