Daniel (Bartosz Bielenia) ist vorbestraft, überzeugt mit seiner Leidenschaft aber die Kirchgänger. Foto: Arte

Wie foppt man als 20-Jähriger eine katholische Gemeinde? Das polnische Drama „Corpus Christi“ auf Arte zeigt einen jungen Hochstapler, der sich als Priester ausgibt.

Die Köpenickiade ist eine Königsdisziplin der Hochstapelei. Heinz Rühmann glänzte in der Carl Zuckmayer-Verfilmung „Der Hauptmann von Köpenick“ als der haftentlassene Wilhelm Voigt, der in Uniform die obrigkeitshörige Verwaltung foppt, Leonardo DiCaprio als Scheckfälscher und falscher Pilot in Steven Spielbergs Komödie „Catch me if you can“, Max Hubach in Robert Schwentkes Drama „Der Hauptmann“ als der Deserteur Willi Herold, der in den letzten Tagen des Zeiten Weltkriegs als Pseudo-Offizier ein Blutbad anrichtet.

Der polnische Regisseur Jan Komasa verknüpft das Thema nun auf kluge Weise mit einem jungen Straftäter und dessen Traum von einem anderen Leben. Daniel (Bartosz Bielenia) ist erst 20 und scheint seine Zukunft bereits verspielt zu haben. Nach der Jugendhaft in Warschau, in der er zum Opfer wurde, soll er in der Provinz in einem Sägewerk für junge Delinquenten arbeiten – doch er hat den Glauben für sich entdeckt und würde gerne Priester werden.

Provokative Fragen und schlichte Weisheiten

Die katholische Kirche aber nimmt keine ehemaligen Straftäter. Statt ins Sägewerk geht Daniel in die örtliche Kirche, wo er sich mit geklauter Soutane und Kollar als junger Pater ausgibt. Und weil der Priester erkrankt ist, soll er direkt dessen Platz einnehmen. Nach anfänglicher Skepsis schließen die Dörfler den neuen Priester schnell ins Herz, denn er hat ein großes Talent: Er ist nicht nur unorthodox und verzichtet auf Bibelverse, sondern verbindet zudem provokative Fragen mit schlichten Weisheiten, die alle verstehen.

Zweifel, Gier, Fehlbarkeit – urmenschliche Makel nützt Daniel, und Bartosz Bielenia spielt die exakt auf seine Figur hin verfassten Monologe überzeugend und mit großen Gesten. Um Glauben und Aberglauben geht es bald, um einen mysteriösen Unfall und einen korrupten Bürgermeister. Daniel packt nach ersten Erfolgen die Hybris, alle Probleme lösen zu können. Er freundet sich mit Gleichaltrigen im Dorf an, besonders mit der rebellischen Marta (Eliza Rycembel). Und er sieht im Sägewerk frühere Mitinsassen, die ihn enttarnen könnten.

Macht und wie leicht sie zu missbrauchen wäre

Komasa setzt jede Szene seines starken Dramas präzise ins Bild, und er nützt das markante Gesicht seines hoch talentierten Protagonisten als Folie für im Raum stehende Stimmungen. Er deutet an, wie viel Macht die Kirche im sehr katholischen Polen hat und wie leicht diese zu missbrauchen wäre – und zeigt das Elend einer verlorenen Jugend, der zweite Chancen konsequent verwehrt werden.

Ab sofort in der Arte Mediathek, am 31. 8. um 22 Uhr im Arte-Fernsehen