Der Euro in der Krise – viele Menschen sind besorgt Foto: dpa

Panikmache oder Prophezeiung? Ein Euro-Zusammenbruch würde zu Lebensmittelengpässen und Tumulten führen, sagen Inhaber von Krisenshops. Landesinnenminister Gall kritisiert dies als Panikmache.

Stuttgart - Ronny aus Stuttgart hat seine Vorräte an verschiedenen Orten versteckt: Dosensuppe, Zahncreme, Desinfektionsmittel, Medikamente. Er fragt sich nicht, ob er sie irgendwann brauchen wird. „Nur wann.“ Ronny rechnet damit, dass der Euro zusammenbricht. In den Läden werde es dann kein Brot, keine Milch, kein Trinkwasser mehr geben. Die Menschen würden versuchen, einander auszurauben, glaubt er. Und die Polizei werde das nicht zu verhindern wissen.

Es gibt zahlreiche Händler, die sich Menschen wie Ronny als Zielgruppe ausgesucht haben. Ihre Internetläden haben Namen wie „Survival Outdoor Shop“, „Krisenvorsorge jetzt“ oder „Armeeverkauf“. Währungsexperten halten es für unverantwortlich, die Angst der Bürger zu schüren, um ihre Produkte besser verkaufen zu können.

Doch Unternehmer wie Gerhard Spannbauer aus Gauting bei München sind von ihrem Geschäftsmodell überzeugt: „Ich kam auf die Schlussfolgerungen, die ich in meinen Büchern beschreibe“, sagt er. Er wäre froh, wenn alles ganz anders käme, „ aber die Fakten sprechen leider dagegen“. Als besorgter Familienvater habe er vor Jahren erkannt, dass sich das auf Schulden basierende Finanzsystem auf sein Ende zubewege.

„Dieses Szenario halte ich für Panikmache“

Unter den Vorratshändlern ist er wohl der aktivste. Spannbauer hat Kooperationen mit Versandhandelsfirmen, die ihren Paketen Krisen-Prospekte zum Euro-Crash beilegen. Auch baden-württembergische Bürger haben sie erhalten. Darin heißt es: „Die nächste Phase der Krise erschüttert nicht nur den Finanzsektor, sondern die gesamte Infrastruktur.“ Darauf folge der Zusammenbruch der Warenversorgung: „Gewalttätige Demonstrationen, Sabotageakte und Tumulte führen zu einem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung“, schreibt Spannbauer. „Die Versorgungslage – speziell in den Ballungsräumen – bricht zusammen.“

Den baden-württembergischen Innenminister Reinhold Gall (SPD) verärgern solche Schauergeschichten: „Dieses Szenario halte ich für Panikmache“, sagt er. „Ich halte es für verantwortungslos, wenn man aus Ängsten von Bürgern auch noch derart Kapital schlägt.“

Viele Menschen reagieren aber besorgt auf solche Handzettel. In Krisenvorsorgeläden finden diese Menschen Angebote wie beispielsweise eine Ladung Grundnahrungsmittel für den Krisenvorrat. Das größte Paket umfasst 200 Kilo konservierter Grundnahrungsmittel. Die Haltbarkeit beträgt 15 Jahre. Der Kunde kann sich „bei anhaltenden Versorgungsengpässen“ 365 Tage lang davon ernähren kann. Kosten: 3490 Euro.

Es wird empfohlen, sich zu bewaffnen

Problematischer erscheint Experten vor allem, dass die Krisenvorsorgeunternehmer ihren Kunden vorschlagen, sich für den Ernstfall zu bewaffnen. So bietet Spannbauer seinen Kunden alles, was es unterhalb des Waffenscheins zu kaufen gibt: Pfefferspraypistolen, Elektroschockgeräte, Schlagstöcke oder Armbrüste. Die teuerste Armbrust kostet 695 Euro, günstiger ist das Modell Panzer 5 (269 Euro). Für diese Waffe werden die aufschraubbare Pfeilspitzen empfohlen, welche „die Durchschlagskraft der Pfeile enorm“ erhöhen, heißt es.

„Der Bereich Sicherheit gehört zu einem umfassenden Vorsorgekonzept und wird in Notzeiten unverzichtbar sein“, sagt Spannbauer. „In solchen Zeiten explodiert erfahrungsgemäß unter anderem die Kriminalität, auch wenn man das gerne verdrängt.“

In seinem Prospekt nutzt Spannbauer das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als Werbeargument. „Folgen Sie den Empfehlungen des Bundesamts für Zivilschutz und schützen Sie sich durch eine grundlegende Ausrüstung“, hieß es da. Bei der Behörde jedoch bemüht man sich um Distanz zum Krisenwarenhändler: Mittlerweile hat sie erwirkt, dass sie künftig nicht mehr in diesem Zusammenhang erwähnt wird, teilt eine Sprecherin mit, nachdem sie von unserer Zeitung darauf aufmerksam gemacht wurde.

Christoph Unger, Präsident des BBK, erklärt: „Wir möchten mit unseren Broschüren und Faltblättern die Selbsthilfefähigkeit der Menschen trainieren; das Vorhalten von Waffen gehört ausdrücklich nicht dazu.“ Zur Vorsorge und Selbsthilfe kläre die Behörde auf, „aber gewiss wollen wir keine Ängste schüren oder Panik verbreiten“.

Krisenangst oder Paranoia?

Auch Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), bemüht sich um Sachlichkeit: „Wir müssen uns natürlich mit verschiedenen Szenarien auseinandersetzen, um nicht unvorbereitet von einer Krise getroffen zu werden“, sagt Burkert unserer Zeitung. Ein derart extremes Szenario aber, wie es in dem Flyer beschrieben wird, hält er für „höchst unwahrscheinlich“. „Meiner Meinung nach ist es unzulässig, dass man hier die Panik der Menschen schürt, nur damit man die eigenen Produkte besser an den Mann und an die Frau bringen kann.“ Er glaubt nicht, dass das Ende des Euros das Ende der Zivilisation bedeuten würde: „Nach unseren Berechnungen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro auseinanderbricht, bei 15 Prozent“, sagt er. „Aber selbst wenn dieser Fall eintreten sollte, ist mir nicht ersichtlich, warum es zu einem Zusammenbruch der Warenversorgung kommen sollte.“ Selbst beim arabischen Frühling sei die Exportwirtschaft nicht zum Erliegen gekommen. „Sollte nun also Spanien die Peseta wieder einführen, wäre das für deutsche Importeure sogar ein Anreiz, noch mehr spanische Produkte einzukaufen“, sagt er, da dies eine Billigwährung wäre. Eine neue Währung einzuführen sei technisch und logistisch eine relativ einfache Übung. Burkert geht davon aus, dass die Bundesregierung schon einiges dafür getan habe, den Zahlungsverkehr im Falle eines Euro-Zusammenbruchs aufrechtzuerhalten. Auch die Wirtschaft habe seit Aufziehen der Krise genügend Zeit gehabt, Vorkehrungen zu treffen. „Es wäre wesentlich problematischer gewesen, wenn der Euro vor einem oder zwei Jahren auseinandergebrochen wäre“, sagt Burkert.

Krisenvorsorgler halten das für Beschwichtigungen. Sie treffen sich bei Stammtischen in Ulm, Stuttgart oder Mannheim – und bleiben unter sich. Ihre Identität wollen die meisten geheim halten. So wie Harry aus Ulm und Ronny aus Stuttgart. Als Spinner, Sektenmitglieder, Pessimisten, Euro-Gegner und Weltuntergangspropheten seien sie schon bezeichnet worden, sagt Harry. Und außerdem ist es ihnen zu gefährlich, mit vollem Name in der Zeitung zu stehen: „Mal angenommen, 80 Prozent der Menschen sorgen nicht für eine Krise vor“, sagt Ronny. „Was passiert dann mit den übrigen 20 Prozent, die Vorräte angelegt haben?“