Nach der Abschiebung von Familie Iseni nach Nordmazedonien übt Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur (SPD) scharfe Kritik an Innenminister Thomas Strobl. Doch dessen Ministerium weist die Verantwortung von sich.
„Mitten in der Nacht kamen die Beamten und holten Familie Iseni ab. Refet Iseni, gut integrierter Familienvater und engagierter Malermeister aus dem Landkreis Rottweil, wurde trotz öffentlichen Aufschreis und einer Petition mit über 30 000 Unterschriften, zusammen mit seiner Familie verhaftet und nach Nordmazedonien abgeschoben“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur. Die SPD-Politikerin übt scharfe Kritik an der „völlig unverständlichen Abschiebung“.
Die schwarz-grüne Landesregierung habe es zugelassen, dass eine Familie, die geflüchtet ist, weil sie in ihrer Heimat von Gewalt bedroht war, erneut in Unsicherheit und Ungewissheit geschickt werde. Türk-Nachbaur: „Für die Kinder bedeutet diese Entscheidung unvorstellbaren Schmerz. Kinder, die eigentlich zur Schule gehen sollten, die sich darauf gefreut haben, ihre Freunde zu sehen oder von ihrer Lehrerin für ihre guten Noten gelobt zu werden. Stattdessen wurden sie mitten in der Nacht aus ihrem Bett gerissen und von all dem getrennt, was ihnen Sicherheit gibt.“
Familienvater Refet Iseni war der einzige Mitarbeiter von Peter Lachenmaiers Malerbetrieb PL Malen und Mehr in Schenkenzell. Ende Juli war Iseni jedoch plötzlich die Arbeitserlaubnis entzogen worden, weil er nur noch Duldungsstatus hatte.
Türk-Nachbaur wirft Innenminister Thomas Strobl (CDU) und der Landesregierung nun vor, nicht nur wirtschaftsfeindlich, sondern auch ohne jegliches Mitgefühl zu handeln: „Das Handwerk leidet unter einem akuten Arbeitskräftemangel und dennoch werden Menschen wie Refet Iseni, die alles richtig gemacht haben, im Betrieb schaffen und ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten, abgeschoben. Das ist zynisch.”
„Erklären Sie“
Den Innenminister, der für die Abschiebung verantwortlich sei, spricht Türk-Nachbaur sogar direkt an und fordert ihn auf, nach Schenkenzell zu kommen: „Herr Strobl, erklären Sie den Klassenkameraden der Kinder und dem Arbeitgeber PL Malen und Mehr, warum Sie eine solche Entscheidung getroffen haben. Erklären Sie, warum eine Familie, die hier alles richtig gemacht hat, abgeschoben wird, während der Bedarf an Arbeitskräften ungebrochen groß ist. Erklären Sie, warum Familie Iseni es nicht verdient hat, weiterhin Teil unserer Gemeinschaft zu sein.”
Ministerium sieht sich als falscher Ansprechpartner
Unsere Redaktion hat über die Pressestelle des Innenministeriums Strobl um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Doch statt dem Minister antwortet ein Sprecher des Ministeriums: „Offensichtlich hat sich die Abgeordnete Türk-Nachbaur in den letzten drei Jahren nicht um Migrationspolitik gekümmert. Seit 2021 gibt es in Baden-Württemberg das Ministerium der Justiz und für Migration – das wäre der richtige Ansprechpartner gewesen.“
„Die Landesregierung als Ganzes steht in der Verantwortung“
Das CDU-geführte Ministerium weist die Verantwortung also von sich – doch Türk-Nachbaur lässt nicht locker: „Ich muss mich doch wundern, dass sich der stellvertretende Ministerpräsident Strobl (CDU) bei einer solch weitreichenden Entscheidung plötzlich nicht zuständig fühlt und die Verantwortung stattdessen an seine Kollegin, Frau Gentges (ebenfalls CDU), überträgt. Die Landesregierung als Ganzes steht in der Verantwortung, diese unmenschliche Abschiebung zu erklären und zu hinterfragen. Die Familie, die Klassenkameraden und der betroffene Handwerksbetrieb erwarten Antworten – und vor allem erwarten sie, dass die Landesregierung handelt, anstatt die Zuständigkeiten hin- und herzuschieben“, teilt die Politikerin auf Anfrage mit.
Der Fall hat aber natürlich auch eine bundespolitische Dimension: So wurde Mazedonien (seit 2019 Nordmazedonien) 2014 unter schwarz-roter Bundesregierung als sicherer Herkunftsstaat eingestuft – und die SPD-geführte Regierung setzte sich jüngst für schnellere Abschiebungen für Personen ohne Bleiberecht ein.