In Kernen im Remstal ist eine Unterkunft zum Brennpunkt geworden. Foto: Max Kovalenko

Etwa ein Dutzend von 47 Bewohnern einer Asylbewerberunterkunft in Kernen im Remstal steht unter Beobachtung der Polizei. Die Männer sind allesamt mehrfach wegen Diebstählen aufgefallen.

Etwa ein Dutzend von 47 Bewohnern einer Asylbewerberunterkunft in Kernen im Remstal steht unter Beobachtung der Polizei. Die Männer sind allesamt mehrfach wegen Diebstählen aufgefallen.

Stuttgart - Die Verfolgungsjagd ist kurz, aber heftig. Ein Ladendetektiv beobachtet in einem Geschäft in Bad Cannstatt fünf junge Männer. Als sie 30 Packungen Zigaretten einstecken ohne zu bezahlen, spricht er sie an. Sie stoßen den Detektiv zur Seite und flüchten. Zwei Männer kann er dennoch festhalten. Zwei weitere werden in der Nähe des Bahnhofs festgenommen. Einer kann entkommen. Alle sind Asylbewerber. Aber nicht aus Stuttgart, sondern aus dem Raum Karlsruhe und aus Kirchheim/Teck.

Die kleine Diebestour durchs Land ist kein Zufall, wenn man den Ermittlern glaubt. Diese Masche beobachtet die Polizei derzeit immer häufiger. Auch eine Asylbewerberunterkunft in Kernen im Remstal ist in den Blickpunkt der Behörden gerückt. Etwa ein Dutzend der 47 Bewohner dort ist inzwischen wegen jeweils mehrerer aufgedeckter Diebstähle polizeibekannt.

„Auch sie waren wenig im Rems-Murr-Kreis unterwegs, sondern haben die Taten überwiegend in anderen Landkreisen der Region begangen“, sagt Polizeisprecher Klaus Hinderer. Zumeist handle es sich dabei um Ladendiebstähle in Drogerien und anderen Geschäften. Ein Haupttäter, der eine zweistellige Zahl an Taten angesammelt hat, ist in dieser Woche zu acht Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden.

Ein Problempunkt bleibt die erst im vergangenen Jahr bezogene Unterkunft dennoch. Und die Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen, sind beschränkt. Aus Ermittlerkreisen ist zu hören, dass das Asylrecht rigorosen Schritten entgegen stehe. So dürfe man weder den Bewegungsradius der Betroffenen einschränken noch helfe es, Geldstrafen zu verhängen, weil die Täter diese nicht bezahlen können.

Neben Haftstrafen bei größeren Delikten lässt sich tatsächlich wenig tun. „Die Ausländerbehörde wird bei einem Strafbefehl informiert“, sagt Harald Knitter vom Waiblinger Landratsamt. Während des Asylverfahrens genieße der Bewerber allerdings einen hohen Schutz. Lediglich bei Haftstrafen prüften die Regierungspräsidien, ob eine Ausweisung möglich sei. Tatsächlich passiere das aber sehr selten. Im Normalfall wird die Strafe in Deutschland verbüßt.

Gleichwohl betont der Sprecher des Landratsamts, dass man sich „in Kernen um das Problem kümmern“ müsse. „Wir werden dort deutlich machen, dass wir einen Blick drauf haben“, sagt Knitter. Dazu gehört, dass Polizei und Sozialarbeiter häufiger vor Ort sind und kontrollieren.

„Wir warnen vor pauschalen Verdächtigungen"

Zudem wird geprüft, ob eine andere Zusammensetzung der Bewohner Besserung bringen könnte. Die Täter dort gehören zwei speziellen Nationalitäten an. Knitter weist allerdings darauf hin, dass man keine Wahl habe, welche Flüchtlinge in den Kreis kommen. „Wir müssen nach wie vor jeden Monat rund 60 neue Leute unterbringen“, sagt er. Und betont: „Wir warnen vor pauschalen Verdächtigungen. Die Täter sind und bleiben eine Minderheit. Die große Mehrheit der Unbescholtenen darf da nicht mit hineingezogen werden.“

In der Gemeinde selbst reagiert man zurückhaltend. Man habe lediglich allgemeine Informationen von der Polizei „über eine größere Zahl an Delikten“ bekommen, sagt Bernhard Bühler vom Haupt- und Personalamt. Diese Hinweise habe man an den Gemeinderat und an den Arbeitskreis Asyl weitergegeben.

Letzterer bietet in erster Linie Deutschkurse an. „Etwa die Hälfte der Bewohner kommt mehr oder weniger regelmäßig zu diesen Kursen“, sagt Helmut Kägi vom AK Asyl. Offenbar handle es sich dabei um jene, die nicht zu den Verdächtigen gehörten. Von den Straftaten habe man erst auch nur gerüchteweise gehört, so Kägi. „Es ist unser Anliegen, den Leuten eine Basis zu geben, sich hier einzufügen“, betont er. Und er sieht einen Grund, warum so mancher straffällig wird: „Die Leute möchten arbeiten, aber das dürfen sie nicht. Das ist ein Problem.“ Eine Sicht, die auch mancher Vertreter der Kommunen hinter vorgehaltener Hand bestätigt.

Nicht immer folgen aus der schwierigen Situation Straftaten außerhalb der Unterkünfte. Oftmals entladen sich die Konflikte innerhalb der Räume. In Kirchheim/Teck etwa ist im vergangenen März ein Streit unter Asylbewerbern eskaliert. Bei der Messerstecherei ist ein 22 Jahre alter Mann getötet worden. Vier weitere Asylbewerber wurden verletzt. Der Täter ist mittlerweile zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Die vier festgenommenen Diebe in Bad Cannstatt sind inzwischen dem Haftrichter vorgeführt worden. Es dürfte ihre vorerst letzte Tour durchs Land gewesen sein.