Georg Fundel wird Ende April den Flughafen Stuttgart verlassen, jetzt soll auf ihn eine Frau folgen. Die Personalkommission schlägt dem Aufsichtsrat Arina Freitag vor, die derzeit bei der DB Netz AG tätig ist.
Stuttgart - Der Steuerknüppel beim Flughafen Stuttgart kommt in neue Hände. Am 4. April will die Personalkommission des Aufsichtsrats dem Gesamtgremium einen Vorschlag für die anstehende Neubesetzung in der Geschäftsführung machen – und das Plazet dafür beantragen. Der Co-Geschäftsführer Walter Schoefer soll die Flughafengesellschaft künftig zusammen mit einer Frau steuern. Nach Informationen unserer Zeitung will die Personalkommission die promovierte Volkswirtschaftlerin Arina Freitag (46) vorschlagen. Sie ist zurzeit Managerin bei der DB Netz AG, hat aber auch Erfahrung in der Luftfahrtbranche.
Zu besetzen ist der Job von Georg Fundel. Der Fliegenträger, den kaum jemals jemand mit einer Krawatte gesehen hat, will Ende April selbst die Fliege machen. Dann wird er nach über 20 Jahren am Flughafen in den Ruhestand treten – und anderntags umgehend in die Pedale. Der Hobbyradsportler möchte über die Alpen bis nach Sizilien fahren. Das ist der Abschied eines Flughafenmanagers, der das Unternehmen in Stuttgart viele Jahre geprägt hat, der als Betriebswirtschaftler zunächst Mitarbeiter und Personalvertreter verschreckte, dem dann aber ein maßgeblicher Anteil am wirtschaftlichen Erfolgskurs bescheinigt wurde. Der Stuttgarter Airport ist heute einer der einträglichsten Flughäfen Deutschlands. Seit Jahren wirft das operative Geschäft dieses Konzerns mit Tochterunternehmen Gewinne von um die 30 Millionen Euro ab – nach Steuern wohlgemerkt.
Von 2006 bis 2015 arbeitete die Neue für Fraport
Nun also geht Fundel (63), und der Aufsichtsrat muss die Nachfolge regeln. Fundel selbst hatte dabei keinen Part. Er gab zu Beginn nur öffentlich zu bedenken: „Entscheidend ist die fachliche Eignung. Aber man braucht als Geschäftsführer auch politische Erfahrung.“ Mit der Suche wurde das Personalberatungsunternehmen Odgers/Berndtson in Frankfurt am Main beauftragt. Ins Visier kam auch eine Wahl-Frankfurterin – eben Arina Freitag, die jetzt als Nachfolgerin von Fundel nominiert ist. Sie hatte von März 2006 bis Juli 2015 für Fraport, den Betreiber von Deutschlands größtem Flughafen mit jährlich 60,8 Millionen Passagieren, gearbeitet – als Finanzcontrollerin, als Projektleiterin in Zusammenhang mit einer Startbahneröffnung und als Verhandlungsführerin gegenüber Fluggesellschaften.
In Stuttgart wollte zunächst niemand bestätigen, dass Arina Freitag an Walter Schoefers Seite treten soll. OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte die Personalauswahl federführend geleitet und beaufsichtigt, aber keinen Kommentar abgegeben. Am Mittwochnachmittag aber, nachdem unsere Zeitung die Personalie online vermeldet hatte, reagierte Sven Matis, Sprecher der Stadt, im Kurznachrichtendienst Twitter. „Es stimmt: Arina Freitag ist Kandidatin für die Geschäftsführung. Aufsichtsrat entscheidet am 4. April“, lautete der Tweet.
Dem Vernehmen nach waren beim Suchlauf ursprünglich rund 150 Personen in Erwägung gezogen worden. Arina Freitag habe sich klar durchgesetzt, heißt es. Deswegen wird fest damit gerechnet, dass Kuhn dem Aufsichtsrat am 4. April niemand anderen als diese Frau vorschlagen wird. Herr des weiteren Verfahrens ist sein Parteifreund Winfried Hermann, Verkehrsminister und Aufsichtsratsvorsitzender am Flughafen. Er und alle anderen Beteiligten dürften stark daran interessiert sein, die Lücke nicht allzu lang klaffen zu lassen, die Fundel hinterlässt – auch wenn die Geschäftsführung nicht ganz verwaist ist.
Jurist mit Grünen-Parteibuch hat abgewinkt
Ein weiterer Parteifreund von Kuhn und Hermann hat mit dem Verfahren nichts mehr zu tun: der promovierte Jurist Florian Stegmann aus dem Staatsministerium, dem Machtzentrum des Flughafenhauptgesellschafters. Dem Land Baden-Württemberg gehören nämlich 65 Prozent der Flughafengesellschaft, der Landeshauptstadt 35 Prozent. Die grün-schwarze Landesregierung gibt den Ton an, und speziell die Grünen sollen sich dort in Nebenabreden zum Koalitionsvertrag das Vorschlagsrecht für den Flughafenjob gesichert haben, hieß es im August 2016. Damals verbreitete sich die Kunde, dass Stegmann ausersehen sei und auch Interesse habe. Mitte Januar sah das wieder anders aus.
Stegmann äußerte sich damals zwar nicht, doch es gab Anzeichen, dass er eine Bewerbung verworfen hatte. Viel spricht dafür, dass der beim Land offenbar sehr geschätzte Mitarbeiter nicht verbrannt werden wollte und sollte. Denn die Christdemokraten hatten, angeblichen Nebenabreden zum Trotz, so etwas wie einen Fall von Parteibuchwirtschaft beklagt. Außerdem war die Forderung nach einer „fachlichen“ Besetzung aufgekommen.
Die Kandidatin kommt mit Spielzeug und Schachspiel
Über Arina Freitags politische Präferenzen ist bisher nichts bekannt geworden. Alarm wurde von niemandem geschlagen. Daher scheinen die Chancen gut zu stehen, dass sie in Fundels altes Büro einziehen und Chefin eines Flughafens mit knapp elf Millionen Passagieren werden kann. Wie hoch das einzuschätzen ist, weiß sie selbst am besten: „In der Aviation-Industrie sind Frauen in Führungspositionen eher selten“, hatte sie vor Jahren festgehalten. Falls sie in Stuttgart vom Aufsichtsrat gewählt wird, ist unschwer vorherzusagen, was sie außer beruflichen Erfahrungen und der Lust auf diesen Job noch mitbringen dürfte: einen Airport-Express der Lufthansa, einen Jumbo des Typs B747-8 und eine B767 aus dem Hangar von Condor – „natürlich im Miniaturformat“, sagte sie schon 2015, als sie das Spielzeug bei ihrem Amtsantritt bei der Bahn mitbrachte. Ein Schachspiel hatte sie auch im Gepäck, denn das helfe beim Verhandeln, meinte sie.
Damals betonte sie im Gespräch mit den Netznachrichten des neuen Arbeitgebers die Bedeutung von Verlässlichkeit und Verständnis bei der Kundenpflege. Außerdem sagte sie damals: „Wichtig finde ich, dass sich Infrastrukturdienstleister nicht als Selbstzweck verstehen, sondern sich klar und gleichermaßen auf die Kundenbedürfnisse und das öffentliche Interesse ausrichten.“ Wann Arina Freitag anfangen könnte, scheint noch nicht sicher, sondern noch Verhandlungssache zu sein.