Stuttgart braucht neue Flüchtlingsunterkünfte – die früheren, wie hier in Botnang, sind in den vergangenen Jahren abgebaut worden. Foto: Thorsten Hettel

Die Landeshauptstadt muss weitere 1320 Plätze für Flüchtlinge bereitstellen. In einigen Bezirken sollen Unterkünfte entstehen.

Die Landeshauptstadt muss weitere 1320 Plätze für Flüchtlinge bereitstellen. In einigen Bezirken sollen Unterkünfte entstehen.

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat die Bezirksvorsteher darauf eingeschworen, bei der Bereitstellung von neuen Flüchtlingsunterkünften aktiv mitzuarbeiten. „Der ganzen Stadt muss es ein Anliegen sein, diese Menschen, die in Not Zuflucht bei suchen, willkommen zu heißen und sie zu unterstützen“, erklärte er nach der nicht-öffentlichen Sitzung.

Mit rund 1400 Neuankömmlingen wird sich 2014 die Zahl der Asylbewerber etwa verdoppeln. Die in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre entstandenen Flüchtlingsdörfer sind längst wieder abgebaut, weil der Flüchtlingsstrom vorübergehend abflaute. Zurzeit leben in Stuttgart 1512 Flüchtlinge in 59 Unterkünften und wenige davon in Privatwohnungen. Was verfügbar ist, ist praktisch belegt. Zusätzliche Mietwohnungen werden nicht ausreichen. Deshalb, sagte Kuhn, müsse man auch Systembauten errichten, um die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Angesichts der Prognosen könne man Zufluchtssuchende nicht mehr möglichst nur in kleinen Wohngruppen und in möglichst allen Stadtteilen unterbringen, sagte Kuhn. Darum müsse umso mehr der andere Bestandteil des sogenannten Stuttgarter Modells greifen: dass man sich um die Sorgen und Nöte der Flüchtlinge kümmert.

Nach Informationen unserer Zeitung geht es in den meisten Fällen um Standorte für 120 bis etwas mehr als 200 Menschen. 60 bis 70 Prozent der Bewohner werden voraussichtlich alleinstehende Männer zwischen 20 und 50 Jahren sein, verlautete nach der Sitzung. Deshalb wollten die Bezirksvorsteher von der Verwaltung aufgezeigt bekommen, wie man den Flüchtlingen Ablenkung und gemeinnützige Arbeit statt Langeweile bieten könnte. Bisher dürfen Flüchtlinge erst nach neun Monaten Aufenthalt arbeiten. Bei der Agentur für Arbeit und der Bundesregierung solle man sich deshalb um Lockerungen bemühen, hieß es.

Herausforderung möglichst zügig bewältigen

Mit dem Konzept wolle man Notunterbringungen in Turnhallen verhindern, sagte Kuhn in Anspielung an die 1990er-Jahre. Damals stellte OB Manfred Rommel die Belegung von Turnhallen in Aussicht, wenn die Bevölkerung und die Parteien neue Flüchtlingsdörfer nicht zulassen wollten. Die Aufnahme der Flüchtlinge, sagte auch Kuhn jetzt, sei eine gesetzliche Pflichtaufgabe der Stadt. Diese Menschen würden der Stadt vom Land zugewiesen.

Der OB will die Herausforderung möglichst zügig bewältigen. Noch im Dezember soll ein Standortkonzept für die Systembauten beschlossen werden. Gesucht sind – wie im Fall der Modulbauten für zusätzliche Kindertagesstätten – solche Standorte, die baurechtlich schnell zu realisieren sind. Die ersten Überlegungen dafür wurden den Bezirksvorstehern genannt. Nach Informationen unserer Zeitung ging es dabei nicht um alle Stadtbezirke. Ganz einfach deshalb, weil in manchen Bezirken kaum geeignete Freiflächen verfügbar erscheinen.

Andererseits wird dem Vernehmen nach auch von den besonders dicht bebauten Innenstadtbezirken ein Beitrag erwartet – wenn nicht durch Systembauten, dann durch freie Räume in bestehenden Gebäuden. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG), eine Tochter der Stadt, soll offenbar eine wichtige Rolle übernehmen bei der Realisierung. Wegen des Zustroms der Flüchtlinge rechnet die Stadt für 2014 mit fast 20 Millionen Euro zusätzlichen Aufwendungen für Unterkünfte und Betreuung.

Die Bezirksvorsteher, verlautete nach der Sitzung, hätten sich dem Thema im Großen und Ganzen konstruktiv gestellt. Sie sind zu weiteren Anregungen aufgefordert, ehe der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) die Aspekte zu Beginn kommender Woche ordnen wird. Kuhn will dann zur Wochenmitte die Beschlussvorlage unterschreiben, die seine Mitarbeiter anfertigen. Am Freitag kommender Woche wird sie im Wirtschaftsausschuss in die Beratungen eingebracht. Danach sollen die Bezirksbeiräte der betroffenen Stadtbezirke darüber beraten.

Scharf kritisiert wurde Kuhn dem Vernehmen nach von Feuerbachs Bezirksvorsteherin Andrea Klöber (SPD). Ihr missfiel die Informationspolitik der Stadtspitze. Sie hätte sich eine frühere Warnung gewünscht, dass neue Flüchtlingsunterkünfte in Feuerbach zur Rede stehen. Föll konterte die Kritik: Immerhin bekämen die Bezirksvorsteher hier vorab eine exklusive Information.