Der fesselnde ARD-Dokumentarfilm „Gefangen im eigenen Körper“ erzählt von der wundersamen Rückkehr eines Mannes aus dem Reich der Toten.
Die Furcht, bloß scheinbar tot zu sein und lebendig begraben zu werden, gehört zu den ältesten Ängsten der Menschheit. Nicht wenige Berühmtheiten haben daher einst verfügt, erst dann bestattet zu werden, wenn ein Stich ins Herz oder die Öffnung der Pulsadern keinen Zweifel am Ableben ließen.
Heutzutage soll die vorgeschriebene Leichenschau solche Irrtümer verhindern. Trotzdem existiert das Phänomen immer noch, wenn auch auf andere Weise, und davon erzählt dieser fesselnde Dokumentarfilm: Vor einigen Jahren ist der Israeli Gil Avni beim abendlichen Fernsehen auf dem Sofa in sich zusammengesackt. Seine Frau hat umgehend einen Rettungswagen alarmiert. Im Krankenhaus stand man vor einem bis heute ungelösten Rätsel: Offenbar hatten Gils Lebensgeister aus heiterem Himmel den Körper verlassen. Nach diversen Untersuchungen erfolgte die Diagnose Hirntod; seine Frau rechnete damit, dass jeden Moment jemand käme und sie bittet, Gils Organe zu spenden. Was niemand ahnte: Der junge Mann war wach und hat alles mitbekommen. Wortgetreu kann er wiedergeben, was rund um sein Bett gesprochen wurde, selbst das nächtliche Geplauder der Krankenschwestern. Gil war „Gefangen im eigenen Körper“, wie Rotem Gross die mit SWR-Geld finanzierte israelisch-deutsche Koproduktion genannt hat.
Die Bezeichnung „Locked-in-Syndrom“ beschreibt einen Zustand, in dem ein Mensch bei vollem Bewusstsein, aber vollständig gelähmt ist. Entsprechend groß war Gils Verzweiflung, wie er vier Jahre nach diesem traumatisierenden Erlebnis berichtet: Vergeblich versuchte er, sich irgendwie mitzuteilen; eine Vorstellung, die nicht minder beängstigend ist wie der Albtraum, lebendig im Grab zu liegen.
Spannend wie ein „Medical Thriller“
Zum Glück nimmt Gross das Wunder vorweg: Gil ist, wie es im Film heißt, noch mal „begnadigt“ worden; andernfalls wäre „Gefangen im eigenen Körper“ kaum auszuhalten. Schon der Auftakt, als Gil im Gegenlicht eine Lagerhalle betritt und auf die Kamera zugeht, weckt die Assoziation zu einer Rückkehr aus dem Reich der Toten. Trotzdem stand Gross vor der Frage, wie sich dieses außergewöhnliche Ereignis in Bilder umsetzen ließe; erfahrungsgemäß wird selbst die ergreifendste Handlung auf Dauer eintönig, wenn ein Film nichts anderes als redende Menschen zeigt. Ein erster Schritt war getan, als es gelang, die Beteiligten dazu zu überreden, an der szenischen Rekonstruktion der Ereignisse im Schockraum und auf der Intensivstation mitzuwirken; die passende Musik sorgt dafür, dass viele dieser Momente spannend wie ein „Medical Thriller“ sind. Aber es gab noch eine weitere Herausforderung: Wie sollte Gils subjektive Perspektive illustriert werden? Weil er wegen der Ganzkörperlähmung nicht blinzeln konnte, sind seine Lider, wie in solchen Fällen üblich, zugeklebt worden, damit die Bindehaut nicht austrocknet; aber Gross wollte verständlicherweise nicht, dass sein Film über weite Strecken nur aus Schwärze besteht.
Im Stil eines Comicromans
Die Lösung ist ebenso simpel wie überzeugend: Wenn Gil seine Wahrnehmungen schildert, sorgen Zeichnungen im Stil eines Comicromans für die nötigen Bilder. Die Klinikpsychologin liefert die passenden Hintergrundinformationen über die Nahtoderfahrung, wenn sich das Bewusstsein vom Körper trennt; für solche Momente ist die Umsetzung als Animation ideal.
Eine der Schlüsselfiguren ist der zuständige Anästhesist, der nicht zulassen wollte, dass die Kinder des Patienten ohne Vater aufwachsen. Sein Überleben hat Gil jedoch der Intensivpflegerin zu verdanken, die gespürt hat, dass in diesem Körper entgegen der Überzeugung der Ärzte sehr wohl noch ein Bewusstsein steckte.
Gefangen im eigenen Körper: 2. August, 22.50 Uhr, ARD