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Peter Schürmann eröffnete am Montag den Jahresempfang 2010 des Landesverbands des BDA.

Stuttgart - Peter Schürmann eröffnete am Montag den Jahresempfang 2010 des von ihm geleiteten Landesverbands des Bundes Deutscher Architekten in Stuttgart mit dem Zitat "Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese sind unsere".

Jedes Jahr ruft der BDA-Landesverband Baden-Württemberg zum Jahresempfang in den Weißen Saal des Neuen Schlosses. Und jedes Jahr gilt die besondere Erwartung dem Gastredner - am Montag war dies Niklas Maak, Architekturkritiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die ersten Worte aber gehörten dem BDA-Landesvorsitzenden. Peter Schürmanns zentrale Themen: die Ausbildung sowie die Tücken und Fallen des Wettbewerbswesens. Überraschend offen prangerte Schürmann die neuen Vergaberichtlinien bei Architekturwettbewerben an, mehr noch aber kritisierte er die verschulte und verkürzte Ausbildung von zukünftigen Architekten. Der vielgescholtene Bologna-Prozess mit dem Bachelor- und Mastersystem bringe nicht die Architekten hervor, die man sich beim BDA wünsche: kritische und fachlich ausgebildete Geister, die sich an einem öffentlichen Diskurs über Architektur und Stadtplanung beteiligen und diesen prägen. Es brauche Raum und Zeit, dass junge Menschen zu entsprechenden Persönlichkeiten heranwachsen.

Klare Worte fand Schürmann auch für die neue Bundesregierung. Es gebe wohl einen Passus in der Koalitionsvereinbarung, dass "die Baukultur als Markenzeichen einer Kultur" zu verstehen sei, zugleich aber sei es verwunderlich, dass in keiner der führenden Positionen des Bundesverkehrsministeriums, das ja auch für das Bauwesen zuständig sei, ein Baufachmann sitze. Schürmann trocken: "Es hilft, wenn man ein wenig von dem versteht, worüber man entscheidet."

"Panzer und Schäume - Was die Formen unseres Alltags über unsere Gegenwart aussagen" hatte Niklas Maak, im "FAZ"-Feuilleton für das Kunstressort verantwortlich, seinen Gastvortrag überschrieben. Und wie ein moderner Archäologe widmete er sich den Alltagsgegenständen, die seiner Meinung nach die Missstände der modernen Gesellschaft aufzeigen. Für Maak sind hier zuvorderst die stadtflanierenden Geländewagen, neudeutsch als Sport Utility Vehicle (SUV) bezeichnet, zu nennen. Als Beispiel dafür, so Maak, wie sehr sich der moderne Mensch gegen die seiner Meinung nach vorhandenen Gefahren des öffentlichen Raums schütze. Er setze sich in einen Panzer, mit dem man "direkt von Stuttgart bis nach Kundus durchfahren könnte". Umgeben von einer stählernen Hülle, verstaue er sich und seine Lieben im fahrbaren Wohnzimmer. Denn, so Maak weiter, innen seien die SUV mit allem ausgestattet, was man sonst im heimischen Wohnzimmer erwarte.

Doch damit nicht genug: Auch die Verwaisung der öffentlichen Plätze und die damit einhergehende Zuwendung zum Privaten zeige auf, dass der Fokus sich verändert habe. Denn ging man früher noch bewusst einen Kaffee im Kaffeehaus trinken und nahm sich Zeit, dafür im öffentlichen Raum zu verweilen, so begreife der moderne Mensch diesen öffentlichen Raum nur noch als Transitzone, in der er seinen Coffee to go im Vorbeigehen trinke. Und wenn er die Transitzone durchschritten habe, kapsele sich der Mensch zu Hause ein und decke seinen Bedarf an sozialen Kontakten nicht mehr auf Straßen und Plätzen, sondern online in sogenannten sozialen Netzwerken wie Facebook. Und die einstmals öffentlichen Räume würden nur noch als Parkplatz mit Shopping-Mall und Multiplex-Kino begriffen.

Maaks bewusst oder unbewusst sehr deutlich an Überlegungen des New Yorker Philosophen Richard Sennett gemahnendes Fazit: Deutschland verliere nach und nach ein Merkmal, das es doch so lange ausgezeichnet habe - die hohe Qualität der öffentlichen, jedem zugänglichen Räume, die Ort für Gemeinschaft, Austausch und Verweilen waren. Ein Umstand, den gerade Architekten, und hier betont Niklas Maak die Bedeutung dieser Berufsgruppe, nicht einfach so hinnehmen könnten. Zwar könne Architektur die Welt nicht alleine verändern, so Maak weiter, doch einen Teil dazu beitragen, das könne sie. Vor allem aber müsse sie, und hier schloss Maak den von Peter Schürmann eröffneten Kreis, sich in den öffentlichen Diskurs einmischen, Missstände aufzeigen und Fehlentscheidungen anprangern. Ansonsten werde, so eine sehr schwarze Zukunftsvision, aus unserer gebauten Umwelt bald nur noch eine Ansammlung von privaten Zellen, in denen Individuen vor sich hin vegetierten und der einzige soziale Kontakt online erfolge.

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