Im Zentrum eines Konflikts: Afrikas Artenreichtum. Foto: Imago//Ingo Schulz

Afrika will den Artenschutz auf dem Kontinent in die eigene Hände nehmen. Der Westen habe dünkelhaft und unsensibel ein koloniales System zementiert, heißt es.

Zuletzt schlugen die Naturschützer im Juni zu. Wieder einmal sollten die Masaai einer Vergrößerung des Serengeti-Parks weichen: Als sie sich weigerten, schoss die tansanischen Polizei mit scharfer Munition und tötete einen Angehörigen des legendären Volks, dessen großgewachsene Hirten mit langen Stöcken in keinem Werbeprospekt der Serengeti fehlen.

 

Seit der Gründung des Parks unter maßgeblicher Beteiligung des Frankfurter Zoodirektors Bernhard Grzimek mussten die Masaai schon wiederholt dem Schutzgebiet weichen: zuletzt zugunsten eines Jagdgebiets für arabische Ölscheichs, deren Dollarbanknoten die Regierung in Dodoma betörte. Schließlich müsse das viele, für den Schutz wilder Tiere nötige Geld auch irgendwo herkommen, heißt es.

Der Vorfall wirft ein grelles Licht auf die Absurdität des afrikanischen Naturschutzes. Ein Volk, das seit Jahrtausenden in einem Naturparadies lebt und dies beschützt hat, wird aus Gründen des Naturschutzes verjagt. In diesem Fall zugunsten begüterter Ausländer: Arabische Ölscheichs haben für ein Jagdgebiet bezahlt und dürfen dafür auch den einen oder anderen Löwen abknallen. Von ihrer Bezahlung sehen die Massai allerdings nichts: Das geht an die Regierung in Dodoma – wer weiß, wo die Petrodollars schließlich landen. Ein „unbegreiflicher Vorgang“, meint der Geschäftsführer der African Wildlife Foundation, Kaddu Sebunya: „Wir müssen die Art und Weise, wie Naturschutz auf unserem Kontinent betrieben wird, von Grund auf verändern.“

Kongress fand in Kigali statt

Der kenianische Naturschützer organisierte den Kongress für Afrikas Schutzgebiete (Africa Protected Areas Congress, APAC), der in der vergangenen Woche in Ruandas Hauptstadt Kigali stattfand. Das erste Mal, dass sich Regierungsvertreter von 52 afrikanischen Staaten und Manager der rund 8500 Naturschutzgebiete des Kontinents im eigenen Kreis und nicht unter der Ägide ausländischer Naturschutzorganisationen trafen, um über nachhaltige Natur- und Artenschutzansätze sowie deren Finanzierung zu sprechen.

Afrikanischen Experten ist die Deutungshoheit über den Naturschutz seitens der „Ersten Welt“ schon lange ein Dorn im Auge. Sie führen deren Denkweise auf den Kolonialismus zurück – und dessen Verständnis des Naturschutzes als „Festung“. Europäer sehen Afrikas Bevölkerung als größten Feind der großartigen Fauna und Flora ihres Kontinents: Sie müssen durch Zwangsumsiedlungen, mit Feuerwaffen und Stacheldrahtzäunen von den Schutzgebieten ferngehalten werden. Dass es die Afrikaner waren, die ihre Tier- und Pflanzenwelt (im Gegensatz zu den Europäern) über Jahrtausende erhalten haben, bleibt genauso unerwähnt wie der Umstand, dass es die Europäer waren, die während der Kolonialzeit mit ihren Jagdflinten die afrikanischen Wildbestände um bis zu 90 Prozent dezimierten. Dass sie die Wildparks weniger zum Schutz der Natur als zum Schutz ihrer Jagd- und Abenteuerinteressen eingerichtet zu haben, wird den Europäern ebenfalls vorgeworfen. Schließlich sind Afrikas Nationalparks ausschließlich auf die Bedürfnisse ausländischer Touristen ausgerichtet – ob sie mit Fotoapparaten oder Repetiergewehren kommen. Dagegen kommen Afrikaner in den Reservaten vornehmlich als tanzende Mädchen in Baströckchen, als Kellner oder höchstens als Spurensucher vor. Für sie seien Elefanten nur als Fleisch in der Suppe interessant, spotten Bleichgesichter gerne. Die Diskrepanz zwischen dem Urlaubsleben weißer Naturfreunde in den Parks und dem ärmlichen Leben afrikanischer Dorfbewohner jenseits der Parks könnte nicht größer sein.

Tansania erfüllt die Vorgaben

Derzeit fordert die internationale Naturschutzlobby, mindestens 30 Prozent der gesamten Erdoberfläche unter Schutz zu stellen, um der Klimaerhitzung und dem Artensterben zu begegnen. Tansania ist jetzt schon am Ziel angelangt: Ein Drittel seiner Fläche steht unter Naturschutz. Dort darf weder ein einheimischer Rancher seine Rinder weiden noch der Staat nach Bodenschätzen suchen lassen. Wird in einem Schutzgebiet ein Staudamm gebaut, um die Bevölkerung mit Strom zu versorgen, schreit der Rest der Welt auf.

Eine Koexistenz kann gelingen

Solange die Interessen und Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung nicht berücksichtigt werden, könne Naturschutz nur scheitern, sagt Kaddu Sebunya: der Grund für den Paradigmenwechsel. Unter anderem müsse die Ökonomie in den Regionen um die Parks auf die Schutzgebiete abgestimmt werden, sagt der Sozialwissenschaftler: Denn nichts ist für wilde Tiere gefährlicher als arme und unzufriedene Menschen.

Seit einiger Zeit suchen – auch internationale – Naturschutzorganisationen, in Projekten herauszufinden, wie die Koexistenz von Mensch und wilden Tieren aussehen könnte. Einfach ist es nicht, aber machbar, so der Kern ihrer Erkenntnis. Natürlich spielt dabei auch das Geld eine Rolle, das für die Integration menschlichen Wirtschaftens mit der wilden Natur zur Verfügung steht. Bisher verfügten fast ausschließlich ausländische Regierungen und Naturschutzverbände über die Finanzen. Das soll sich nun ändern.

Einer der wichtigsten Beschlüsse der über 2000 afrikanischen Delegierten in Kigali war die Bildung eines panafrikanischen Fonds, aus dem der Naturschutz finanziert werden soll und in den ausländische Regierungen und Naturschützer einzahlen können. Afrikaner wären dann erstmals in der Lage, selbst darüber zu entscheiden, auf welche Weise die einzigartige Natur ihres Kontinents geschützt werden soll. Mehr Erfolg als die europäischen Jäger-Kolonialisten werden sie auf jeden Fall haben.