Der Rapper Soprano. Er und viele seiner Kollegen aus der französischen Musikszene äußern sich in der Doku zum Thema Autotune. Foto: imago /Andia/Tesson/Andia.fr

Wie stark Autotune die Musikwelt verändert hat, das nimmt eine Arte- Miniserie ins Visier und liefert kontroverse Sichtweisen auf das Thema.

Nicht nur für Musiknerds könnte die Arte-Doku „Auto-Tune – Die gepimpte Stimme“ interessant sein. Kaum ein Chartsong kommt heute ohne den Effekt aus, gleichzeitig polarisiert er die Gemüter. Wie stark Autotune die Musikwelt verändert hat, das nimmt die Miniserie ins Visier. Musikproduzierende, Musikerinnen und Musiker, Musikjournalisten, DJs – vorwiegend aus Frankreich – kommentieren diese Entwicklung.

 

Folge eins zeichnet den Erfolgsweg von Autotune nach. Jennifer Lopez und Mariah Carey wären ohne Autotune kaum anzuhören, heißt es da. Wer allerdings nicht nur die Tonhöhe, sondern deutlich mehr korrigieren müsse oder wolle, könne mit Autotune ein neues Instrument einsetzen. Cher habe Autotune bereits in ihrem Lied „Believe“ offensiv benutzt und so 1998 in der Popwelt den neuen Ton gesetzt. Anschließend habe Autotune Hip Hop und Rap ermöglicht, heute die Charts zu bestimmen, Rap sei so massentauglich geworden, so die Produzenten.

„Heute ist es egal wie du singst“

Für alle, die sich nicht so gut mit der Technik auskennen, gibt der Musikproduzent Tez eine kleine Einführung in die Funktionsweisen von Talkbox, Vocoder und Autotune.

Während die Dokumentation mit einem Lobgesang startet, folgt im zweiten Teil eine leidenschaftliche Auseinandersetzung über die Auswirkungen des Effekterzeugers auf die Künstler sowie auf die Qualität von Kunst nach dem Motto früher vs. heute, jung gegen alt. Die französische Rapperin K-Green führt in Folge drei vor, wie Studioaufnahmen mit und ohne Autotune klingen und ein Produzent sagt, „früher musste man singen können, heute ist es für den Refrain egal, wie du singst, ich muss nur ein hübsches Mädchen finden und den Rest erledigt Autotune.“

K-Green hingegen fühlt sich durch Autotune in ihrer Rolle als professionelle Sängerin geschwächt, da ihr der Platz streitig gemacht wurde. „Wir haben die Büchse der Pandora geöffnet, wir haben jetzt viele Sänger, aber das ist egal, weil es gut ist“, meint der Radiomoderator und DJ First Mike. Rapper Uzi unterstreicht: „Du kaufst doch heute auch kein Auto mehr ohne Servolenkung, oder? Mit Autotune ist es dasselbe.“ Folge fünf belebt das Thema, indem es Autotune in die Kategorie einer Sprache hebt, der Untertitel: „Esperanto“. Rapper Soprano erklärt: „Alle klingen wie Jul, er hat den Sound in Deutschland, Spanien, Italien, Russland, sogar bis in die USA von Marseille aus beeinflusst“. Jul zählt zu den erfolgreichsten französischen Rappern. Symba, Rapper aus Berlin, wie auch Médine aus Frankreich sehen in Autotune den gemeinsamen Nenner der Rapszene weltweit derzeit. Der Journalist und Produzent SHKYD empfindet die Vereinheitlichung des Sounds als eine schöne Art Ländergrenzen zu überwinden.

Sänger Jacques erklärt jedoch, dass er Autotune benutze, weil es alle machten. Sonst würde er in den Algorithmen der Musikplattformen völlig untergehen: „Ich wäre ohne Autotune der, der falsch singt, aber ich singe nicht falscher als die anderen, ich würde lieber darauf verzichten.“ Das Ohr sei heute eben auf Autotune eingestellt, sagt Soprano. Nur noch ein Filter, der den Sound von den 2010ern bis in die 2020er vielleicht bis 2050 bestimmt hat? Das gibt eine Musikproduzentin zu bedenken. Und dann komme irgendwann wohl wieder etwas ganz Neues.

Erfinder kommt zu Wort

Die Stärke der Doku liegt an der Darstellung der verschiedenen Sichtweisen auf das Thema, und auch der Erfinder von Autotune, Andy Hildebrand, kommt zu Wort. Mehr Musikbeispiele und Struktur hätten das Gesagte unterstreichen können. Wer sich jedoch für das Thema interessiert, wird mit Einblicken in die Welt von Musikschaffenden belohnt.

Mediathek

Auto-Tune – Die gepimpte Stimme
in der Arte-Mediathek, sechs Minifolgen zwischen 8 und 10 Minuten, bis 13.6. 2026 verfügbar.