Dampf kommt aus dem Kühlturm (M) von Block 2 des Kernkraftwerks Neckarwestheim, daneben sind Block 1 (links) und Block 2 (rechts) des Atomkraftwerks zu sehen (Archivbild vom Februar 2019). Foto: Marijan Murat/d/a

Technische Fachbegriffe im Zusammenhang mit der Atomkraft wie Laufzeitverlängerung, Stresstest, Sicherheitsüberprüfung und Streckbetrieb tauchen derzeit in der öffentlichen Debatte auf. Doch was bedeuten sie überhaupt?

Die politische Debatte um eine Laufzeitverlängerung der drei verbliebenen deutschen Atommeiler ist in vollem Gange. Gemäß dem Atomgesetz werden die drei jüngsten Reaktoren spätestens Ende 2022 abgeschaltet.

Nach der Abschaltung von Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C Ende 2021 sind in Deutschland noch drei Atommeiler in Betrieb: Isar 2 (KKI 2) in Bayern, Emsland (KKE) in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 (GKN 2) in Baden-Württemberg.

Was meint das Wort Stresstest?

2011 wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache „Stresstest“ zum Wort des Jahres. Zur Begründung erklärte das Gremium: Der ursprünglich aus der Humanmedizin stammende Begriff sei „mittlerweile als fester Bestandteil der Alltagssprache anzusehen“. Inzwischen spricht man von Stresstests für Medizin, Stresstests für Banken, für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 oder für das deutsche Stromnetz und für Atomkraftwerke (AKW).

Was bedeutet der Stresstest für AKWs?

Der Begriff Stresstest für AKWs ist nicht gleichzusetzen mit den jährlichen Sicherheitschecks von Reaktoren. Auch wenn der Terminus derzeit geradezu inflationär für alle möglichen technischen Maßnahmen – insbesondere den Stresstest für das Stromnetz – verwendet wird, handelt es sich dabei ursprünglich um einen ganz bestimmten Vorgang: den sogenannten Europäischen Stresstest für Atomkraftwerke aus den Jahren 2011/2012.

Hier können Sie die „Leitfäden zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen, PSÜ, für Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland“ nachlesen.

Wie steht es um die Sicherheit der deutschen Reaktoren?

Die Sicherheit von Kernkraftwerken wird in Deutschland jedes Jahr überprüft. Alle zehn Jahre werden Atommeiler zudem komplett durchgecheckt. Den letzten Termin 2019 hat man allerdings ausfallen lassen, weil die Meiler bis zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden sollten.

„Bei einem Weiterbetrieb nach dem 1. Januar 2023 wäre also die letzte Sicherheitsüberprüfung 13 Jahre alt, eine neue wäre zwingend geboten“, heißt es in einer Mitteilung der Ministerien vom April. So eine Prüfung könne Jahre dauern. Trotzdem seien die drei Anlagen sicherheitstechnisch auf einem hohen Niveau. Auch der TÜV Süd hat das Kraftwerk Isar 2 geprüft und keine Bedenken geäußert.

https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.baden-wuerttemberg-gruene-schliessen-akw-streckbetrieb-nicht-mehr-aus.6d69acdd-b020-4211-aac6-6df978e9034b.html

Was ist der Europäische Stresstest für Atomkraftwerke?

Von den turnusmäßigen Sicherheitsüberprüfungen ist der Europäische Stresstest für Atomkraftwerke zu unterscheiden. Dieser beinhaltete eine Reihe von Maßnahmen zur Überprüfung der Reaktorsicherheit von AKWs, die im März 2011 unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Fukushima vom Europäischen Rat beschlossen wurde. Ziel war es, die vorhandenen Sicherheitsreserven bei extremer Belastung – Stress genannt – zu überprüfen.

Für diesen EU-Stresstest erarbeitete die Gruppe der kerntechnischen Aufsichtsbehörden ENSREG (European Nuclear Safety Regulators Group) ein Konzept, das bis 2012 umgesetzt wurde. Das Ziel dieses EU-Stresstests war jedoch nicht, einzelne Reaktoren abzuschalten.

Was wurde bei diesem EU-Stresstest überprüft?

Drei Kategorien von „Ereignissen“ wurden bei diesem Stresstest überprüft:

1. Externe Ereignisse wie Erdbeben, Überflutung und extreme Wetterbedingungen

2. Ausfälle von Sicherheitsfunktionen wie sukzessiver Ausfall aller Stromversorgungen, Ausfall der Wärmeabfuhr und die Kombination beider Ereignisse

3. Maßnahmen und Vorgehen bei schweren Unfällen wie Ausfall der Kernkühlung, zum Schutz der Unversehrtheit des Sicherheitsbehälters bei einer Kernschmelze und schließlich bei einem Ausfall der Kühlung des Brennelement-Lagerbeckens.

Worum geht es bei der Laufzeitverlängerung der AKWs?

Anfang August hatte der Bund – laut „Spiegel“ – bei den drei Akw-Betreibern RWE, EnBW und Eon abgefragt, wie lange die noch vorhandenen Brennstäbe weiter Strom produzieren könnten.

Dafür soll ein sogenannter Stresstest in Auftrag gegeben worden sein. Den Antworten zufolge wäre demnach ein sogenannter Streckbetrieb des Akw in Lingen mit rund 70 Prozent Leistung bis April möglich, das Gleiche gelte für Neckarwestheim. Für das bayerische Akw Isar 2 sollten die Brennstäbe bis Juni reichen.

Die Ergebnisse des Stresstests sollen laut Bundeskanzler Olaf Scholz im September vorliegen. Auf deren Grundlage will die Regierung entscheiden, ob ein Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke angestrebt wird.

Was versteht man unter einem Streckbetrieb?

Nach dem geltenden Atomgesetz müssten die verbliebenen deutschen Meiler in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn), Isar 2 in Bayern und Emsland in Niedersachsen nach dem 31. Dezember 2022 vom Netz gehen.

Auch für den sogenannten Streckbetrieb – also die Weiternutzung der aktuellen Brennstäbe – braucht es eine Gesetzesnovelle im Bundestag. Hintergrund für den Streckbetrieb sind die abgebrannten Brennstäbe, die wegen der absehbaren Stilllegung nicht mehr erneuert wurden.

Kritiker der Kernkraft warnen wegen der mehr als 30 Jahre alten Reaktoren vor unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken bei nur sehr geringen Energieerträgen.